Ralf Südhoff: Mehr Geld für Syrien-Hilfe nötig
Nach Ralf Südhoff, Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms (WFP), fehlt es der humanitären Hilfe für Syrien an ausreichender Finanzierung. Allein für die Hilfe in der akuten Krise brauche man 100 Millionen Euro, habe aber erst 30 Millionen zusammen.
Ute Welty: Die Not also ist groß in Syrien. Unter anderem bemüht sich das Welternährungsprogramm, bis zu einer halben Million Menschen zu versorgen. Wie das geht, wenn gleichzeitig geschossen und gekämpft wird, das frage ich jetzt Ralf Südhoff. Er leitet das Berliner Büro des Welternährungsprogramms. Guten Morgen!
Ralf Südhoff: Guten Morgen!
Welty: Menschen in Krisengebieten zu versorgen, das ist Ihr Kerngeschäft und nie besonders einfach, aber können Sie beschreiben, worin diese spezielle syrische Problematik besteht?
Südhoff: In Syrien ist es natürlich eine große Herausforderung, die Sicherheit dort, wo die Menschen am meisten leiden, ist es auch am gefährlichsten, ihnen zu helfen. Trotzdem können wir mittlerweile fast eine Million Menschen sogar, 850.000 Menschen in der Region, unterstützen. Darunter viele Flüchtlinge, aber auch Bauern beispielsweise, die ihre Felder verlassen konnten, die nicht mehr anbauen können. Diese können wir erreichen, und in den allermeisten Regionen ist es auch tatsächlich trotz der schwierigen Sicherheitslage für unsere Kollegen vor Ort möglich.
Welty: Vom Eindruck her wird die Öffentlichkeit dieses Mal recht früh auf die schlechte Versorgungslage aufmerksam. Täuscht dieser Eindruck?
Südhoff: Nein, wir haben ein großes Interesse an der Krise, aus naheliegenden Gründen schon seit langer Zeit. Es war eher in der Tat vorher auch die Frage, inwieweit kann man den Menschen helfen, welche Informationen gibt es eigentlich vor Ort? Es gibt jetzt ja aber auch ein Abkommen mit der syrischen Regierung, dass die humanitäre Hilfe über 1.000.000 Menschen unterstützen soll und darf. Und die Reaktion darauf ist nicht zu negativ, um es mal so zu formulieren. Aber wir merken auch gleichzeitig, wir brauchen alleine rund 100.000.000 Euro, um nur akut jetzt den Menschen in dieser Krise zu helfen. Davon fehlen, allein dem World Food Program über zwei Drittel der Mittel noch, also 30.000.000 in etwa sind beisammen. Und anderen Hilfsorganisationen geht es kaum besser.
Welty: Fühlen Sie sich von der Bundesregierung damit ausreichend oder dahingehend ausreichend unterstützt? 2011 war Deutschland ja immerhin das viertgrößte Geberland für das Welternährungsprogramm.
Südhoff: Wir waren sehr dankbar für die große Unterstützung im vergangenen Jahr, …
Welty: Aber?
Südhoff: … vor allem mit der Krise am Horn. In diesem Jahr hoffen wir auch, was Syrien anbelangt, und sind auch in Gesprächen, auf weitere Unterstützung. Wir haben 1.000.000 Euro bisher bekommen vonseiten der Bundesregierung. Der Bedarf ist, wie gesagt, aber gleichzeitig über 100.000.000.
Welty: Wie weit kommt man mit einer Million Euro, wenn man das auf Menschen umrechnet?
Südhoff: Das ist natürlich von Region zu Region immer extrem unterschiedlich. Und umso schwieriger es den Menschen zu helfen ist, also gerade in Konflikten, in Krisengebieten, umso teurer ist es auch, muss man ganz klar sagen, aber eben auch umso wichtiger. Es gibt eine Faustregel, wie viel Sie erreichen können etwa mit 50 Dollar für ein Jahr. Das reicht in den meisten Ländern, um einen Menschen ein ganzes Jahr zu ernähren. Und macht natürlich auch deutlich, mit wie wenig wir ganz entscheidend dort Schicksale verbessern können.
Welty: Sie haben damit begonnen, in Syrien damals irakische Flüchtlinge mit einem elektronischen Gutschein zu versorgen. Wie hat das funktioniert?
Südhoff: Es gibt ganz neue Methoden, die extrem effizient sind, Menschen zu helfen, indem man nicht einfach einen Sack Reis oder einen Sack Weizen von weit her holt und dort vor Ort diese bereitstellt. Das kann heißen, dass man vor Ort Nahrungsmittel ankauft, das kann aber auch heißen, dass man die Menschen befähigt, wenn Essen vorhanden ist, wie es gerade auch in den Nachbarländern für die Flüchtlinge vielfach der Fall ist, im Irak, in Jordanien, in der Türkei, den Menschen lieber einen Gutschein zu geben. Und das Effizienteste, was Sie tun können, ist, dass die meisten Menschen selbst in ihrer Armut häufig ja ein Handy haben. Da ist dann kein Guthaben drauf, aber sie können Nachrichten empfangen. Und das nutzen wir für eine ganz gezielte, effektive Hilfe. Diese Menschen bekommen einen Gutschein auf das Handy geschickt, und Händler, die mit uns zusammenarbeiten, können dann mit diesem Gutschein, der auf dem Handy sichtbar ist, den Menschen einen Einkauf sozusagen ermöglichen.
