Zwischen Intimität und Großspurigkeit
Der kanadische Rapper Drake hat mit "Scorpion" ein sehr persönliches Album herausgebracht. Es sei die typisch Drakesche Nabelschau, mit einer Mischung aus humorlosem Rap und feingezeichneten Songs, sagt unser Kritiker Dennis Pohl.
Regierungskrise, WM-Aus, die Einwanderungspolitik von Donald Trump: Dieses Wochenende schien für einen Moment alles andere in den Hintergrund zu rücken, weil der kanadische Rapper Drake sein fünftes Soloalbum veröffentlicht hat. Was verbirgt sich denn nun hinter dem Hype?
"Der potenteste Hengst im Hip-Hop-Stall"
Hinter "Scorpion" stecke alles - und nichts, findet unser Musikkritiker Dennis Pohl. Genauer gesagt: Alles, was Drake in den letzten neun oder zehn Jahren zu einem der erfolgreichsten Künstler aller Zeiten gemacht hat – und im Grunde eben auch nichts Neues.
"'Scorpion' verbindet wie immer perfekt durchproduzierten, ziemlich gefühligen und bassschwangeren R&B, der sich hauptsächlich um Drakes eigenen Bauchnabel dreht, mit staubtrockenem Rap, der seinen wirklichen oder ausgedachten Gegnern zeigen soll, dass er der – flapsig gesagt – potenteste Hengst im Hip-Hop-Stall ist", sagt Pohl.
Humorlose Rap-Bretter treffen auf feinen Pinsel
Wirklich neu sei dabei nur, "dass diese beiden Seiten von Drakes Pop-Persona diesmal säuberlich getrennt auf zwei Seiten stattfinden. Die ersten zwölf von 25 Songs sind humorlose Rap-Bretter und die restlichen dreizehn mit dem feineren Pinsel gezeichnet".
Drakes ungebrochenen Erfolg 164 Top-100-Songs in den letzten Jahren erklärt Pohl sich mit dessen "beeindruckendem Händchen für musikalische Trends". So sei es einfach gutes Timing – und voll im Trend – gewesen, dass Drake in den zurückliegenden Jahren immer stärker karibischen Dancehall, südafrikanischen House, britische Bassmusik und andere Sounds in seine Musik integriert habe.
Die Allerweltsprobleme des Mr D.
Interessanterweise gelinge es dem Rapper gerade auch durch seine ziemlich selbstmitleidige Nabelschau, die Fans an sich zu binden: eine Mischung aus Intimität und Großspurigkeit – die in der Hauptaussage münde, dass er trotz, oder gerade wegen seiner eigentlich banalen Allerweltsprobleme und aller Pein immer noch der Größte sei.
Das Ergebnis, sagt Pohl, sei "maximales Indentifikationspotenzial... Deshalb glaube ich auch, dass "Scorpion" noch einmal Rekorde brechen könnte. Denn es ist sein wohl bisher persönlichstes Album".