Rasende Liebe und mörderischer Hass
Es ist ein Liebesreigen der unglücklichsten Art, von dem die Oper "Ermione" handelt: Alle Hauptfiguren haben ihr Herz vergeblich verschenkt und leiden unendlich. Beim Rossini-Festival in Pesaro hat Daniele Abbado das Stück wiederaufgeführt. Ein dramatischer Wettstreit der Tenöre und ein ausgezeichnetes Orchester prägten seine Inszenierung.
Vermutlich war der Stoff zu düster. Für den erfolgsgewohnten Rossini war die Uraufführung 1819 in Neapel ein Desaster - und so sehr er selbst zeitlebens an dieser Oper hing, er konnte es zu keiner Wiederaufführung bringen, sondern nur einzelne Nummern von "Ermione" in späteren Werken wiederverwerten.
In den letzten 20 Jahren gehört "Ermione" allerdings - insbesondere in den USA, wo es gleich drei unterschiedliche szenische Neuproduktionen gab - zu den am meisten gespielten Rossini-Opern. Wohl ein Grund, beim Rossini-Festival in Pesaro, das bereits 1987 eine exemplarische Aufführung (mit Chris Merritt, Montserrat Caballé und Marylin Horne) herausbrachte, diese Oper 2008 wieder auf den Prüfstand zu stellen.
Die Modernität von "Ermione" liegt in ihrer wohl in der gesamten Opernliteratur beispiellosen, radikalen Verweigerung jeder direkten Liebesbeziehung. Zuneigung wird in Arien und Duetten zwar beschworen, aber sie ist nur vordergründig geheuchelt, um sich an denen zu rächen, die sich der Liebe verweigern.
Oreste liebt Prinzessin Ermione, doch die benützt ihn nur als Werkzeug, um sich an dem von ihr geliebten König Pirro zu rächen. Pirro brüskiert Ermiones Zuneigung mit der Liebe zur kriegsgefangenen Trojanerin Andromaca. Andromaca wiederum lebt nur in Gedanken an ihren von Achill getöteten Mann Ectore - und heuchelt die Liebe zu Pirro nur vor, um ihren und Ectores Sohn vor dem Tod als Kriegsgefangene zu retten. Achill, Pirros Vater, hatte einst ihren Mann Ectore im Kampf getötet.
Rasende Liebe und mörderischer Hass, Rache und Zuneigung sind unentwirrbar geworden. Wenn Oreste schließlich König Pirro ermordet, hat er sich damit keineswegs die Zuneigung von Ermione erworben, im Gegenteil, er hat jenen Mann getötet, den Ermione - trotz aller Eifersucht und allen Hasses - einzig liebte. Oreste muss im Finale aus dem Land geschafft werden.
Mit dem antiken Stoff hat sich Rossini wohl auch mit der Tradition der französischen Opern von Christoph Willibald Gluck auseinandergesetzt. Statt einer Ouvertüre ein Chor, der das Los der Kriegsgefangenen Trojaner - darunter Andromaca und ihr Sohn - zeigt. Werden sie in ihren unterirdischen Verließen gezeigt, wird der etwas schräge Bühnenboden der nüchternen Bühne mit verschiebbaren weißen - bisweilen blutbeschmierten - Wände aufgeklappt (Bühnenbild: Graziano Gregori).
Die Brutalität des Krieges wird in Daniele Abbados Inszenierung in modernen Uniformen, Soldatenmäntel, Stiefel beschworen - für einige Momente auch die Dekadenz von Pasolinis "Letzte Tage von Salo" zitierend. Das erscheint ein wenig simpel - und eher dem düsteren Blutrausch von Richard Strauß "Elektra" nahe, als der im Wohlklang schlummernden Abgründigkeit Rossini.
Unter die Haut gehend aber das vorzügliche Orchester des Teatro Comunale di Bologna unter Roberto Abbado. Die Lawinen der Crescendi- später durchaus auch für komische Opern verwendet - unterstreichen gespenstisch die finstere Absurdität der Situationen.
Die Sänger - und das überrascht in der Entwicklung des Belcanto-Gesangs in Pesaro nicht mehr - heldisch und dramatisch, darunter ein Wettstreit zwei Tenöre: In der Publikumsgunst übertraf dabei der italienische Tenor Antonino Siragusa (Oreste) mit seinem glasklaren metallischen Höhen den sich durchaus wacker schlagenden, als Charaktertenor aufbrausenden Amerikaner Gregory Kunde (Pirro). Im Laufe des Abends gewann auch Sonia Ganassi als Ermione an Eindringlichkeit; ein bisschen blass, aber durchaus einnehmend die junge Andromaca von Marianna Pizzolato.
