Raffinierter Nonsens

"Es war das Bonbon aus Wurst, das ihr Glück gebracht - tingeling - Bonbon aus Wurst, die ganze Nacht", heißt es in einem Lied von Helge Schneider. Diese grobe Sexualmetaphorik hat der Komiker und Musiker zum Titel seiner Autobiographie "Bonbon aus Wurst" gemacht, die jetzt als Hörbuch erschienen ist.
Mit Musik von Helge Schneider beginnt die Hörbuchfassung seiner Memoiren. Genauso gekonnt unperfekt wie die Musik, die ins Hörbuch eingestreut ist, kommt auch die Lesung daher. Liebevoll hingerotzt. Inhaltlich meist dem Reich des Unsinns verpflichtet:

"Ich aß den Rest aus der Big-Mac-Schachtel auf. 'Hm, lecker!' Gleich war ich zu Hause, da musste ich wieder so tun, als würde ich ausschließlich Biozeugs essen, nachher Kuchen bei einem Naturkostkonditor kaufen für die Familie. Na ja, sind ja fast mehr Hunde als Leute. Als ich die Haustür aufschloss, biss mich der eine Hund. Wir haben zwei. Er hatte mich nicht sofort erkannt. Ich tröstete ihn mit der Fleischwurst, die ich ihm aus dem Kühlschrank holte. Er aß sie mit einem einzigen Biss."

Wer etwas über das Leben des 54-jährigen Spaßmachers und Musikers erfahren möchte, dem sei der Wikipedia-Eintrag über ihn empfohlen - wer lachen will, das Hörbuch "Bonbon aus Wurst. Mein Leben". Als Kind zerstörte der kleine Helge, so die vermutliche Lüge des Großen, seine Zahnspange im Badeofen, eine Zahnspange aus Kupferdraht:

"Apropos Kupfer: Wer würde von so einem Typen wie mir denken, dass ich nachts auf Baustellen und so Kabel klaue und dann Plastik von dem Kupfer trenne und das ganze Zeug auf dem Schrott verkaufe? Niemand. (Musik.) Aber alle denken ja immer: 'Der Schneider, der hat ja Geld genug.' Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich hab immer zu wenig, finde ich. Das ganze Geld, das bei den Konzerten rein kommt, geht fast ungefiltert zum Finanzamt, der Rest geht für Essen drauf, für Instrumente, Klamotten, Kinderspielzeug, Autos, was weiß ich. Wann kann ich meiner Frau mal einen schönen Slip kaufen, vielleicht auch mal eine Blume?"

Dem Hörer kommen die Lachtränen. Manchmal allerdings fragt man sich, ob Helge Schneider nicht doch etwas aus seinem wirklichen Leben preis gibt. Wenn er zum Beispiel erwähnt, dass Bob Dylan für ihn ein Outsider im Gewand des Spießers ist, oder wenn er beschreibt, wie er mit seiner Tochter in den Zoo geht und sie sich mehr für die Tauben interessiert als für die Tiger. Der Zoogang scheint Helge Schneider jedenfalls mehr angestrengt zu haben als seine Beinahe-Besteigung des Mount Everest:

"Auf meinem Weg sah ich erfrorene Kletterer, die sich entweder im Schritt vertan hatten oder einfach übermüdet eingeschlafen waren. Ich musste nur noch 800 Meter laufen, dann könnte ich alles sehen, so wie ich mir das vorgestellt hätte – (verbessert sich:) hatte. Doch dann bekam ich einen Krampf in der rechten Wade. Ich versuchte noch, mit Handkantenschlägen dagegen etwas zu unternehmen, aber es nützte nichts: Ich musste zurück. (Trinkt.) Jetzt kam auch noch schlechtes Wetter. Sturm. War kalt. 30 Grad minus. Ich übernachtete in meinem Biwak-Zelt aus dem Kaufhof."

Sich hier und da verlesen, während der Lesung trinken – all das ist natürlich gewollt. Angeblich hat Schneider das Hörbuch selbst und in seinem Privathaus aufgenommen: Er sitzt am Klavier, spielt und liest abwechselnd oder gleichzeitig. Im Hintergrund Stimmen, Vogelgezwitscher, einmal Regen. Vielleicht sind die Geräusche auch später in eine gewöhnliche Studioaufnahme gemischt worden. Perfekt Unperfektes kann man vielleicht nur so erreichen. Nicht ganz perfekt war der Auftritt, den Helge Schneider angeblich mit seiner Band 1987 in Wales hatte:

"Und so geschah es, dass unser erster Auftritt eine Kasa... (verbessert sich:) eine Katastrophe war. (Räuspert sich.) Nachdem ich ein paar Songs von Stevie Wonder zum Besten gegeben hatte, mit Sonnenbrille, schmiss der Erste eine Flasche Bier auf die Bühne. Dann folgten alle andern. Ich hatte zum Glück nur kleine Verletzungen davon getragen. Doch unser damaliger Schlagzeuger – der Name muss hier geheim bleiben, falls er noch lebt – starb an diesem Abend noch auf der Bühne an seinen schweren Verletzungen, die man ihm mit zig schweren Flaschen zugefügt hatte."

Ganz zum Schluss des Hörbuchs müssen auch die Helge-Schneider-Fans um das Leben ihres Stars bangen. Als Sensemann hätte er sich fast selbst in das Reich des Todes befördert:

""Als ich lang aushole, um mit der Sense, die ich eben noch mit einem Schleifstein schärfte, ein Quadrat Wiese zu mähen, rutsche ich mit der linken Hand von dem Holzgriff ab, und die Sense haut mir mit großer Wucht in die Beine. (Klavier.) Ich falle um. (Klavier.) Beide Füße sind abgetrennt. Ich muss trotzdem nach Hause laufen"."

Man muss kein eingefleischter Helge-Schneider-Fan sein, um über dieses Hörbuch lachen zu können. "Bonbon aus Wurst" ist eine gelungene Mischung aus raffiniertem Nonsens und gekonnten Musikeinlagen.

Besprochen von Tobias Wenzel

Helge Schneider: Bonbon aus Wurst. Mein Leben
Ungekürzte Autorenlesung mit Musik von Helge Schneider
tacheles!/RoofMusic 2009
3 CDs, 3 Stunden 18 Minuten, 19,95 Euro