Räucherstäbchen im Ruhrgebiet
Ein Bürgerkriegsflüchling aus Sri Lanka hat es möglich gemacht: Einen Tempel für Hindus im Ruhrgebiet. Gekostet hat der Bau fast zwei Millionen Euro, komplett finanziert aus Spenden. Das Ziel: Die hinduistische Kultur auch unter Jüngeren lebendig zu halten.
Im Sri Kamadchi Ampal Tempel riecht es nach Räucherstäbchen. Ein Priester mit nacktem Oberkörper und weißen Zeichnungen auf der Haut öffnet singend den Schrein der Göttin, die hier angebetet wird. Es ist die Göttin der liebenden Augen. Die schwarze Statue darin ist mit Blumen behängt. Bananen und Kokosnüsse zeugen noch von der letzten Anbetung. Eine Gläubige im Sari reicht dem Priester mitgebrachte Opfergaben. Nur die Fußbodenheizung unter den nackten Sohlen der Besucher erinnert daran, dass sich der Tempel nicht in Indien, sondern am Rande des Ruhrgebiets befindet. Wenn die Göttin wie vorgeschrieben nach Osten blickt, schaut sie auf das alte Atomkraftwerk in Hamm Uentrop. Als Priester Arumugam Paskaran vor zehn Jahren den Tempelbau anregte, hatte er es nicht leicht.
"Zu Anfang war es etwas schwierig. Auch für mich selbst. Die Deutschen kannten meine Absichten nicht. Und dann sind immer so viele Leute zum Beten gekommen. Da haben sich die Deutschen ein bisschen Sorgen gemacht, warum so viele aus einem anderen Land hier sind. Doch dann habe ich erklärt, dass ich etwas Religiöses aufbaue und nichts Politisches."
Wie die meisten Gläubigen kam auch Priester Paskaran als Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka nach Deutschland. Seine Anhänger haben ihm den Ehrentitel Pirathisda verliehen, was so viel heißt wie "der, der Unmögliches möglich macht". Und das wohl zurecht: der Tempelbau wurde komplett aus Spendengeldern finanziert. Knapp zwei Millionen Euro hat der Bau gekostet. Für die aufwendig verzierten Türme wurden Künstler aus Indien eingeflogen. Fragt man ihn, warum er ausgerechnet Hamm Uentrop als Standort gewählt hat, verweist er auf den Willen der Götter. Wichtig war jedoch auch die Nähe zum Datteln-Hamm-Kanal, der während des jährlichen Tempelfests für die rituellen Waschungen genutzt wird. Auch im Rückblick auf die Wahl des Architekten spricht Priester Paskaran von göttlicher Führung.
"Als ich die Idee hatte, einen Hindutempel zu bauen, wusste ich nicht, ob das in Deutschland überhaupt möglich ist. Deswegen habe ich eine alte religiöse Technik benutzt. Ich habe eine deutsche Freundin gebeten, mir ein Telefonbuch zu bringen. Dann haben wir die Seite mit Architekten aufgeschlagen und mit geschlossenen Augen auf einen der Architekten gezeigt. Nicht wir haben also den Architekten ausgesucht, sondern Gott."
Was Heinz-Rainer Eichhorst, Architekt aus Hamm, mit Hilfe von indischen Künstlern gebaut hat, zeigt Ulrich Kroker regelmäßig seinen Landsleuten. Der pensionierte Lehrer ist seit der Gründung im Tempelbeirat und bietet Führungen an. 250 sind es inzwischen jährlich. Der anfänglichen Skepsis ist Neugier gefolgt. Geduldig bittet Kroker die Besucher, Lederkleidung im Auto zu lassen und die Schuhe auszuziehen. Dann wendet er sich dem 17 Meter hohen Turm zu.
"Dann muss man sich das Ganze so vorstellen, dass diese Türme praktisch in den Himmel ragen sollen, so ist das gedacht. Und auf diese Art und Weise soll die göttliche Energie, die im Raum herrscht, hier in den Tempel hineingezogen werden und dann durch Fenster, die in den Türmen sind, dann auch wieder herausgestrahlt werden."
Das von außen rot-weiß gestrichene Gotteshaus ist streng nach rituellen Vorgaben konzipiert. Nur ein Objekt scheint nicht ganz ins Konzept zu passen.
