Große Geste Weiße Welt
Deutschlandfunk Kultur eröffnet das Humboldt Forum! Es gibt nichts zu sehen, aber viel zu hören. Der Hörfunkautor Lorenz Rollhäuser hat mitten in Berlin, rund um das nachgebaute Berliner Stadtschloss, eine Reihe akustischer Miniaturen platziert.
Deutschlandfunk Kultur eröffnet das Humboldt Forum! Es gibt nichts zu sehen, aber viel zu hören. Der Hörfunkautor Lorenz Rollhäuser hat mitten in Berlin, rund um das nachgebaute Berliner Stadtschloss, eine Reihe akustischer Miniaturen platziert, die mit Hilfe der Radioortung App hörbar gemacht werden können.
So spannen wir den Bogen zu unserem allerersten Radioortung Projekt: In "Verwisch die Spuren!" beschäftigte sich das Kollektiv LIGNA vor 10 Jahren mit der leeren Mitte Berlins. Sie fragten nach der Identität dieses zentralen Ortes. Der Palast der Republik war fast vollständig abgerissen, eine große Brache lag dort, wo jetzt wieder das Schloss steht.
Nun steht es dort also tatsächlich. Das Schloss. Und mit ihm das Humboldt Forum, das die ethnologischen Sammlungen der Dahlemer Museen beherbergen wird. Was wird dort zu sehen sein? Angekommen im aktuellen Diskurs um Dekolonisierung, Raubkunst und Restitution scheint es höchst problematisch, in einem nachgebauten Hohenzollernschloss Teile einer 500.000 Objekte zählenden ethnologischen Sammlung zu zeigen.
Die berühmten Beniner Bronzen beispielsweise sind in deutschen ethnologischen Museen eine Attraktion. Dass sie 1897 von britischen Truppen aus dem heutigen Nigeria geraubt wurden, war lange kein Thema. Wem gehören die Bronzen wirklich? Wieviel koloniale Ignoranz steckt in der aktuellen Ausstellungsplanung?
Solange wir das Gebäude noch nicht betreten können, gehen wir einmal langsam um das Schloss und das Humboldt Forum herum. Wir betrachten es von allen Seiten. Und lauschen dabei Okwui Enwezor, der sich bei seinem letzten Aufritt erstmals öffentlich über Restitution äußerte.
Wir hören, was die Provenienzforscherin Christine Howald zu den asiatischen Sammlungen zu sagen hat und wie sich Künstlerinnen aus Lateinamerika zu den peruanischen Artefakten in der Ausstellung positionieren. Gad Shiynynuy, ein Berliner aus Kamerun und Angehöriger des Volks der Nso, erzählt uns, wie er in den Dahlemer Depots die wichtigste und Identität stiftende Statue seines Volkes entdeckte, die 1901 von deutschen Kolonialtruppen geraubt wurde.
Nachfahren der Hereros und Nama sind ebenso zu hören wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, die Künstlerin und Theoretikerin Grada Kilomba oder der international arbeitende Kurator Bonaventure Soh Ndikung. Und auch die Fans des Schlosses kommen zu Wort. Schließlich lauschen wir der Argumentation der Stadtforscherin und Aktivistin Noa K. Ha, die zu dem Schluss kommt, dass es im Grunde nur eine Möglichkeit gibt: das Schloss muss wieder abgerissen werden.
Startpunkt des Audiowalks ist die Fontäne im Lustgarten.
Lorenz Rollhäuser im Interview über den Audiowalk "Große Geste Weiße Welt":
„Das Schloss würde heute nicht mehr gebaut“
(Deutschlandfunk Kultur, Hörspielmagazin, 11.11.2020)
(Deutschlandfunk Kultur, Hörspielmagazin, 11.11.2020)
Lorenz Rollhäuser, 1953 in Marburg geboren, lebt in Berlin. Er ist Übersetzer und seit 1990 Autor und Produzent zahlreicher Features und Hörspiele, darunter "Mutters Schatten" (NDR 2008, Prix Europa) und "Kreuzberg von oben" (DKultur 2014, ausgezeichnet mit dem Dokka-Preis). Das Feature "Haus der weißen Herren" (DKultur 2017) war Ausgangspunkt für den Radiowalk "Große Geste Weiße Welt".