Rappers for Peace
Im Libanon, in dem es offiziell 18 Religionen gibt, überwindet Hiphop Grenzen und heilt die Wunden des Krieges. Das zumindest sagen die Macher einer NGO, die nach dem Bürgerkrieg von Studenten gegründet wurde.
Die Globalisierung - sie ist längst auch in Beirut angekommen – der libanesischen Hauptstadt. Das "Denny’s" könnte auch gut und gerne in Berlin-Kreuzberg stehen. Oder im Hamburger Schanzenviertel: alternatives Publikum. Alle sind so um die 20 bis 30; die meisten tragen schwarz, viele Tattoos.
Es ist Freitag nacht, die zweistöckige Bar im Ausgehviertel Hamra platzt aus allen Nähten. MC Yassin kann das nur recht sein. Schließlich sind die meisten heute seinetwegen hierher gekommen.
Wenn man so will, ist MC Yassin einer der Shootingstars der neuen libanesischen Hiphop-Szene. Der schmale 21-Jährige mit den pechschwarzen Augen hat sich einen Namen gemacht - als "politischer Hiphoper" und als "Botschafter der Gewaltlosigkeit"; seitdem er vor gut anderthalb Jahren mit rund einem Dutzend anderen Hiphopern von der NGO "Permanent Peace Movement", kurz PPM, darin geschult wurde, Konflikte friedlich zu lösen.
"Natürlich macht es mehr Sinn seinen Verstand zu benutzen. Und Probleme mit Worten zu lösen. Anstatt sich hinzustellen und was weiß ich: Buff! Jemanden einfach ins Gesicht zu schlagen. Ich bin gegen Gewalt. Du kannst Konflikte auch ohne Gewalt austragen."
Yasin: "”You wanna hear it? Where is it? One second.”"
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Zwar sind es von Hamra bis nach Bourj el Baranjneh Luftlinie nur gut sieben, acht Kilometer – und doch liegen Lichtjahre zwischen beiden Vierteln. Bourj el Baranjneh ist eines der Palästinenserlager von Beirut. Hier hat der Palästinenser Yassin sein Tonstudio. Rund 400.000 Flüchtlinge leben in der libanesischen Hauptstadt, gut 40.000 davon im Lager unweit des Flughafens.
Eng ist es, sehr eng. Wenn es regnet, verwandeln sich die holprigen Wege in Schlammpfützen. Das einzige Gebäude, das im tadellosen Zustand ist, ist die grünlich-schimmernde Moschee.
"Die haben die Iraner finanziert." MC Yassin verzieht das Gesicht. Seit seinem siebten Lebensjahr lebt der 21-Jährige im Lager, hat er als Jugendlicher nach der Schule einzelne Zigaretten und Kaugummis auf der Straße verkauft, um sich und seine alleinstehende Mutter über die Runden zu bringen.
Yassin hat sich alles selbst erarbeitet. Sein acht Quadratmeter großes Tonstudio beispielsweise im Erdgeschoss der Wohnung seiner Mutter. Hat er alles selbst eingerichtet: Das Mischpult; die CD-Player; das Mikrophon. Hier, inmitten roter Plastikstühle und unzähliger leerer Pepsi-Flaschen, nimmt er seine Lieder auf.
Yassin: "Ich sag’ dir: Hier zu leben ist deprimierend. Unsere Elektrizität! Du hast vielleicht die Kabel gesehen, die überall im Camp herumhängen. Die kleinen sind für den Strom, die großen schwarzen sind Wasserleitungen. Viele von denen sind brüchig. Die hängen direkt nebeneinander.
Und was passiert im Winter? Wenn es windig ist? Die Kabel verknoten sich. Wasser- und Stromleitungen – verstehst du?! Jahr für Jahr sterben zig Menschen an Stromschlägen. Hiphop ist eine gute Möglichkeit, darüber zu reden. Wenn ich in meinen Songs über die Probleme hier singe, habe ich das Gefühl, ich teile sie mit meinem Publikum. Sie verstehen es, sie haben ja dieselben Probleme."
