Schuld ist der Kapitalismus
11:21 Minuten
Jahrelang hat Sookee mit feministischen und antikapitalischen Statements in der männerdominierten HipHop-Szene für Aufsehen gesorgt. Jetzt will sie aufhören. Im Interview spricht sie über ihre Beweggründe und neue Pläne.
Auf ihrem Instagram-Kanal verkündete Sookee gestern das Ende ihrer Rap-Karriere. Gleichbedeutend mit einer kompletten Abwendung von Musik oder ihren Idealen sei das jedoch nicht: "Es ist keine Kapitulation. Ich kapituliere nicht. Wenn ich kapitulieren würde, würde ich dem Prinzip recht geben. Dann ginge es um Gewinnen oder Verlieren. Aber mir geht es nicht darum – mir geht es um meine Lebenszeit."
Seit über 15 Jahren macht Sookee Musik – über zehn Jahre davon feministischen Rap. Das Ende ihrer Rap-Karriere bedeute aber nicht, dass sie als Musikerin oder Feministin aufgebe, so Sookee: "Ich hab nur kein Interesse mehr daran, mich einer Industrie zur Verfügung zu stellen, die ihre Antagonistin braucht, und ich habe kein Interesse mehr daran, mich irgendwelchen Bausas, GZUZs und sonst irgendwelchen durchgeknallten Turbokapitalisten, die auch nur Spielbälle im Spiel anderer Turbokapitalisten sind, mit meinen Energien zur Verfügung zu stellen."
Wir brauchen eine soziale Nachhaltigkeit
Dabei ist es ihr wichtig zu betonen, dass nicht der HipHop selbst die Schuld trage: "Es ist eine Ermüdungserscheinung, aber nicht, weil HipHop so böse ist, sondern weil der Kapitalismus so perfide ist. Das ist die Schwierigkeit".
Dieser stetige Kampf dagegen lasse sich auch in vielen anderen Berufsfeldern finden und sorge dafür, dass die meisten Menschen ermüdet seien. "Manche haben halt die Kohle, sich regelmäßig Urlaub zu gönnen und zu regenieren. Aber ich will mich nicht regenerieren, um dann wieder weiterzukämpfen. Ich will tatsächlich was verändern."
Sookee fordert eine neue Denkweise: "Wir reden viel über Nachhaltigkeit im Bezug auf Ökologie. Aber ich glaube, dass wir auch eine soziale Nachhaltigkeit brauchen". Immer wieder kämpfen und umfallen, bis man irgendwann nicht mehr aufsteht, könne nicht die Lösung sein. "Da bin ich jetzt an dem Punkt, nach vielen Jahren zu sagen: Aha. Weichen neu stellen – die Strecke kann ich nicht mehr fahren."
Der vereinnahmende Kapitalismus als Problem
Dabei hat sie den Glauben an ihre Ideale nicht verloren. Dennoch sieht sie auch den Feminismus von kapitalistischen Tendenzen betroffen: "Dass der Feminismus ein Business geworden ist, ist nicht die Schuld des Feminismus. Kapitalismus ist ein alles vereinnahmendes System. Man kann selbst den Antikapitalismus kapitalisieren."
Das zeige sich auch in vielen Subkulturen: "Am Ende des Tages wird ein Bausparvertrag mit einem Graffiti verkauft. Es wird eine Eyeshadow-Palette mit dem Namen Feminist verkauft. Du kannst selbst bei Tchibo dein feines Halstuch für die Dame im Alter von 50+ mit einem Totenkopf in Kristalloptik kaufen. Jeder Grufti dreht sich in dem Grab um, dass er sich selbst imaginierte. Kapitalismus macht vor nichts halt."
Keine grundlegenden Veränderungen
Das lasse sich in der Musikindustrie an vielen Stellen sehen: "Da macht ein großer Streamingdienst mal eine Frauenwoche, aber es ist nicht so, dass das integraler Bestandteil wird." Es werde sich punktuell mit einem emanzipatorischen Mäntelchen ausgestattet, ohne dass sich grundlegend etwas an den Machtpositionen ändere.
Entscheider achteten lediglich darauf, was derzeit bei den Menschen gut ankäme. Eine nachhaltige Veränderung fände jedoch nicht statt. Andere Künstlerinnen und Künstler in der Szene will sie weiterhin unterstützen, aber ohne Teil eines "Spiels" zu sein in dem sie nur verlieren könne, sagt Sookee.
Kinder- statt Rapmusik
Im September hatte sie unter dem Alter Ego Sukini bereits ein Album für Kinder herausgebracht. Auf diese Musik will sich Sookee weiterhin konzentrieren: "Ich glaube, dass das die feministischere Entscheidung für mich persönlich ist: An dieser Stelle nehme ich mich raus und mache etwas anderes – und gehe nachhaltiger vor, in dem ich mich als feministische Musikerin auf ganz andere Ohren konzentriere."
Nämlich auf die von kleinen Leuten, die sich mit einer ganz anderen Aufmerksamkeit und Unvoreingenommenheit auf Kulturen und Musik zubewegten, und bei denen es weder um Propaganda, noch um Verkaufsargumente gehe.
(npt)