Rammstein-Skandal

Neue Vorwürfe und eine Niederlage vor Gericht

Till Lindemann, Sänger der Band Rammstein, auf der Bühne mit einem schwarz-gelben Kostüm. Im Hintergrund unscharf Scheinwerfer und blaues Licht.
Till Lindemann auf der Bühne während eines Rammstein-Konzerts in Hamburg. © picture alliance / dpa / Jens Koch
Ende Mai 2023 wurden schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann öffentlich. Junge Frauen werfen dem Bandleader vor, dass es ohne ihre Zustimmung zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Lindemann bestreitet das.

Was wird Rammstein-Sänger Till Lindemann vorgeworfen?

Gegen Till Lindemann und weitere Personen aus dem Umfeld der Band Rammstein werden seit Ende Mai 2023 unterschiedlich schwere Vorwürfe erhoben. Zum einen sollen junge Frauen gezielt rekrutiert worden sein, um mit dem Sänger der Band bei After-Show-Partys Sex zu haben. Das geht aus Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung (SZ) hervor.
NDR und SZ gegenüber berichteten zwei Frauen zudem von mutmaßlichen sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Die beiden äußerten sich anonym und versicherten ihre Aussagen gegenüber den Journalisten an Eides statt.
Eine weitere Frau behauptete gegenüber dem österreichischen Sender ORF Ende Juli 2023, Lindemann habe sie gegen ihren ausdrücklichen Willen gewalttätig behandelt.  
In sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, bei Rammstein-Konzerten würden junge Frauen unter Alkohol, Drogen oder K.-o.-Tropfen gesetzt und sexuell missbraucht. Die Irin Shelby Lynn, die als erste Vorwürfe gegen Lindemann öffentlich gemacht hatte, hatte ebenfalls behauptet, am Rande eines Konzerts in Vilnius (Litauen) unter Drogen gesetzt worden zu sein.

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Welche Vorwürfe gibt es gegen Keyboarder Flake?

Auch Rammstein-Keyboarder Flake sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Eine Frau, damals 17-jährig, berichtete NDR und SZ von Sex mit Flake in dessen Landhaus. Sie habe dem Geschlechtsverkehr nicht gewollt, aber auch nicht nein gesagt und sich nicht gewehrt.
Eine weitere Frau erklärte gegenüber den Journalisten, sie sei nach einer Feier mit der Band in einem Hotelzimmer nackt auf dem Fußboden aufgewacht. Neben ihr habe Flake gelegen. Die Frau erklärte, sie habe starke Schmerzen im Unterleib gehabt. Was genau in der Nacht passiert und wer für ihre Schmerzen verantwortlich sei, wisse sie nicht.

Wie haben Lindemann und die Band auf die Vorwürfe reagiert?

Rammstein wies die Vorwürfe zunächst per Twitter und dann auf Instagram als unwahr zurück. Die Band schrieb: „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst.“ Es sei ihnen wichtig, dass sich die Fans vor und hinter der Bühne sicher fühlen könnten, so Rammstein. Und weiter: „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“ Aber auch für die Band gelte das Recht, nicht vorverurteilt zu werden.

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Zugleich trennte sich die Band von einer Casting-Direktorin. Die Frau soll eine mutmaßliche Schlüsselfigur im Zusammenhang mit den Vorwürfen sein.
Mitte Juni 2023 meldete sich Rammstein-Schlagzeuger Christoph Schneider zu Wort. Es schrieb auf Instagram, die Anschuldigungen hätten ihn als Menschen tief erschüttert. Er glaube nicht, dass etwas strafrechtlich Relevantes wie der Einsatz von K.o.-Tropfen vorgefallen sei.

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Vorwürfe „ausnahmslos unwahr“

Rammseins Sänger Lindemann lässt sich inzwischen von einer auf Medien- und Presserecht spezialisierten Kanzlei aus Berlin vertreten. Diese reagierte am 8. Juni mit einer ersten Mitteilung auf die Anschuldigungen. Darin heißt es: „So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“
Außerdem kritisierte die Kanzlei, es sei „zu einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung gekommen“ – dass also nicht „ausgewogen und objektiv berichten“ wurde. Lindemanns Anwälte kündigten an, gegen die entsprechenden Berichte juristisch vorzugehen.
Auch die später im ORF erhobenen Vorwürfe wiesen Lindemanns Anwälte als falsch zurück. Auf eine Anfrage von Deutschlandradio, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, hat Rammstein bislang nicht reagiert. Eine Deutschlandradio-Anfrage zu den Vorwürfen gegen Keyboarder Flake ließ die Band unbeantwortet.

Was tut die Justiz?

