"Ein bisschen was von der Welt sehen"
Zum Probetraining ging Mieke Kröger eigentlich nur, um ein Rennrad für den Schulweg zu bekommen. Heute gilt die 22-Jährige als deutsche Hoffnung im Radsport, ist bei den Olympischen Spielen in Rio dabei. Zum Trainieren geht sie auf Fahrrad-Reise durch Europa.
Das Ziel Rio de Janeiro war gar nicht vorhanden, als der Weg von Mieke Kröger vor fast acht Jahren im ostwestfälischen Brackwede begann:
"2008 hatte ich den Gedanken, ein Rennrad haben zu wollen. Auch, um damit zur Schule zu fahren. Aber es ist natürlich so eine teure Anschaffung, da musste ich erst ein Probetraining im Verein absolvieren. Ja, und dann ging das alles relativ schnell. Dann habe ich mir im Dezember ein Rennrad gekauft–ein gebrauchtes–und war dann im Vereinstraining dabei. Und wurde dann dazu bewogen, mal Rennen zu fahren. Das habe ich dann getan. Ja, und so lief das dann."
Erstaunlich einfach klingt es aus dem Mund der 23-jährigen Olympiafahrerin, die in Rio in der Bahnrad- Verfolgung antreten wird.
Ihr erstes Radrennen gewann sie prompt, aus dem Bauch heraus ging sie es an. Irgendwann kam zur Intuition auch die Taktik, der Gang auf das Siegerpodest wurde zur Regelmäßigkeit und ihr erster Trainer Markus Spiekermann-Rebien vom RV Teutoburg Brackwede erkannte, dass er da ein besonderes Talent im Verein hatte.
"Sie war wahnsinnig leistungsbereit"
"Da waren wir bei der Deutschen Meisterschaft im Einzelzeitfahren in Genthin. Da war sie in der Jugend unterwegs. Wir waren ganz unprofessionell ausgestattet, war auch meine erste Deutsche Meisterschaft, mit einem Serienrennrad, keine Zeitfahrmaschine. Ich durfte nicht hinterherfahren, ich hatte den entsprechende Schein gar nicht. Also, sie war allein unterwegs - und kam da als Fünfte ins Ziel. Und wurde wirklich von den ganz großen Namen damals im Jugendradsport nur geschlagen. Da wurde mir so klar: Da wird was draus."
Den Titel als Deutsche Meisterin im Straßenrennen und auf der Bahn sowie als Weltmeisterin in der Verfolgung bei den Juniorinnen folgten unter anderem die Straßen-WM mit der Mannschaft 2015. Im Juni erst wurde Mieke Kröger Deutsche Meisterin auf der Straße.
"Mieke hat zwei Eigenschaften, die sie besonders auszeichnen: nämlich einmal, dass sie sich wirklich unglaublich quälen kann. Das war von Anfang an so. Sie war wahnsinnig leistungsbereit und hat erst dann wirklich Schluss gemacht, wenn es nicht mehr ging. Und sie hatte die Eigenschaft, sehr schnell wieder aufzustehen. Also Misserfolge nicht grundsätzlich so abzubuchen: Jetzt hör ich auf, das tue ich mir nicht mehr an, sondern eigentlich zu sagen: Morgen sitze ich wieder auf dem Rad."
Dabei trainiert die Studentin der Ernährungswissenschaften gleichermaßen gern auf der Bahn wie auf der Straße. Ganz unaufgeregt und ohne Anzeichen von Höhenflug erzählt sie etwa von ihrem selbst gewählten Einzel-Trainingslager.
Keine Lust auf Mallorca oder so
"Also, ich hab jetzt mittlerweile dreimal schon so eine Trainingslager-Tour gemacht. Das erste Mal total spontan, bin ich von zu Hause aus mit Packtaschen losgefahren. Grundlagen- Trainingslager, sag ich mal. Ich hatte keine Lust auf Mallorca oder so, und auf immer wieder Runden fahren. Weil dann ist beim Runden fahren doch die Tendenz zum Abkürzen da. Und wenn man halt von A nach B fährt und ein bisschen was von der Welt sieht, Deutschland und Tschechien bisher, dann erlebt man alles viel intensiver und man kommt so ein bisschen back to the roots."
Wobei von A nach B dann heißt, von Leipzig nach Prag und weiter nach Nürnberg. Fast schon eine Art Pilgerreise - allein mit sich, dem Wetter und der Weite der Straße.
"Man lernt sich selbst sehr gut kennen. Es ist hart manchmal, weil man natürlich auch mal einen Tag nur mit Gegenwind erwischt und mit kaltem Wetter und Regen. Aber man ist einfach so glücklich, wenn man dann ankommt. Man lernt halt einfache Dinge viel mehr wert zu schätzen wieder, eine Waschmaschine zum Beispiel oder eine heiße Dusche."
Kindergeburtstag spielen im Olympischen Dorf
Unterwegs bleibt immer noch Zeit für einen Blick durch die Kamera oder ein Tagebuch auf ihrer Homepage. Seit einigen Tagen ist die Weltklasse-Radsportlerin aber 1,83 Meter pure Vorfreude auf die Olympischen Spiele, bei denen sie mit der deutschen Mannschaft Rang Sechs anpeilt. Die Freude am Sport, die Mieke Kröger ausstrahlt, will sie im Rahmen der Olympischen Spiele erfahren.
"Ich denk, wenn ich ankomme, werde ich erst mal eine Kokosnuss trinken und dann zwei Tage Kindergeburtstag spielen im Olympischen Dorf, alles angucken und alles ausprobieren. Und dann sollte langsam auch wieder der Fokus auf den Sport gelegt werden und ich lasse es einfach auf mich zukommen und werde die Zeit dort genießen mit den anderen Sportlern zusammen. Das wird cool."
Mit ihrem ersten Rennrad ist Mieke Kröger übrigens nie in die Schule gefahren. Dafür war es damals dann doch zu wertvoll.