Rapper und Sozialarbeiter Fidi Baum

Der Inkluencer

32:10 Minuten
Künstler Graf Fidi alias Fidi Baum, hier bei einem Auftritt in Hannover.
Derber Flow: Künstler Fidi Baum alias Graf Fidi, hier bei einem Auftritt in Hannover. © picture alliance / dpa | Ole Spata
Moderation: Marco Schreyl · 18.12.2020
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Vielfalt nicht nur fordern, sondern sie leben – das ist das Motto des Berliner Rappers und Sozialarbeiters Fidi Baum, der selbst mit einer Gehbehinderung und sechs Fingern geboren wurde. Die größte Barriere, sagt er, ist die in unserem Kopf.
Hans Friedrich ‚Fidi‘ Baum wurde vor fast vierzig Jahren mit einer angeborenen Behinderung geboren, seit er sechzehn ist, ist er teilweise auf den Rollstuhl angewiesen. Kurze Strecken kann er laufen.
"Die Behinderung ist zwar ein Teil von mir", sagt er. "Sie beschäftigt mich und macht mich zu dem Künstler, der ich bin. Aber sie ist nur eine Facette meiner Persönlichkeit. Ich habe viele andere, bin auch Freund, Bruder, Vater, Angestellter und so weiter."

Mobbing in der Kindheit

Während seiner Kindheit und Jugend in Berlin-Wilmersdorf hat Fidi Baum wegen seiner Behinderung auch Mobbing erlebt, wenn auch von Menschen, die, wie er sagt, am wenigsten für ihre Vorurteile konnten, von Kindern in der Grundschule:
"‚Fang mich doch, du kriegst mich eh nicht’ hörte ich, oder ‚du bist so, weil deine Mutter Tabletten genommen hat’, was nicht stimmt. Darunter habe ich sehr gelitten."

Fidi ist gelebte Inklusion

Im Gymnasium war in einer Inklusionsklasse mit dem Netzaktivisten Raúl Krauthausen, mit dem er bis heute befreundet ist. Fidi Baum studierte Sozialarbeit und ist heute Inklusionsbotschafter. Er wirbt für Inklusion, erklärt, was sie ist und macht auf Missstände aufmerksam.
"Wenn Inklusion ein Autorennen wäre, würde Deutschland im hinteren Drittel starten." Diese Kritik lässt er allerdings für sein eigenes Leben nicht gelten.
"Eine Freundin sagte zu mir: Fidi, du bist gelebte Inklusion. Denn ich kann alles tun, was ich will. Das erleben aber viele Menschen mit Behinderungen nicht so. Die kann ich gut verstehen, wenn ihnen es mit der Inklusion nicht schnell genug geht."

Rap überbringt Botschaften schneller

Zur Musik kam er mit 16 Jahren, als Künstler heißt er Graf Fidi. Beim Rap sei es wichtig, gute und mehrsilbige Reime zu finden – das unterscheide diesen Stil von allen anderen Musikrichtungen. Er sieht sie als eine Art modernen Gedichtvortrags – und als ein Handwerk, das in falschen Händen auch missbraucht werden kann.
Auch wenn für ihn die Freiheit der Kunst sehr weit geht, macht er klar, dass antisemitische und menschenfeindliche Texte im Rap nichts verloren haben. Rappen ist für ihn auch ein Ausdruck der Freude an der deutschen Sprache.
"Ich kann nur auf Deutsch Rappen, andere Sprachen beherrsche ich noch schlechter. Rap-Musik eignet sich, weil sie schnell ist, sehr gut dafür, Botschaften zu überbringen."

Experten der eigenen Sache

Allerdings ist die Musik nicht sein einziges Medium – er nennt sich einen Inkluencer, das ist ein Wortspiel aus Inklusion und Influencer.
"Die sozialen Medien und das Internet sind sehr wichtig für meine Arbeit wie auch für Menschen mit Behinderung überhaupt, dadurch haben wir eine größere Reichweite."
Das Wortspiel soll zeigen, dass mit den Mitteln der sozialen Medien auch Sinnvolles bewirkt werden kann, anstatt, wie manche Influencer es tun, nur Produkte zu bewerben. Inklusion, so Fidi Baums Utopie, sollte in Zukunft in allen Bereichen selbstverständlich sein. Bei welcher politischen Entscheidung auch immer, Menschen mit Behinderungen sollten einbezogen werden. "Sie sind Expertinnen und Experten der eigenen Sache."
(AB)
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