Die Staatsanwaltschaft Vilnius teilte am 23. Juni 2023 mit, dass sie keine Ermittlungen gegen Lindemann oder die Band aufnehmen wird. Aufgrund fehlender „objektiver Tatsachenbeweise“ werde keine Strafverfolgung eingeleitet.
Berlins Staatsanwaltschaft hat dagegen ein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann wegen „Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln“ eingeleitet. Dies sei aufgrund mehrerer Strafanzeigen und von Amts wegen erfolgt, teilte eine Sprecherin der Behörde am 14. Juni 2023 mit. Es handele sich allerdings um Anzeigen Dritter, „nicht am etwaigen Tatgeschehen beteiligter Personen“, hieß es vonseiten der Staatsanwaltschaft.
Nach Aussage von Lindemanns Anwälten wurden die Ermittlungen nicht durch Strafanzeigen von Opfern ausgelöst, sondern von zwei Personen und einem Verein, die sich auf die Medienberichterstattung beziehungsweise ein YouTube-Video berufen würden.

Gericht fällt erste Urteile

Der Fall Lindemann beschäftigt inzwischen auch die Gerichte: Lindemanns Anwälte haben beim Landgericht Hamburg einen Teilerfolg gegen die Berichterstattung des "Spiegel" erzielt. Der Kanzlei zufolge darf das Hamburger Magazin nicht mehr den Verdacht erwecken, bei Rammstein-Konzerten würden Frauen unter Alkohol, Drogen oder K.-o.-Tropfen gesetzt und sexuell missbraucht.
Das Nachrichtenmagazin erklärte indes, „der Kern“ seiner Berichterstattung bleibe von dem Urteil unberührt: „Uns wurde etwa nicht verboten, darüber zu berichten, dass Lindemann über Jahre hinweg eine Vielzahl von jungen Frauen über ein perfides und ausgeklügeltes Casting-System zum Sex zugeführt wurden, die teilweise schwer betrunken waren.“  
Mitte August hat das Landgericht Hamburg einen Unterlassungsantrag der Anwälte von Lindemann gegen Shelby Lynn zurückgewiesen. Die Anwälte hatten versucht, Lynn bestimmte Aussagen zu untersagen - und scheiterten. In der Begründung hieß es, dass in Lynns Aussagen keine Verdachtsäußerung, sondern eine wertende Schlussfolgerung seien. Diese verletze die Persönlichkeitsrechte Lindemanns nicht.
Die Youtuberin Kayla Shyx darf hingegen nach einem weiteren Urteil nicht mehr behaupten, bei Rammstein-Konzerten würden junge Frauen unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht.

Welche Folgen haben die Vorwürfe für Lindemann und die Band?

Mit einer Online-Petition hatte der Campact e. V. gefordert, die drei Rammstein-Konzerte im Juli 2023 im Berliner Olymiastadion abzusagen. Die Petition hatte Mitte Juli rund 77.000 Unterschriften gesammelt. Berlins Kultursenator Joe Chialo wies ein Auftrittsverbot jedoch zurück. „Die Forderung ist emotional verständlich, rechtlich gibt es keinen Hebel“, sagte der CDU-Politiker kurz vor den Konzerten.
Das Plattenlabel Universal Music Entertainment hat, nachdem die Vorwürfe gegen Rammstein öffentlich wurden, seine Zusammenarbeit mit Rammstein vorläufig ausgesetzt. Die bei Universal erschienenen Alben werden mit dem Beschluss vorerst nicht mehr beworben.
Der Verlag Kiepenheuer & Witsch beendete am 2. Juni 2023 seine Zusammenarbeit mit Lindemann mit sofortiger Wirkung . Grund sei ein Porno-Video, „in dem Till Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen zelebriert und in dem das 2013 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch ‚In stillen Nächten‘ eine Rolle spielt“, so Verlegerin Kerstin Gleba.

Wie reagieren die Rammstein-Fans?

Die Rammstein-Fans scheinen der Band trotz der Vorwürfe gegen Lindemann und Flake die Treue zu halten. Beim ersten Konzert nach Bekanntwerden der Anschuldigungen gegen Lindemann am 7. Juni 2023 in München war die Stimmung unter den Besuchern entspannt. Die Show und die folgenden drei Konzerte waren mit jeweils 60.00 Tickets bereits im Vorfeld ausverkauft. Einige Fans sollen versucht haben, erworbene Eintrittskarten weiterzuverkaufen, die große Mehrheit nutzte ihre bereits bezahlten Tickets.
Auch bei den ebenfalls ausverkauften drei Berlin-Konzerten feierten jeweils mehr als 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Band mit frenetischem Applaus.

Raphael Smarzoch, lkn, pto, ahe, dpa, NDR, tmk
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