Raffael in Berlin
Die Madonnen der Gemäldegalerie vom 13. Dezember 2019 bis 26. April 2020 in der Gemäldegalerie Berlin
Madonnentreffen in der Gemäldegalerie
05:23 Minuten
2020 jährt sich der Todestag von Raffael zum 500. Mal. Den Auftakt im Jubiläumsreigen macht die Berliner Gemäldegalerie. Sie zeigt alle Madonnen des Renaissance-Malers aus ihrem Bestand. Ergänzt durch eine phänomenale Leihgabe aus London.
Ein Schatten liegt über dem Glück der jungen Mutter. Sacht reicht Maria ihrem Kind die rosa Nelke. Ihr Sohn greift neugierig nach den Blumen. Aber die Farbe der Blüten wirkt wie vergiftet. Raffael malt sie mit einem Stich Violett.
Die "Madonna mit den Nelken" offenbart für Caroline Campbell, Kuratorin an der National Gallery in London, Raffaels ganze Kunst in der Darstellung der Beziehung zwischen Mutter und Kind: "Wir sehen es ganz zart in der Art und Weise, wie das Christuskind nach den Blumen greift. Diese Blumen haben einen symbolischen Wert, die Nelken beziehen sich auf die Leiden Christi und sein Opfer. Deshalb besteht da ein bittersüßer Moment in dem liebevollen Umgang zwischen Mutter und Kind."
Die Geschichte einer verpassten Chance
Als die National Gallery das Gemälde 2004 erwarb, zeigte sie es jungen Müttern, die verblüfft waren über die Ähnlichkeiten mit sich selbst. Denn, glaubt Caroline Campbell, Maria ist hier noch ein Teenager: "Ich glaube, Raffael hat auch ihre Unsicherheit festgehalten. Ihre Wangen sind gerötet, als wäre ihr irgendetwas peinlich. Jedes Detail dieses Bildes sollte gesehen werden."
Die kleine, feine Ausstellung "Raffael in Berlin" erzählt auch von einer verpassten Chance. Denn um ein Haar wäre die "Madonna mit den Nelken" Anfang des 19. Jahrhunderts in Berlin gelandet, die Verhandlungen scheiterten an 500 Talern. Jetzt geben die fünf Madonnen in Berliner Besitz einen Eindruck vom Frühwerk Raffaels.
Die kleine, feine Ausstellung "Raffael in Berlin" erzählt auch von einer verpassten Chance. Denn um ein Haar wäre die "Madonna mit den Nelken" Anfang des 19. Jahrhunderts in Berlin gelandet, die Verhandlungen scheiterten an 500 Talern. Jetzt geben die fünf Madonnen in Berliner Besitz einen Eindruck vom Frühwerk Raffaels.
Hier kann man nachvollziehen, wie seine Malerei in den wenigen Jahren zwischen 1502 und 1508 an Tiefe gewinnt. Anfangs übernimmt er noch die Darstellung des Kindes detailgetreu von seinem Lehrer Perugino. Jesus schaut seltsam altklug in das Buch, das seine Mutter hält.
Maria wirkt etwas hölzern, aber Raffael führt schon die räumliche Dimension ein, erklärt Roberto Contini, der Kurator für italienische Malerei an der Berliner Gemäldegalerie: "Die Jungfrau Maria sieht frontal aus, aber sie ist nicht ganz frontal. Die Beine gehen in eine andere Richtung, schon diese Bewegung gewinnt an Raum. Die rechte Hand ist ein bisschen nach vorne gelegt, und die Finger bewegen sich auch. Und dann gibt es diesen Blick in die Ferne über ein Gewässer und Hügel, das macht Landschaft, das macht Raum."
Jeder Preis wurde gezahlt
Im 19. Jahrhundert erreichte die Raffael-Begeisterung ihren Höhepunkt. Was die preußischen Könige Friedrich Wilhelm III. und sein Sohn Friedrich Wilhelm IV. nicht als Original kaufen konnten, erwarben sie als Kopie, auch die "Madonna mit den Nelken". Ihre Leidenschaft "kulminierte in ihrem Raffael-Gesamtkunstwerk in der Orangerie in Sanssouci im Raffaelsaal, in dem wir heute noch Kopien der Hauptwerke Raffaels sehen können. Sie haben sich dort also ein kleines Raffael-Universum geschaffen", sagt Alexandra Enzensberger, die Kuratorin der Berliner Ausstellung.
Inzwischen war man bereit, jeden Preis für einen Raffael zu bezahlen. Exorbitante 37.500 Taler kostete das Hauptwerk der Berliner Sammlung, die Madonna Terranuova. "Wir befinden uns im Jahr 1854. Wir müssen uns vorstellen, in ganz Europa wurden öffentliche Museen gegründet. Alle wollten Raffaels besitzen. Und die besten Raffaels waren schon vom Markt und es war klar, dass man einen sehr hohen Preis nennen konnte. Wenn jemand wirklich einen Raffael haben wollte, dann würde er es bezahlen. Und Berlin hat es getan", so Enzensberger.
In dem großen Rundbild scharen sich drei Kinder um Maria, Jesus, Johannes und ein unbekannter Junge, der unter seinem Heiligenschein frech auf die Szene blickt. In die Figurengruppe ist Bewegung gekommen, die Landschaft im Hintergrund weitet sich. Jesus drängt vom Schoß seiner Mutter. Maria lässt ihn schon mit einer Hand los. Raffael war mit elf Jahren ein Waisenkind. Seine Madonnen erzählen auch vom Ende des Behütetseins.