Ragna Schirmer, Klavier
Fernweh am Klavier
Pianistin Ragna Schirmer ist froh, dass musikalische Mobilität uneinschränkbar ist. Ihr Programm präsentiert Werke, in denen Haydn, Albeniz, Dvořák und Liszt ihre Reisen nach Italien oder Amerika aufleben ließen oder Volkstümliches charmant einbanden.
Vier Vielreiser tauchen im Klavierrecital von Ragna Schirmer auf. Sie spielt im Zuge unseres Radiofestivals auf Schloss Ettersburg.
Klanginspiration in London
Joseph Haydn bereiste im hohen Alter zwei Mal London. In dieser Musikmetropole stieß er auf klangvoluminöse Instrumente, die auch mit einem Pedal ausgestattet waren, die den Klang des Instrumentes verschwimmen ließen.
Sogleich inspirierte das Haydn, den Effekt zu nutzen, besonders in seinen drei "Englischen Sonaten". Die in C-Dur wählte die Pianistin des Abends aus, weil diese auf der einen Seite technische Brillanz fordert, auf der anderen Seite höchst melancholisch-kantabel ist.
Musik aus und für Amerika
Antonín Dvořák kam durch seine Berufung zum Direktor des New Yorker Musikkonservatoriums nach Amerika. Vor Ort komponierte er, immer bemüht, das Amerikanische in der Musik herauszuarbeiten. Seine Sinfonie "Aus der Neuen Welt" markierte da einen sehr erfolgreichen Beginn.
Danach komponierte er weitere "amerikanische" Werke, in denen er amerikanisch empfundene Traditionen einfließen ließ. So konzipierte er ungefähr 100 Jahre nach Haydns London-Reise seine "Amerikanische Suite" für Klavier, die er nur wenige Monate später auch für das Orchester umsetzte.
Weltreisender mit spanischen Wurzeln
Wenn einer von Reisen berichten konnte, dann der Spanier Isaak Albeniz. Schon als Achtjähriger büxte er von zu Hause aus, weil ihn seine Eltern ständig als Klavier-Wunderkind präsentierten. In Spanien wurde er wieder aufgespürt, sodass er sich mit zwölf Jahren entschloss, noch entschiedener seine Heimat zu verlassen. Er ging an Bord eines Schiffes, das ihn bis nach Buenos Aires brachte. Vorn dort ging er nach Kuba, Amerika und zurück nach Europa: Brüssel, Berlin, Paris.
Dort tobte um 1900 eine Spanien-Begeisterung, die sich auch in der Musik niederschlug. Albeniz wusste hier sehr geschickt das Traditionelle seiner Heimat in pianistisch effektvolle Werke einfließen zu lassen.
Erinnerungen an Reisen
Auch Franz Liszt war ein Weitgereister, der das Publikum europaweit in Euphorie versetzen konnte. Wo auch immer er war, komponierte er für seine Hörer vor Ort, gern regional musikalisch angebunden. Als er seine Virtuosenzeit beendet hatte, sortierte er die Fülle seiner Werke und stellte einige nach Überarbeitung in seinem dreiteiligen Zyklus "Pilgerjahre" zusammen.
Der zweite Teil ist Italien gewidmet, dem er schließlich auch noch einen Anhang zufügte. Für diese drei angehangenen Stücke, mit "Venezia e Napoli" überschrieben, entschied sich Ragna Schirmer.
Sehnsuchtsort Ettersburg
Dass Franz Liszt auf dem Programm steht, freute auch Schlossdirektor Peter Krause, denn er berichtet davon, dass Liszt häufig Gast in den Räumen des Schlosses war und auch die Orgel der kleinen Kirche des Barockensembles spielte.
Bachs Reisen durch Deutschland
Als spontane Zugabe spielte Ragna Schirmer noch die Aria aus Johann Sebastian Bachs "Goldberg-Variationen". Auch Bach war ein Reisender: in Jugendjahren lief er von Thüringen bis an die Küste, um den Orgelvirtuosen Buxtehude zu hören. Zudem genoss er die Reisen zu den Orgelprüfungen, da vor Ort immer für sein leibliches Wohl gesorgt wurde. Am Ende seiner Leipziger Tage bemühte er sich um langanhaltendes Fernbleiben, um den Verstimmungen mit dem Rat der Stadt zu entkommen.
Live aus dem Gewehrsaal auf Schloss Ettersburg bei Weimar
Joseph Haydn
"Englische Sonate" C-Dur
"Englische Sonate" C-Dur
Antonín Dvořák
"Amerikanische Suite" op. 98a
"Amerikanische Suite" op. 98a
Isaac Albéniz
"Suite Española" op. 47 (Auszüge)
"Suite Española" op. 47 (Auszüge)
Franz Liszt
"Venezia e Napoli"
"Venezia e Napoli"
Johann Sebastian Bach
Aria aus Goldbergvariationen, BWV 988
Aria aus Goldbergvariationen, BWV 988