MC Yassins Publikum – das sind hauptsächlich die Kids aus Bourj el Baranjneh und den anderen Palästinenserlagern. Genau die will auch Raffi Feghali erreichen. Der quirlige Mittdreißiger leitet das "Hiphoper for peace project" von PPM.
In seinem mit Broschüren und Flyern übersäten Büro in Mkalles, einem Geschäftsviertel voller greller Werbetafeln und breiter Ausfallstraßen, kramt Raffi nach einer CD. Stolz hält er sie hoch. Hier! "Peace Beats". Eine Rarität: eine Hiphop-Scheibe für Frieden.
"Wenn wir über Frieden reden: Es ist wichtig, die jungen Leute zu erreichen. Wir wollen die neue Generation mit ins Boot holen. Es sitzen ja noch immer dieselben Leute an den Schalthebeln der Macht, die uns den Bürgerkrieg von 1975-1990 beschert haben. Das sind genau die Leute, die dafür sorgen, dass die Konflikte immer wieder aufflackern.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die sich noch mal ändern werden. Aber die neue Generation – die müssen wir erreichen. Um ihnen klar zu machen, dass du Konflikte auch friedlich lösen kannst. Wir müssen ihre Sprache sprechen. Hiphop ist ihre Sprache. Wir müssen einen Weg finden, mit ihnen zu kommunizieren."
Hiphop – das ist auch die Sprache von MC Ed. Der Mann mit der Afromähne rappt in der erfolgreichen Band Fagile Otrash. Ed ist so wie die anderen Bandmitglieder: Multiethnisch. Sein Vater ist muslimischer Libanese, die Mutter Christin aus der Elfenbeinküste.
Zu Hause ist er in Beirut. Auch wenn das Leben hier nicht einfach ist. Der letzte Krieg liegt gerade einmal vier Jahre zurück, erst vor zwei Jahren flackerten Kämpfe zwischen verfeindeten sunitischen und schiitischen Milizen auf.
"Immer das Gleiche." Ed schüttelt den Kopf. Ihm passt das alles nicht: Dass sich die 18 Religionsgruppen, die es in dem 4-Millionen-Land gibt, abschotten; und viele immer noch meinen, wenn einem die Argumente ausgehen, kann man ja einfach zuschlagen.
Ed ist auch auf der "Peace Beats"-CD von PPM vertreten. Er war sofort Feuer und Flamme, als in Raffi ansprach; ob er nicht einen Song beisteuern wolle.
Ed: "Plötzlich hatte ich diesen Gedankenblitz: Wenn du dich für Frieden einsetzen willst, musst du bei dir selbst anfangen. Du musst erst einmal deinen inneren Frieden finden. Du kannst nicht nach Frieden in der Welt rufen, ohne vorher bei dir selbst anzufangen. Ich bezweifele, dass die jungen Leute, die wir erreichen wollen, irgendetwas mitnehmen, wenn du selbst nicht hundertprozentig dahinter stehst. Die merken das. Ob es gespielt ist. Oder echt. Das Programm von PPM zur Konfliktvermeidung hat mir da die Augen geöffnet."
Wie gewalttätig die libanesische Gesellschaft ist – das hat MC Ed am eigenen Leib erfahren müssen. Da sind seine frühsten Kindheitserinnerungen – wie er während des libanesischen Bürgerkrieges mit seiner Mutter ständig zwischen Beirut und dem Dorf seines Vaters im Süden pendelt – je nachdem, wo gerade weniger geschossen wird.
Da sind die israelischen Bombenangriffe 2006, eine Bombe schlug nur gut hundert Meter von seinem Elternhaus ein; und dann ist da noch die Geschichte mit dem Danceclub. Zwei Jahre ist das jetzt her. Eigentlich eine Lappalie: Sein Freund hatte aus Versehen ein Bier auf dem DJ-Pult umgestoßen, der DJ nahm es persönlich – und holte die Security. Die schleppte sie in einen Kellerraum, wo beide windelweich geschlagen wurden.
"Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort", sagt Ed rückblickend, "mit dem falschen religiösen Hintergrund." Die Clubbesitzer und der DJ waren Christen, Ed und sein Freund Muslime. Sprich "elende Schweine", wie Eds Peiniger hämisch meinten. Seine Augen funkeln. Aber dann lässt der Mittzwanziger die Hände auf den Küchentisch seines mit CD vollgestopften Apartments in Hamra fallen.
Ed: "Du kannst Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Ich bin ein ganz normaler Typ. Wenn ich mich rächen wollte: Das ist ein Nachtclub. Verstehst du? Ein Nachtclub. Die bestechen die Polizei. Die stecken unter einer Decke. Da habe ich keine Chance. Aber ich kann sie bekämpfen, in dem ich sie in einem Song aufs Korn nehme. Sie entblöße.
Das und das ist mir in diesem Club passiert. Ich hoffe, euch passiert nicht das gleiche. Also paßt auf! Das ist meine Botschaft an unsere Fans. So nehme ich Rache: Nicht indem ich es den Typen vom Nachtclub mit barer Münze heim zahle. Sondern in dem ich meine Musik sprechen lasse."
"Salem Nafseh" – innerer Frieden – so heißt MC Eds Lied auf der Friedens-CD von PPM. Mit dem Song ist er auch letztens im "Denny’s", der Bar in Hamra, aufgetreten. Nach dem Konzert, erzählt Ed, seien ein paar Teenager zu ihm gekommen, um mit ihm zu reden: Wie er das genau meine – mit dem Frieden und der Gewaltlosigkeit. So etwas sei typisch für den Bezirk Hamra.
Ed: "Hamra ist ein sehr, sehr sicherer Ort. Es ist cool hier. Ich wünschte mir, ganz Beirut wäre so. Es ist gemischt. Du hast nicht nur Suniten. Du siehst alle: Suniten, Schiiten, Christen – einfach alle. In Hamra spielt Religion keine Rolle. Du kannst dich mit allen über alles unterhalten. Das ist in anderen Viertel anders. Wenn du dort beispielsweise über die Hizbollah herziehst, kommst du da nicht mehr lebend raus."
Auch MC Yassin hat einen Song für die "Peace Beats" CD von PPM beigesteuert. "Am Badaf fé" - "Ich bin bereit mich zu verteidigen" - heißt er. Typisch Yassin: Ihm geht es immer ums ganze. Innerer Frieden - Eds Motto - das ist ihm zu wenig. Der Rapper schaut von seinem Mischpult in seinem Tonstudio im Palästinenserlager hoch zu dem selbst gemalten Bild einer Moschee.
Yassin: "Ja! Ich bin auch für Frieden. Aber nur, wenn Frieden und Gerechtigkeit Hand in Hand gehen. Für die CD von PPM rappe ich in meinem Song über Frieden. Und Gerechtigkeit. Frieden in der arabischen Welt; zwischen Arabern. Darum ging es mir. Mit Israel kann es keinen Frieden geben. Das habe ich in meinem Song auch so gesagt.
Ich glaube, die Leute bei PPM mochten das nicht. Als ich meinen Song auf der CD zum ersten Mal hörte, bin ich fast vom Hocker gefallen. Du konntest meinen Text so gut wie gar nicht verstehen. Sie haben es einfach gepitcht – also schneller abgespielt. Ich habe sie sofort angerufen, aber sie meinten nur: Nein, nein, das war ein technisches Problem. Wir haben schon 10.000 Cds pressen lassen. Wir können da nichts mehr ändern."
