Rasender Stillstand

Von Verena Herb |
Sie soll das neue Wahrzeichen der Hansestadt werden: die Elbphilharmonie in Hamburg. Doch bisher sorgt das Prestigeprojekt nur für Ärger, steigende Kosten und vielleicht sogar für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Einsam läuft ein gelbbehelmter Bauarbeiter über den Rohbau, während der Schnee behäbig auf die Baustelle fällt. Es sieht nicht so aus, als ob mit voller Kraft gebaut werde.

"Aus meiner Sicht ist der Endtermin November 2011 für den großen Konzertsaal nicht mehr erreichbar","

sagt Thomas Möller, Leiter der Hamburger Hochtief-Niederlassung. Das liegt zum einen an den frostigen Temperaturen in der Hansestadt, zum anderen – so der Vorwurf von Hochtief – daran, dass die Schweizer Architekten Herzog und de Meuron nicht termingerecht fertiggeplant haben. Was im Klartext heißt: Die Elbphilharmonie in der Hafencity kann nicht wie geplant im Mai 2012 mit einem Konzert im großen Saal eröffnen. Das sei auch mit Geld und guten Worten nicht zu erreichen, so Thomas Möller.

Ende Januar wurde bekannt, dass Hochtief die Stadt intern auf die Verspätung hingewiesen und weitere Mehrkosten in Höhe von 22,4 Millionen Euro angemeldet hat. Harsche Reaktionen folgen prompt. So von Jens Kerstan, dem Fraktionsvorsitzenden der GAL in der Hamburger Bürgerschaft:

""Hochtief droht mit späterer Baufertigstellung, um Geld von der Stadt zu erpressen. Doch dieses Spiel wird nicht aufgehen, weil wir uns von Hochtief nicht erpressen lassen werden."

Den Erpressungsversuch lässt Möller von Hochtief nicht auf sich sitzen:

"Das halten wir für ungerechtfertigt und unsachlich und weise ich als eindeutig falsch zurück. "

Doch Jens Kerstan geht noch weiter: Hochtief sei eine bösartige Heuschrecke, und er sehe keinen Anhaltspunkt, diesem Baukonzern auch nur eine Silbe zu glauben. Das Unternehmen sei in der Branche dafür bekannt, dass es mit allen Tricks arbeite, um aus Projekten maximalen Profit auf Kosten der Arbeitgeber herauszuschinden.

Ob mit Absicht oder nicht, fest steht: Nach Meinung des Baukonzerns hat der Auftraggeber, sprich die Stadt, für die entstandenen Mehrkosten aufzukommen. Es handele sich eben um nachträgliche Änderungen seitens des Generalplaners, so der Bauingenieur. Hochtief sei nicht für Mehrkosten und Verzögerungen verantwortlich:

"Ausgangspunkt ist, die Architektur muss weiterentwickelt werden. Zum Beispiel kommt ein Beispiel aus der Akustik, der sich auf Gewichte von Kanälen oder Ausbauleistungen bezieht. Dann wird die Planung angefasst, nach der Planung kommt die Produktion, die sich dementsprechend verschiebt. Für die Verspätung ist verantwortlich der Punkt, dass die Planung weiterentwickelt worden ist, also insofern unser Kunde und der Generalplaner."

Die Stadt, vertreten durch den Leiter der Realisierungsgesellschaft Rege, Heribert Leutner, sieht das anders:

"Ich glaube, das ist eine sehr einseitige Darstellung von Hochtief. Zum einen ist es so, dass die definitiven Aussagen uns gegenüber ja noch gar nicht belegt sind und wir ja schon seit Längerem sagen: Hochtief, beweis uns das doch mal bitte oder mach es uns zumindest mal nachvollziehbar. Und dementsprechend muss man dann auch prüfen, wer hat dann denn da die Verantwortung zu tragen."

Und das will man am runden Tisch erörtern. Wieder einmal. Bei einem solch großen Bauvorhaben kann der Generalunternehmer nicht so einfach gewechselt werden, es sei denn, die Stadt nimmt horrende Kosten in Kauf. Eine starke Verhandlungsposition für Hochtief. Tausend Punkte umfasst die Antragsliste, die der Baukonzern der Freien und Hansestadt als Beleg angekündigt hat. Diese zu prüfen wird Zeit in Anspruch nehmen.

Weitere Bewegung wird in die Sache kommen, wenn die SPD-Opposition tatsächlich einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie beantragt. Noch sei nichts beschlossen, so der Sprecher der SPD-Fraktion, Christoph Holstein gegenüber Deutschlandradio Kultur. Aber die Anzeichen verdichten sich, dass bei der nächsten Fraktionssitzung am 22. Februar eine entsprechende Entscheidung gefällt wird.

Die Elbphilharmonie – ein Großprojekt, das mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte: Das zeigt der Blick zurück. Neben den explodierenden Kosten wird der Chefplaner des Projekts mittendrin entlassen, immer wieder wird der Eröffnungstermin nach hinten verschoben.

Mittlerweile streckt sich der Bau 81 Meter in die Höhe. 110 Meter werden es am Ende sein mit insgesamt 26 Geschossen. Und je höher der Koloss in den Himmel ragt, umso höher klettern die Kosten. Ursprünglich waren 241 Millionen Euro Festpreis für das Prestigeprojekt veranschlagt. Mittlerweile belaufen sich die Baukosten auf 323 Millionen Euro - Zahlen, die von der Ausgangsannahme so weit entfernt sind wie eine Galaxie von der nächsten.

"Nicht so viel Harmonie bei der Elbphilharmonie – kann man wohl sagen."

So fasst es der Aufsichtsratsvorsitzende der Elbphilharmonie, Johann Lindenberg, treffend zusammen. Ob sich die Verantwortlichen nun in Gesprächen einigen werden? Es bleibt zu hoffen. Fest steht allerdings: Die Hamburger werden langsam sauer:

"Dafür soll ich Steuern bezahlen, wo gibt´s denn so was?"

"Interessant wäre zu wissen, warum auf einmal so viel Mehrkosten da sind? Ich als Privatmann würde mir das nicht gefallen lassen, wenn ich baue. Wir sind mittlerweile, glaube ich, beim Dreifachen dessen, was veranschlagt wurde."

"Also ich finde sowieso, dass das der größte Blödsinn ist aller Zeiten. Das hat Hamburg sehr arm gemacht."

"Das Bauvorhaben ist von Anfang an schlecht geplant gewesen, und unterfinanziert. Und dass da Verzögerungen auftreten, gerade bei staatlichen Bauvorhaben, ist eigentlich ganz normal."

Bei der Stadt übt man sich weiterhin in Optimismus: Kultursenatorin Karin von Welck ließ verlauten: Die Stadt geht von einer planmäßigen Eröffnung der Elbphilharmonie im Mai 2012 aus.
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