Welty: Und wie stellen Sie sicher, dass da nicht widerrechtlich weitergeleitet, gefälscht und kopiert wird?
Südhoff: Nun, technisch ist das kein Problem, das sicherzustellen, weil, das sind verschlüsselte Nachrichten. Sie haben ein lizenziertes Handy, was von uns auch registriert und überprüft wird und so weiter. Und wir haben auch festgestellt, die Gefahr, dass die Menschen, wenn sie, statt einen Sack Mais zu bekommen, wo sie dann ohnehin ein bisschen anfangen müssen, zu tauschen, weil nur Mais können sie auch nicht essen und nicht kochen. Die Gefahr, dass die Menschen die Hilfe für etwas anderes einsetzen, keinesfalls größer wird. Ganz im Gegenteil, sie haben plötzlich die Möglichkeit in einem Laden zu dem Mais beispielsweise für ihr zweijähriges Kind auch etwas Passenderes zu kaufen. Oder Milch hinzuzukaufen. Oder was auch immer für sie am dringendsten geboten oder auch kulturell am akzeptiertesten ist. Das heißt, es wird viel effizienter sogar durch diese neuen Technologien.
Welty: Ob mit Gutschein oder ohne, Sie unterstützen ja Menschen in 75 Ländern weltweit. Wie entscheidet man da, welche Hilfe wohin geht, und vor allem, wie viel?
Südhoff: Das ist im Grunde die Krux unserer Arbeit. Das, was es uns besonders schwierig macht, und das ist der entscheidende Punkt, ist, dass gleichzeitig diese Spenden und vor allem die Regierungszuwendungen gar nicht flexibel uns gegeben werden, sodass wir selbst entscheiden könnten, die Lage in Westafrika, wo eine Dürre tobt, eine Lage – die Lage in Syrien, wo eine Krise tobt, hat sich so verschärft, dass wir die Mittel, die wir haben, dort jetzt ganz schnell und am allerdringendsten und ganz, ganz effizient einsetzen müssten, um schnell reagieren zu können. Diese Flexibilität haben wir häufig nicht, und da wünschen wir uns vor allem von den Geberregierungen, dass sie uns so flexibel wie möglich ihre Spenden zur Verfügung stellen.
Welty: Ralf Südhoff vom Welternährungsprogramm im Deutschlandradio Kultur, ich danke für das Gespräch, das wir aufgezeichnet haben.
Südhoff: Wir danken sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ralf Südhoff: Guten Morgen!
Welty: Menschen in Krisengebieten zu versorgen, das ist Ihr Kerngeschäft und nie besonders einfach, aber können Sie beschreiben, worin diese spezielle syrische Problematik besteht?
Südhoff: In Syrien ist es natürlich eine große Herausforderung, die Sicherheit dort, wo die Menschen am meisten leiden, ist es auch am gefährlichsten, ihnen zu helfen. Trotzdem können wir mittlerweile fast eine Million Menschen sogar, 850.000 Menschen in der Region, unterstützen. Darunter viele Flüchtlinge, aber auch Bauern beispielsweise, die ihre Felder verlassen konnten, die nicht mehr anbauen können. Diese können wir erreichen, und in den allermeisten Regionen ist es auch tatsächlich trotz der schwierigen Sicherheitslage für unsere Kollegen vor Ort möglich.
Welty: Vom Eindruck her wird die Öffentlichkeit dieses Mal recht früh auf die schlechte Versorgungslage aufmerksam. Täuscht dieser Eindruck?
Südhoff: Nein, wir haben ein großes Interesse an der Krise, aus naheliegenden Gründen schon seit langer Zeit. Es war eher in der Tat vorher auch die Frage, inwieweit kann man den Menschen helfen, welche Informationen gibt es eigentlich vor Ort? Es gibt jetzt ja aber auch ein Abkommen mit der syrischen Regierung, dass die humanitäre Hilfe über 1.000.000 Menschen unterstützen soll und darf. Und die Reaktion darauf ist nicht zu negativ, um es mal so zu formulieren. Aber wir merken auch gleichzeitig, wir brauchen alleine rund 100.000.000 Euro, um nur akut jetzt den Menschen in dieser Krise zu helfen. Davon fehlen, allein dem World Food Program über zwei Drittel der Mittel noch, also 30.000.000 in etwa sind beisammen. Und anderen Hilfsorganisationen geht es kaum besser.
Welty: Fühlen Sie sich von der Bundesregierung damit ausreichend oder dahingehend ausreichend unterstützt? 2011 war Deutschland ja immerhin das viertgrößte Geberland für das Welternährungsprogramm.
