Ramita Navai: Stadt der Lügen. Liebe, Sex und Tod in Teheran
Aus dem Englischen von Yamin von Rauch
Verlag Kein & Aber 2016
288 Seiten, 22 Euro
"Alkohol gibt es in Teheran an jeder Ecke"
Die Journalistin Ramita Navai hat ein Aufsehen erregendes Buch über Teheran geschrieben: "Stadt der Lügen". In diesem geht es um nicht weniger als "Liebe, Sex und Tod". Wir sprechen mit der Autorin über das "duale Leben" in Irans Hauptstadt.
Ramita Navai wurde in Teheran geboren, aufgewachsen ist sie in London. Nach der Vertreibung des Schahs im Januar 1979 wollte ihre Familie ein neues Leben im Iran beginnen, doch die Islamische Revolution trieb sie schnell wieder ins Exil. 2003 ging sie als Korrespondentin der britischen Tageszeitung "Times" erstmals zurück nach Teheran und versuchte, den Alltag in der Zwölf-Millionen-Metropole zu durchdringen.
Offiziell in Mekka, inoffiziell im thailändischen Bordell
Sie schaute bei Ladeninhabern vorbei, die ihren Kunden zur Fastenzeit erlauben, im Hinterzimmer zu essen und zu trinken. Sie erfuhr von Männern, die angeblich nach Mekka pilgern, tatsächlich aber in thailändischen Bordellen versacken. Von diesem Alltag handelt auch ihr Buch "Stadt der Lügen. Liebe, Sex und Tod in Teheran".
Lügen sei die einzige Möglichkeit, in Teheran zu überleben, sagt Ramita Navai. Sie kenne nur wenige Menschen dort, die nicht dieses "duale Leben" zwischen Reden und Handeln hätten.
"Die Iraner haben einen sehr starken Freiheitsdrang, und wenn man in einem Unterdrückungssystem lebt, dann ist es klar, dass man dagegen ankämpft. Und es ist den Iranern immer schon sehr leichtgefallen, sich anzupassen. Sie passen sich sehr gut an und machen das Beste aus der Situation."
Das Regime drückt beide Augen zu
Im Grunde sei Teheran nicht sehr anders als London, New York oder auch Berlin: "Man kriege dort alles." Alkohol beispielsweise finde man in Teheran praktisch an jeder Ecke. Das Regime handhabe das sehr klug, räumt sie ein, und deshalb gebe es auch nur wenige Proteste. "Man erlaubt einiges, zwar nicht offiziell, aber man schaut weg. Man drückt die Augen zu und nimmt manche Dinge nicht ganz so wahr."
Wenn etwas verboten werde, seien die Leute davon besessen. "Und so ist es zum Beispiel beim Sex", sagt Ramita Navai. "Die Leute scheinen einfach den ganzen Tag daran zu denken."
Sind Lügen besser als die böse Wahrheit?
Acht exemplarische Geschichten hat Ramita Navai für ihr Buch "Stadt der Lügen" zusammengestellt. Im Vorwort zitiert sie einen Aphorismus des persischen Dichters Saadi, der im 13. Jahrhundert gelebt hat. Er schrieb: "Besser ist die wohlgemeinte Lüge, als dass Wahrheit böse Wunden schlüge."
"Als ich den Leuten erzählte, dass ich dieses Gedicht verwenden würde, da habe ich schon öfter dieses Lächeln gesehen, dieses wissende Lächeln", sagt Ramita Navai.