Die vier Folgen "Rottet die Bestien aus" von Raul Peck läuft auf Arte am 1. Februar 2022 ab 20.15 Uhr und ist bis zum 8. April des Jahres auch in der Mediathek des Senders abrufbar:
1/4: "Die verstörende Überheblichkeit der Ignoranz"
2/4: "Wer zum Teufel ist ... Kolumbus?"
3/4: "Töten auf Distanz oder Wie ich den Ausflug tüchtig genoss"
4/4: "Die leuchtenden Farben des Fachismus"
Filmessay "Rottet die Bestien aus" auf Arte
Indigene in Alaska Anfang des 20. Jahrhunderts. Raoul Peck nutzt Archivmaterial, inszeniert wie im Spielfilm und kommentiert äußerst eindringlich. © Library of Congress / Prints & Photographs Division
Ursünde Sklaverei
08:25 Minuten
Raoul Peck hat einen Vierteiler über den globalen Rassismus gedreht. Die Reise beginnt bei den Kreuzzügen und führt über die aus seiner Sicht nur vermeintlich helle Zeit der Aufklärung bis in die Jetztzeit. Der 68-Jährige verfolgt ein großes Ziel.
Seine Doku "I Am Not Your Negro" über den strukturellen Rassismus in den Vereinigten Staaten war für den Oscar nominiert, nun zeigt der deutsch-französische Kultursender Arte den neuen Filmessay von Raoul Peck über die Geschichte des globalen Rassismus. Titel des Vierteilers: "Rottet die Bestien aus!", nach einem Zitat aus der Erzählung „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad.
Der Titel der Serie ist zudem eine Verbeugung vor dem Historiker und Schriftsteller Sven Lindqvist, wie unser Filmkritiker Patrick Wellinski erläutert. In seinem Buch "Durch das Herz der Finsternis" von 1992 schreibt der Schwede über seine Reise durch Afrika und in die Geschichte des Kolonialismus, so Wellinski: „Er wollte den Mythos der Columbus-Zeit als das zeigen, was es war: eine Anleitung letztendlich zum Genozid an der indigenen Bevölkerung der ganzen Welt."
Finstere Aufklärung
Pecks Ziel sei wie bei dem Schweden, die Geschichtsschreibung zu korrigieren, sagt unser Kritiker. Der 68-jährige Filmemacher, der von 1996 bis 1997 auch einmal Kulturminister seines Heimatlandes Haiti war, beginnt seinen Essay mit den Kreuzzügen des europäischen Mittelalters. Dort wird für ihn zum ersten Mal das etabliert, das so weitreichende Folgen hat: Die Idee, dass es einerseits die guten Weißen gibt und dann die anderen, die quasi unterdrückt oder erobert werden können.
Peck wandere dabei mit vielen Abschweifungen, Einschüben und Schachtel-Geschichten zum heutigen strukturellen Rassismus – vor allem, aber nicht nur – in den USA.
Es gehe dem Regisseur um die Ursünde der Sklaverei, die mit dem Kolonialismus und dem Imperialismus eine Welt der Ungerechtigkeit und Gewalt etabliert habe – und das in einer Zeit, die bis heute als Aufklärung eher für etwas helles, tolles und edles steht.
Das sei aber ein sehr einseitiger Blick, wie Peck es selber in der Dokumentarfilmserie formuliert: "Von jenseits der westlichen Welt aus betrachtet, war das Jahrhundert der Aufklärung ein Jahrhundert der Finsternis. Der westlichen Vorstellung nach war der Mensch in erster Linie europäisch und männlich. Alle anderen Gruppen gehörten auf die unterste Stufe der Hierarchie."
Von den Wurzeln des Rassismus bis in die Gegenwart
„Es ist eine total vereinnahmende Reise, die man da in diesen vier Stunden mitmacht“, findet unser Kritiker. Prägend aus filmischer Sicht sei das Element des Voiceover-Kommentars, den Peck im Original selber spricht: „Dieser Kommentar führt uns durch die Zeiten", so Wellinksi: "Er prangert an, er ist wütend. Er ist auch mal traurig und nachdenklich.“
Peck stellt sich also nicht in den Hintergrund, vielmehr spielt seine Lebensgeschichte, mit vielen Stationen auf Haiti, in Kuba, auch in Berlin, eine wichtige Rolle. Irgendwann fragt er sich im Filmkommentar: "Wer bin ich in dieser von vornherein und offiziell festgelegten, eurozentrierten Klassifizierung?"
Hinzu komme eine große Masse an Archivmaterial, das aber sehr organisch geordnet sei: Wellinski hebt zudem die Spielfilmszenen mit Hollywood-Schauspieler Josh Hartnett in der Rolle eines weißen Siedlers hervor. Das nutze Peck immer wieder, um Alternativen aufzuzeigen. Was wäre etwa, wenn Columbus ermordet worden wäre bei der Eroberung Amerikas?
Den Vergessenen ein Gesicht geben
Gestalterisch sticht auch hervor, dass die Leute, die Peck zeigt, immer direkt in die Kamera blicken. „Das sind die Vergessenen, die Opfer der Geschichte, die hier quasi eine Stimme oder zumindest ein Gesicht bekommen", erklärt Wellinski. "Er möchte das Vergessene zu Wort kommen lassen, er möchte das Vergessene zeigen. Er möchte die Geschichte nicht den Siegern überlassen." Letztendlich entwickle Peck daraus ein ziemlich starkes Argument: "Nämlich in dieser Geschichte ist Neutralität keine relevante Haltung."
(mfu)