Yassin kann sich darüber immer noch aufregen. Eigentlich ist der 21-Jährige ein ziemlich fitter, junger Mann. Er ist eloquent; er versucht, in seinem Alltag Konflikte friedlich zu lösen; er ist sozial: Schon seit Jahren macht er kostenlos DJ-Workshops für die Jugendlichen in den Camps der Stadt. Yassin macht ein Menge guter Sachen. Nur beim Thema Israel hört bei ihm der Spaß auf.
Yassin: "Ich erkläre es dir: Ich bin hier im Camp aufgewachsen. Aber ich bin Palästinenser. Ich lebe im Libanon, weil ich aus Palästina herausgeworfen wurde. Ich kann hier nicht vernünftig leben. Es gibt ungefähr 75 Jobs, die ich als Palästinenser nicht ausüben darf. Ich darf noch nicht einmal als Taxifahrer legal arbeiten. Ich frage mich natürlich: Warum muss ich hier leben?
Warum kann ich nicht in meiner Heimat leben? Stell dir vor: Du lebst in einem Zimmer. Und plötzlich kommt jemand und schmeißt dich raus. Und nach ein paar Jahren kommt er zurück und schlägt vor: Lass uns das Zimmer teilen. Das kann doch nicht sein. Nein! Es ist dein Zimmer."
Meint Yassin unversöhnlich. Im Juli geht der junge Palästinenser für zwei Jahre nach Kanada, um in Ontario Tontechnik zu studieren. Ein zweites Standbein neben der Musik. Bis dahin wird er das tun, was er schon die letzten Jahre getan hat: Seine Musik machen; und sich weiter aufregen: über die Lebensbedingungen in Bourj al Baranjneh – diesem trostlosen Ort am Rande von Beirut.
Yassin: "Die Jugendlichen werden gewalttätig wegen dieser schlimmen Lebensbedingungen. Was erwartest du von einem Kind, das auf der Straße spielen muss und in einer Familie lebt, wo das Geld noch nicht einmal für eine Tafel Schokolade reicht?! Dem willst du erzählen: Hör auf mit der Gewalt? Das funktioniert doch nicht.
Das Geld, was die Leute von PPM in ihre ganzen Projekte für Gewaltlosigkeit stecken: Alles schön und gut. Nur: Sie sollten es lieber für konkrete Sachen ausgeben. Was weiß ich: Einen Fußballplatz. Das wird die Gewalt stoppen. Nicht dieses Gerede. Hilf ihnen konkret!"
Es ist Freitag nacht, die zweistöckige Bar im Ausgehviertel Hamra platzt aus allen Nähten. MC Yassin kann das nur recht sein. Schließlich sind die meisten heute seinetwegen hierher gekommen.
Wenn man so will, ist MC Yassin einer der Shootingstars der neuen libanesischen Hiphop-Szene. Der schmale 21-Jährige mit den pechschwarzen Augen hat sich einen Namen gemacht - als "politischer Hiphoper" und als "Botschafter der Gewaltlosigkeit"; seitdem er vor gut anderthalb Jahren mit rund einem Dutzend anderen Hiphopern von der NGO "Permanent Peace Movement", kurz PPM, darin geschult wurde, Konflikte friedlich zu lösen.
"Natürlich macht es mehr Sinn seinen Verstand zu benutzen. Und Probleme mit Worten zu lösen. Anstatt sich hinzustellen und was weiß ich: Buff! Jemanden einfach ins Gesicht zu schlagen. Ich bin gegen Gewalt. Du kannst Konflikte auch ohne Gewalt austragen."
Yasin: "”You wanna hear it? Where is it? One second.”"
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Zwar sind es von Hamra bis nach Bourj el Baranjneh Luftlinie nur gut sieben, acht Kilometer – und doch liegen Lichtjahre zwischen beiden Vierteln. Bourj el Baranjneh ist eines der Palästinenserlager von Beirut. Hier hat der Palästinenser Yassin sein Tonstudio. Rund 400.000 Flüchtlinge leben in der libanesischen Hauptstadt, gut 40.000 davon im Lager unweit des Flughafens.