Südhoff: Wir waren sehr dankbar für die große Unterstützung im vergangenen Jahr, …
Welty: Aber?
Südhoff: … vor allem mit der Krise am Horn. In diesem Jahr hoffen wir auch, was Syrien anbelangt, und sind auch in Gesprächen, auf weitere Unterstützung. Wir haben 1.000.000 Euro bisher bekommen vonseiten der Bundesregierung. Der Bedarf ist, wie gesagt, aber gleichzeitig über 100.000.000.
Welty: Wie weit kommt man mit einer Million Euro, wenn man das auf Menschen umrechnet?
Südhoff: Das ist natürlich von Region zu Region immer extrem unterschiedlich. Und umso schwieriger es den Menschen zu helfen ist, also gerade in Konflikten, in Krisengebieten, umso teurer ist es auch, muss man ganz klar sagen, aber eben auch umso wichtiger. Es gibt eine Faustregel, wie viel Sie erreichen können etwa mit 50 Dollar für ein Jahr. Das reicht in den meisten Ländern, um einen Menschen ein ganzes Jahr zu ernähren. Und macht natürlich auch deutlich, mit wie wenig wir ganz entscheidend dort Schicksale verbessern können.
Welty: Sie haben damit begonnen, in Syrien damals irakische Flüchtlinge mit einem elektronischen Gutschein zu versorgen. Wie hat das funktioniert?
Südhoff: Es gibt ganz neue Methoden, die extrem effizient sind, Menschen zu helfen, indem man nicht einfach einen Sack Reis oder einen Sack Weizen von weit her holt und dort vor Ort diese bereitstellt. Das kann heißen, dass man vor Ort Nahrungsmittel ankauft, das kann aber auch heißen, dass man die Menschen befähigt, wenn Essen vorhanden ist, wie es gerade auch in den Nachbarländern für die Flüchtlinge vielfach der Fall ist, im Irak, in Jordanien, in der Türkei, den Menschen lieber einen Gutschein zu geben. Und das Effizienteste, was Sie tun können, ist, dass die meisten Menschen selbst in ihrer Armut häufig ja ein Handy haben. Da ist dann kein Guthaben drauf, aber sie können Nachrichten empfangen. Und das nutzen wir für eine ganz gezielte, effektive Hilfe. Diese Menschen bekommen einen Gutschein auf das Handy geschickt, und Händler, die mit uns zusammenarbeiten, können dann mit diesem Gutschein, der auf dem Handy sichtbar ist, den Menschen einen Einkauf sozusagen ermöglichen.
Welty: Und wie stellen Sie sicher, dass da nicht widerrechtlich weitergeleitet, gefälscht und kopiert wird?
Südhoff: Nun, technisch ist das kein Problem, das sicherzustellen, weil, das sind verschlüsselte Nachrichten. Sie haben ein lizenziertes Handy, was von uns auch registriert und überprüft wird und so weiter. Und wir haben auch festgestellt, die Gefahr, dass die Menschen, wenn sie, statt einen Sack Mais zu bekommen, wo sie dann ohnehin ein bisschen anfangen müssen, zu tauschen, weil nur Mais können sie auch nicht essen und nicht kochen. Die Gefahr, dass die Menschen die Hilfe für etwas anderes einsetzen, keinesfalls größer wird. Ganz im Gegenteil, sie haben plötzlich die Möglichkeit in einem Laden zu dem Mais beispielsweise für ihr zweijähriges Kind auch etwas Passenderes zu kaufen. Oder Milch hinzuzukaufen. Oder was auch immer für sie am dringendsten geboten oder auch kulturell am akzeptiertesten ist. Das heißt, es wird viel effizienter sogar durch diese neuen Technologien.
Welty: Ob mit Gutschein oder ohne, Sie unterstützen ja Menschen in 75 Ländern weltweit. Wie entscheidet man da, welche Hilfe wohin geht, und vor allem, wie viel?
Südhoff: Das ist im Grunde die Krux unserer Arbeit. Das, was es uns besonders schwierig macht, und das ist der entscheidende Punkt, ist, dass gleichzeitig diese Spenden und vor allem die Regierungszuwendungen gar nicht flexibel uns gegeben werden, sodass wir selbst entscheiden könnten, die Lage in Westafrika, wo eine Dürre tobt, eine Lage – die Lage in Syrien, wo eine Krise tobt, hat sich so verschärft, dass wir die Mittel, die wir haben, dort jetzt ganz schnell und am allerdringendsten und ganz, ganz effizient einsetzen müssten, um schnell reagieren zu können. Diese Flexibilität haben wir häufig nicht, und da wünschen wir uns vor allem von den Geberregierungen, dass sie uns so flexibel wie möglich ihre Spenden zur Verfügung stellen.
Welty: Ralf Südhoff vom Welternährungsprogramm im Deutschlandradio Kultur, ich danke für das Gespräch, das wir aufgezeichnet haben.
Südhoff: Wir danken sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.