Ein System kurz vor dem Knall
Riesige Ballons, die auf der Bühne zerplatzen. Schauspieler in Uniform und Unterwäsche. Der Regisseur Johan Simons bemüht sich in seiner ersten Inszenierung am Wiener Burgtheater um Originalität. Trotzdem wirke das Ganze etwas angestaubt, findet unsere Kritikerin.
Überrascht sei sie gewesen, als sie hörte, dass der gefeierte Regisseur Johan Simons, nach zahlreichen Stationen erstmals auch ein Stück für das Wiener Burgtheater inszeniert, erklärt unsere Kritikerin Eva Biringer. Es sei aber Zeit gewesen, schließlich habe der niederländische Regisseur nach Intendanzen an den Münchner Kammerspielen und der Ruhrtriennale praktisch alles erreicht. Der Joseph-Roth-Fan hat für das Burgtheater nun Roths episches Meisterwerk "Radetzkymarsch" auf die Bühne gebracht.
Ein Jahrhundertroman, in dem Joseph Roth anhand einer Familiengeschichte über drei Generationen vom Aufstieg und Niedergang der K-und-K-Monarchie erzählt. Alles beginnt damit, dass der bäuerliche Infanterieleutnant Joseph Trotta geadelt wird, nachdem er Kaiser Franz Joseph I. in einer Schlacht bei Solferino das Leben gerettet hat. Doch der Aufstieg der Familie ist nicht von Dauer. Schon der Enkel des Infanterieleutnants, Carl Joseph von Trotta, ist dem Untergang geweiht. Trotz der historischen Vorlage habe Simons Inszenierung einen aktuellen Zeitbezug erklärt Eva Biringer:
"Es ist ein Stück, das einerseits sehr aus der Zeit gefallen wirkt, weil es eben diese K-und-K-Monarchie behandelt, die Armee als Sinnbringer, als Sinnstifter im Leben. Was jetzt ja doch nicht mehr so zeitgemäß wirkt. Andererseits ein total aktuelles Stück, weil es ist ein Tanz auf dem Vulkan, ein System geht kaputt, man weiß nicht, wie es weitergehen wird."
Zu wenig Gegenwartsbezug
Allerdings habe Johan Simons diesen Gegenwartsbezug in seiner Inszenierung nicht ausreichend genutzt. Das Stück wirke deshalb etwas angestaubt. Gut getan habe der Inszenierung allerdings das ungewöhnliche Bühnenbild von Kathrin Brack. Riesige, bunte Luftballons schweben über die Bühne und durch den Zuschauerraum, Kollision mit Darstellern und Zuschauern inbegriffen. Diese verspielten Interaktionen findet Theaterkritikerin Eva Biringer durchaus gelungen:
"Einmal stehen zum Beispiel alle Schauspieler da und reiben sich an den Ballons und die Haare stellen sich zu Berge. Und dann heißt es, es kommt ein Gewitter. Und die Ballons werden natürlich auch zum Platzen gebracht."
Zugleich symbolisierten die Ballons auch ein aufgeblasenes System, das kurz vor dem Platzen steht. Doch dieser Gegenwartsbezug zwischen der scheiternden K-und-K-Monarchie und unserer heutigen Gesellschaft sei in der Inszenierung zu wenig zum Ausdruck gekommen, findet Eva Biringer.
"Es war schön anzusehen. Aber am Ende war es ein Text, der doch sehr weit von unserer Gegenwart entfernt ist."
(mw / abr)