Eng ist es, sehr eng. Wenn es regnet, verwandeln sich die holprigen Wege in Schlammpfützen. Das einzige Gebäude, das im tadellosen Zustand ist, ist die grünlich-schimmernde Moschee.
"Die haben die Iraner finanziert." MC Yassin verzieht das Gesicht. Seit seinem siebten Lebensjahr lebt der 21-Jährige im Lager, hat er als Jugendlicher nach der Schule einzelne Zigaretten und Kaugummis auf der Straße verkauft, um sich und seine alleinstehende Mutter über die Runden zu bringen.
Yassin hat sich alles selbst erarbeitet. Sein acht Quadratmeter großes Tonstudio beispielsweise im Erdgeschoss der Wohnung seiner Mutter. Hat er alles selbst eingerichtet: Das Mischpult; die CD-Player; das Mikrophon. Hier, inmitten roter Plastikstühle und unzähliger leerer Pepsi-Flaschen, nimmt er seine Lieder auf.
Yassin: "Ich sag’ dir: Hier zu leben ist deprimierend. Unsere Elektrizität! Du hast vielleicht die Kabel gesehen, die überall im Camp herumhängen. Die kleinen sind für den Strom, die großen schwarzen sind Wasserleitungen. Viele von denen sind brüchig. Die hängen direkt nebeneinander.
Und was passiert im Winter? Wenn es windig ist? Die Kabel verknoten sich. Wasser- und Stromleitungen – verstehst du?! Jahr für Jahr sterben zig Menschen an Stromschlägen. Hiphop ist eine gute Möglichkeit, darüber zu reden. Wenn ich in meinen Songs über die Probleme hier singe, habe ich das Gefühl, ich teile sie mit meinem Publikum. Sie verstehen es, sie haben ja dieselben Probleme."
MC Yassins Publikum – das sind hauptsächlich die Kids aus Bourj el Baranjneh und den anderen Palästinenserlagern. Genau die will auch Raffi Feghali erreichen. Der quirlige Mittdreißiger leitet das "Hiphoper for peace project" von PPM.
In seinem mit Broschüren und Flyern übersäten Büro in Mkalles, einem Geschäftsviertel voller greller Werbetafeln und breiter Ausfallstraßen, kramt Raffi nach einer CD. Stolz hält er sie hoch. Hier! "Peace Beats". Eine Rarität: eine Hiphop-Scheibe für Frieden.
"Wenn wir über Frieden reden: Es ist wichtig, die jungen Leute zu erreichen. Wir wollen die neue Generation mit ins Boot holen. Es sitzen ja noch immer dieselben Leute an den Schalthebeln der Macht, die uns den Bürgerkrieg von 1975-1990 beschert haben. Das sind genau die Leute, die dafür sorgen, dass die Konflikte immer wieder aufflackern.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass die sich noch mal ändern werden. Aber die neue Generation – die müssen wir erreichen. Um ihnen klar zu machen, dass du Konflikte auch friedlich lösen kannst. Wir müssen ihre Sprache sprechen. Hiphop ist ihre Sprache. Wir müssen einen Weg finden, mit ihnen zu kommunizieren."
Hiphop – das ist auch die Sprache von MC Ed. Der Mann mit der Afromähne rappt in der erfolgreichen Band Fagile Otrash. Ed ist so wie die anderen Bandmitglieder: Multiethnisch. Sein Vater ist muslimischer Libanese, die Mutter Christin aus der Elfenbeinküste.
Zu Hause ist er in Beirut. Auch wenn das Leben hier nicht einfach ist. Der letzte Krieg liegt gerade einmal vier Jahre zurück, erst vor zwei Jahren flackerten Kämpfe zwischen verfeindeten sunitischen und schiitischen Milizen auf.
"Immer das Gleiche." Ed schüttelt den Kopf. Ihm passt das alles nicht: Dass sich die 18 Religionsgruppen, die es in dem 4-Millionen-Land gibt, abschotten; und viele immer noch meinen, wenn einem die Argumente ausgehen, kann man ja einfach zuschlagen.