Nach der unbarmherzig radikalen "Ermione" ist der Blick auf Rossini geschärft! Gilt, fragt man sich nach "Ermione", die völlige Unfähigkeit Liebes-Beziehungen herzustellen, nicht auch für die anderen gefälligeren Opern Rossinis? Mit ihrem Nebenher der Liebenden und ihrem Fehlen seliger Liebesduette?
"Ermione"
Von Gioachino Rossini
Inszenierung: Daniele Abbado
Rossini-Festival Pesaro
In den letzten 20 Jahren gehört "Ermione" allerdings - insbesondere in den USA, wo es gleich drei unterschiedliche szenische Neuproduktionen gab - zu den am meisten gespielten Rossini-Opern. Wohl ein Grund, beim Rossini-Festival in Pesaro, das bereits 1987 eine exemplarische Aufführung (mit Chris Merritt, Montserrat Caballé und Marylin Horne) herausbrachte, diese Oper 2008 wieder auf den Prüfstand zu stellen.
Die Modernität von "Ermione" liegt in ihrer wohl in der gesamten Opernliteratur beispiellosen, radikalen Verweigerung jeder direkten Liebesbeziehung. Zuneigung wird in Arien und Duetten zwar beschworen, aber sie ist nur vordergründig geheuchelt, um sich an denen zu rächen, die sich der Liebe verweigern.
Oreste liebt Prinzessin Ermione, doch die benützt ihn nur als Werkzeug, um sich an dem von ihr geliebten König Pirro zu rächen. Pirro brüskiert Ermiones Zuneigung mit der Liebe zur kriegsgefangenen Trojanerin Andromaca. Andromaca wiederum lebt nur in Gedanken an ihren von Achill getöteten Mann Ectore - und heuchelt die Liebe zu Pirro nur vor, um ihren und Ectores Sohn vor dem Tod als Kriegsgefangene zu retten. Achill, Pirros Vater, hatte einst ihren Mann Ectore im Kampf getötet.
Rasende Liebe und mörderischer Hass, Rache und Zuneigung sind unentwirrbar geworden. Wenn Oreste schließlich König Pirro ermordet, hat er sich damit keineswegs die Zuneigung von Ermione erworben, im Gegenteil, er hat jenen Mann getötet, den Ermione - trotz aller Eifersucht und allen Hasses - einzig liebte. Oreste muss im Finale aus dem Land geschafft werden.
Mit dem antiken Stoff hat sich Rossini wohl auch mit der Tradition der französischen Opern von Christoph Willibald Gluck auseinandergesetzt. Statt einer Ouvertüre ein Chor, der das Los der Kriegsgefangenen Trojaner - darunter Andromaca und ihr Sohn - zeigt. Werden sie in ihren unterirdischen Verließen gezeigt, wird der etwas schräge Bühnenboden der nüchternen Bühne mit verschiebbaren weißen - bisweilen blutbeschmierten - Wände aufgeklappt (Bühnenbild: Graziano Gregori).
Die Brutalität des Krieges wird in Daniele Abbados Inszenierung in modernen Uniformen, Soldatenmäntel, Stiefel beschworen - für einige Momente auch die Dekadenz von Pasolinis "Letzte Tage von Salo" zitierend. Das erscheint ein wenig simpel - und eher dem düsteren Blutrausch von Richard Strauß "Elektra" nahe, als der im Wohlklang schlummernden Abgründigkeit Rossini.
Unter die Haut gehend aber das vorzügliche Orchester des Teatro Comunale di Bologna unter Roberto Abbado. Die Lawinen der Crescendi- später durchaus auch für komische Opern verwendet - unterstreichen gespenstisch die finstere Absurdität der Situationen.
Die Sänger - und das überrascht in der Entwicklung des Belcanto-Gesangs in Pesaro nicht mehr - heldisch und dramatisch, darunter ein Wettstreit zwei Tenöre: In der Publikumsgunst übertraf dabei der italienische Tenor Antonino Siragusa (Oreste) mit seinem glasklaren metallischen Höhen den sich durchaus wacker schlagenden, als Charaktertenor aufbrausenden Amerikaner Gregory Kunde (Pirro). Im Laufe des Abends gewann auch Sonia Ganassi als Ermione an Eindringlichkeit; ein bisschen blass, aber durchaus einnehmend die junge Andromaca von Marianna Pizzolato.
Nach der unbarmherzig radikalen "Ermione" ist der Blick auf Rossini geschärft! Gilt, fragt man sich nach "Ermione", die völlige Unfähigkeit Liebes-Beziehungen herzustellen, nicht auch für die anderen gefälligeren Opern Rossinis? Mit ihrem Nebenher der Liebenden und ihrem Fehlen seliger Liebesduette?
"Ermione"
Von Gioachino Rossini
Inszenierung: Daniele Abbado
Rossini-Festival Pesaro