"Das sieht aus wie eine Garage. Ich sage dann immer: Es ist die höchste Garage, die wir hier in Hamm haben für ein einzelnes Fahrzeug, knapp zehn Meter hoch. Drinnen verborgen ist ein Prozessionswagen, der die Höhe von neun Metern hat. Sechs bis sieben Tonnen schwer. In diesen Wagen stellen sie Götterabbilder. Und der geht dann mit der Prozession mit, die dann am Pfingstsonntag hier veranstaltet wird."
Die Prozession selbst ist der Höhepunkt des 14 Tage dauernden Fests. 1993 wurde die Göttin das erste Mal durch die Straßen von Hamm getragen. Damals sorgte die bunte und fremdartige Prozession noch für großen Ärger unter den Anwohnern. Heute sind die Organisatoren mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Seit der Massenpanik in Duisburg müssen sie strengere Sicherheitsvorschriften einhalten. Ulrich Kroker hat per Zeitungsannonce nach freiwilligen Ordnern gesucht. Die spontanen Zusagen, die er bekommen hat, bestätigen ihn darin, dass die Exil-Tamilen in seiner Stadt inzwischen akzeptiert sind. Diese Akzeptanz zu fördern, hat ihn zu seiner freiwilligen Arbeit im Tempel motiviert.
"Für mich stellt sich die Frage: Was wissen wir eigentlich als Mehrheitsbevölkerung von dieser Minderheit? Von den Menschen, die jetzt also notgedrungen hier leben und die versuchen, ein Stück ihrer eigenen Identität zu erhalten. Zum Beispiel in diesem großen Fest stellen sie ein Stück dieser Kultur einfach auch zur Schau. Ich bin der Meinung, die Mehrheitsgesellschaft muss es auch nicht nur ertragen, sondern sie muss es einfach auch erleben, wie andere Kulturen aussehen. Andere Kulturen, die eben eingebettet sind in unser Leben."
Circa 45.000 tamilische Hindus leben heute in Deutschland. Die 20-jährige Gautini ist eine von ihnen. Sie kommt regelmäßig aus Essen, um an Gottesdiensten im Tempel teilzunehmen.
"Meine Schwiegereltern haben uns heute eingeladen. Da haben wir uns gesagt, machen wir uns einen schönen Abend, dann gehen wir alle zusammen zum Tempel. Das erinnert auch ein bisschen an die Heimat. Wir kennen das ja nicht, weil wir hier aufgewachsen sind – macht richtig stolz."
Demnächst wird Gautini noch mehr Grund haben, in die Gemeinde zu kommen. Seit kurzem gehört auch das Stück Land hinter dem Gotteshaus zum Tempel. Priester Paskaran will dort ein Kulturzentrum bauen. Musikunterricht, ein Museum und eine Bibliothek sollen helfen, die hinduistische Kultur auch unter den Jüngeren lebendig zu halten. Der Priester nennt das Vorhaben sein letztes Ziel, bevor in Zukunft sein Sohn seine Arbeit fortführen soll.
"Zu Anfang war es etwas schwierig. Auch für mich selbst. Die Deutschen kannten meine Absichten nicht. Und dann sind immer so viele Leute zum Beten gekommen. Da haben sich die Deutschen ein bisschen Sorgen gemacht, warum so viele aus einem anderen Land hier sind. Doch dann habe ich erklärt, dass ich etwas Religiöses aufbaue und nichts Politisches."
Wie die meisten Gläubigen kam auch Priester Paskaran als Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka nach Deutschland. Seine Anhänger haben ihm den Ehrentitel Pirathisda verliehen, was so viel heißt wie "der, der Unmögliches möglich macht". Und das wohl zurecht: der Tempelbau wurde komplett aus Spendengeldern finanziert. Knapp zwei Millionen Euro hat der Bau gekostet. Für die aufwendig verzierten Türme wurden Künstler aus Indien eingeflogen. Fragt man ihn, warum er ausgerechnet Hamm Uentrop als Standort gewählt hat, verweist er auf den Willen der Götter. Wichtig war jedoch auch die Nähe zum Datteln-Hamm-Kanal, der während des jährlichen Tempelfests für die rituellen Waschungen genutzt wird. Auch im Rückblick auf die Wahl des Architekten spricht Priester Paskaran von göttlicher Führung.