Ed ist auch auf der "Peace Beats"-CD von PPM vertreten. Er war sofort Feuer und Flamme, als in Raffi ansprach; ob er nicht einen Song beisteuern wolle.
Ed: "Plötzlich hatte ich diesen Gedankenblitz: Wenn du dich für Frieden einsetzen willst, musst du bei dir selbst anfangen. Du musst erst einmal deinen inneren Frieden finden. Du kannst nicht nach Frieden in der Welt rufen, ohne vorher bei dir selbst anzufangen. Ich bezweifele, dass die jungen Leute, die wir erreichen wollen, irgendetwas mitnehmen, wenn du selbst nicht hundertprozentig dahinter stehst. Die merken das. Ob es gespielt ist. Oder echt. Das Programm von PPM zur Konfliktvermeidung hat mir da die Augen geöffnet."
Wie gewalttätig die libanesische Gesellschaft ist – das hat MC Ed am eigenen Leib erfahren müssen. Da sind seine frühsten Kindheitserinnerungen – wie er während des libanesischen Bürgerkrieges mit seiner Mutter ständig zwischen Beirut und dem Dorf seines Vaters im Süden pendelt – je nachdem, wo gerade weniger geschossen wird.
Da sind die israelischen Bombenangriffe 2006, eine Bombe schlug nur gut hundert Meter von seinem Elternhaus ein; und dann ist da noch die Geschichte mit dem Danceclub. Zwei Jahre ist das jetzt her. Eigentlich eine Lappalie: Sein Freund hatte aus Versehen ein Bier auf dem DJ-Pult umgestoßen, der DJ nahm es persönlich – und holte die Security. Die schleppte sie in einen Kellerraum, wo beide windelweich geschlagen wurden.
"Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort", sagt Ed rückblickend, "mit dem falschen religiösen Hintergrund." Die Clubbesitzer und der DJ waren Christen, Ed und sein Freund Muslime. Sprich "elende Schweine", wie Eds Peiniger hämisch meinten. Seine Augen funkeln. Aber dann lässt der Mittzwanziger die Hände auf den Küchentisch seines mit CD vollgestopften Apartments in Hamra fallen.
Ed: "Du kannst Feuer nicht mit Feuer bekämpfen. Ich bin ein ganz normaler Typ. Wenn ich mich rächen wollte: Das ist ein Nachtclub. Verstehst du? Ein Nachtclub. Die bestechen die Polizei. Die stecken unter einer Decke. Da habe ich keine Chance. Aber ich kann sie bekämpfen, in dem ich sie in einem Song aufs Korn nehme. Sie entblöße.
Das und das ist mir in diesem Club passiert. Ich hoffe, euch passiert nicht das gleiche. Also paßt auf! Das ist meine Botschaft an unsere Fans. So nehme ich Rache: Nicht indem ich es den Typen vom Nachtclub mit barer Münze heim zahle. Sondern in dem ich meine Musik sprechen lasse."
"Salem Nafseh" – innerer Frieden – so heißt MC Eds Lied auf der Friedens-CD von PPM. Mit dem Song ist er auch letztens im "Denny’s", der Bar in Hamra, aufgetreten. Nach dem Konzert, erzählt Ed, seien ein paar Teenager zu ihm gekommen, um mit ihm zu reden: Wie er das genau meine – mit dem Frieden und der Gewaltlosigkeit. So etwas sei typisch für den Bezirk Hamra.
Ed: "Hamra ist ein sehr, sehr sicherer Ort. Es ist cool hier. Ich wünschte mir, ganz Beirut wäre so. Es ist gemischt. Du hast nicht nur Suniten. Du siehst alle: Suniten, Schiiten, Christen – einfach alle. In Hamra spielt Religion keine Rolle. Du kannst dich mit allen über alles unterhalten. Das ist in anderen Viertel anders. Wenn du dort beispielsweise über die Hizbollah herziehst, kommst du da nicht mehr lebend raus."
Auch MC Yassin hat einen Song für die "Peace Beats" CD von PPM beigesteuert. "Am Badaf fé" - "Ich bin bereit mich zu verteidigen" - heißt er. Typisch Yassin: Ihm geht es immer ums ganze. Innerer Frieden - Eds Motto - das ist ihm zu wenig. Der Rapper schaut von seinem Mischpult in seinem Tonstudio im Palästinenserlager hoch zu dem selbst gemalten Bild einer Moschee.
Yassin: "Ja! Ich bin auch für Frieden. Aber nur, wenn Frieden und Gerechtigkeit Hand in Hand gehen. Für die CD von PPM rappe ich in meinem Song über Frieden. Und Gerechtigkeit. Frieden in der arabischen Welt; zwischen Arabern. Darum ging es mir. Mit Israel kann es keinen Frieden geben. Das habe ich in meinem Song auch so gesagt.
Ich glaube, die Leute bei PPM mochten das nicht. Als ich meinen Song auf der CD zum ersten Mal hörte, bin ich fast vom Hocker gefallen. Du konntest meinen Text so gut wie gar nicht verstehen. Sie haben es einfach gepitcht – also schneller abgespielt. Ich habe sie sofort angerufen, aber sie meinten nur: Nein, nein, das war ein technisches Problem. Wir haben schon 10.000 Cds pressen lassen. Wir können da nichts mehr ändern."
Yassin kann sich darüber immer noch aufregen. Eigentlich ist der 21-Jährige ein ziemlich fitter, junger Mann. Er ist eloquent; er versucht, in seinem Alltag Konflikte friedlich zu lösen; er ist sozial: Schon seit Jahren macht er kostenlos DJ-Workshops für die Jugendlichen in den Camps der Stadt. Yassin macht ein Menge guter Sachen. Nur beim Thema Israel hört bei ihm der Spaß auf.
Yassin: "Ich erkläre es dir: Ich bin hier im Camp aufgewachsen. Aber ich bin Palästinenser. Ich lebe im Libanon, weil ich aus Palästina herausgeworfen wurde. Ich kann hier nicht vernünftig leben. Es gibt ungefähr 75 Jobs, die ich als Palästinenser nicht ausüben darf. Ich darf noch nicht einmal als Taxifahrer legal arbeiten. Ich frage mich natürlich: Warum muss ich hier leben?
Warum kann ich nicht in meiner Heimat leben? Stell dir vor: Du lebst in einem Zimmer. Und plötzlich kommt jemand und schmeißt dich raus. Und nach ein paar Jahren kommt er zurück und schlägt vor: Lass uns das Zimmer teilen. Das kann doch nicht sein. Nein! Es ist dein Zimmer."
Meint Yassin unversöhnlich. Im Juli geht der junge Palästinenser für zwei Jahre nach Kanada, um in Ontario Tontechnik zu studieren. Ein zweites Standbein neben der Musik. Bis dahin wird er das tun, was er schon die letzten Jahre getan hat: Seine Musik machen; und sich weiter aufregen: über die Lebensbedingungen in Bourj al Baranjneh – diesem trostlosen Ort am Rande von Beirut.
Yassin: "Die Jugendlichen werden gewalttätig wegen dieser schlimmen Lebensbedingungen. Was erwartest du von einem Kind, das auf der Straße spielen muss und in einer Familie lebt, wo das Geld noch nicht einmal für eine Tafel Schokolade reicht?! Dem willst du erzählen: Hör auf mit der Gewalt? Das funktioniert doch nicht.
Das Geld, was die Leute von PPM in ihre ganzen Projekte für Gewaltlosigkeit stecken: Alles schön und gut. Nur: Sie sollten es lieber für konkrete Sachen ausgeben. Was weiß ich: Einen Fußballplatz. Das wird die Gewalt stoppen. Nicht dieses Gerede. Hilf ihnen konkret!"