"Als ich die Idee hatte, einen Hindutempel zu bauen, wusste ich nicht, ob das in Deutschland überhaupt möglich ist. Deswegen habe ich eine alte religiöse Technik benutzt. Ich habe eine deutsche Freundin gebeten, mir ein Telefonbuch zu bringen. Dann haben wir die Seite mit Architekten aufgeschlagen und mit geschlossenen Augen auf einen der Architekten gezeigt. Nicht wir haben also den Architekten ausgesucht, sondern Gott."
Was Heinz-Rainer Eichhorst, Architekt aus Hamm, mit Hilfe von indischen Künstlern gebaut hat, zeigt Ulrich Kroker regelmäßig seinen Landsleuten. Der pensionierte Lehrer ist seit der Gründung im Tempelbeirat und bietet Führungen an. 250 sind es inzwischen jährlich. Der anfänglichen Skepsis ist Neugier gefolgt. Geduldig bittet Kroker die Besucher, Lederkleidung im Auto zu lassen und die Schuhe auszuziehen. Dann wendet er sich dem 17 Meter hohen Turm zu.
"Dann muss man sich das Ganze so vorstellen, dass diese Türme praktisch in den Himmel ragen sollen, so ist das gedacht. Und auf diese Art und Weise soll die göttliche Energie, die im Raum herrscht, hier in den Tempel hineingezogen werden und dann durch Fenster, die in den Türmen sind, dann auch wieder herausgestrahlt werden."
Das von außen rot-weiß gestrichene Gotteshaus ist streng nach rituellen Vorgaben konzipiert. Nur ein Objekt scheint nicht ganz ins Konzept zu passen.
"Das sieht aus wie eine Garage. Ich sage dann immer: Es ist die höchste Garage, die wir hier in Hamm haben für ein einzelnes Fahrzeug, knapp zehn Meter hoch. Drinnen verborgen ist ein Prozessionswagen, der die Höhe von neun Metern hat. Sechs bis sieben Tonnen schwer. In diesen Wagen stellen sie Götterabbilder. Und der geht dann mit der Prozession mit, die dann am Pfingstsonntag hier veranstaltet wird."
Die Prozession selbst ist der Höhepunkt des 14 Tage dauernden Fests. 1993 wurde die Göttin das erste Mal durch die Straßen von Hamm getragen. Damals sorgte die bunte und fremdartige Prozession noch für großen Ärger unter den Anwohnern. Heute sind die Organisatoren mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Seit der Massenpanik in Duisburg müssen sie strengere Sicherheitsvorschriften einhalten. Ulrich Kroker hat per Zeitungsannonce nach freiwilligen Ordnern gesucht. Die spontanen Zusagen, die er bekommen hat, bestätigen ihn darin, dass die Exil-Tamilen in seiner Stadt inzwischen akzeptiert sind. Diese Akzeptanz zu fördern, hat ihn zu seiner freiwilligen Arbeit im Tempel motiviert.
"Für mich stellt sich die Frage: Was wissen wir eigentlich als Mehrheitsbevölkerung von dieser Minderheit? Von den Menschen, die jetzt also notgedrungen hier leben und die versuchen, ein Stück ihrer eigenen Identität zu erhalten. Zum Beispiel in diesem großen Fest stellen sie ein Stück dieser Kultur einfach auch zur Schau. Ich bin der Meinung, die Mehrheitsgesellschaft muss es auch nicht nur ertragen, sondern sie muss es einfach auch erleben, wie andere Kulturen aussehen. Andere Kulturen, die eben eingebettet sind in unser Leben."
Circa 45.000 tamilische Hindus leben heute in Deutschland. Die 20-jährige Gautini ist eine von ihnen. Sie kommt regelmäßig aus Essen, um an Gottesdiensten im Tempel teilzunehmen.
"Meine Schwiegereltern haben uns heute eingeladen. Da haben wir uns gesagt, machen wir uns einen schönen Abend, dann gehen wir alle zusammen zum Tempel. Das erinnert auch ein bisschen an die Heimat. Wir kennen das ja nicht, weil wir hier aufgewachsen sind – macht richtig stolz."
Demnächst wird Gautini noch mehr Grund haben, in die Gemeinde zu kommen. Seit kurzem gehört auch das Stück Land hinter dem Gotteshaus zum Tempel. Priester Paskaran will dort ein Kulturzentrum bauen. Musikunterricht, ein Museum und eine Bibliothek sollen helfen, die hinduistische Kultur auch unter den Jüngeren lebendig zu halten. Der Priester nennt das Vorhaben sein letztes Ziel, bevor in Zukunft sein Sohn seine Arbeit fortführen soll.