Das Auto als Waffe definiert
Die Verurteilung zweier Raser zu lebenslanger Haft habe schon jetzt Rechtsgeschichte geschrieben, meint unsere Kommentatorin Daniela Siebert. Aber hat sie auch eine abschreckende Wirkung auf selbstgefällige Männer am Steuer von PS-überladenen Autos?
Das Urteil war ein Paukenschlag. Mord, lebenslange Haft, für beide Teilnehmer an dem illegalen Autorennen – damit hatte kaum jemand gerechnet. Denn ähnlich gelagerte Fälle gingen in der Vergangenheit stets als "fahrlässige Tötung" durch, mit maximal fünf Jahren Haft.
Nun also lebenslang. Führerscheine für immer weg. Das Auto als "gemeingefährliches Mittel" definiert, als Waffe.
In das Staunen über das Urteil mischt sich Erleichterung. Erleichterung, dass da endlich mal jemand Tacheles redet. Mit Fahrzeugen kann man schlimme Schäden anrichten, Menschen verstümmeln, für immer in den Rollstuhl bringen, töten.
Schon jetzt hat das Urteil Rechtsgeschichte geschrieben
Das ist allen Fahranfängern bewusst. Doch die Sensibilität für die Gefährlichkeit von Autos verliert sich meist recht schnell. Bei fast allen Fahrern, erst Recht bei Auto-verliebten rücksichtslosen egoistischen Narzissten wie den beide heute verurteilten Männern. Auf jugendlichen Leichtsinn konnten sie sich bei ihrer gemeingefährlichen Tat mitten in der Berliner Innenstadt nicht mehr berufen stellte das Gericht klar.
Für das strenge Urteil gab es ein zentrales Stichwort: Gleichgültigkeit. Denn beiden Rasern sei es egal gewesen, dass sie mit ihrem Wettrennen auch den Tod von Dritten riskieren führte der vorsitzende Richter aus. Sie wussten was sie tun, sie schufen wissentlich eine Lebensgefahr.
Darin steckt die Botschaft, die das Urteil nicht nur für die beiden, sondern für sämtliche Autofahrer hat: Autos sind viel gefährlicher als wir denken und wir vergessen das zu oft. Tempolimits und rote Ampeln sind in erster Linie Sicherheitsvorkehrungen, die Leben schützen, nicht die Fahrer ärgern sollen.
Welche Strahlkraft das Urteil haben wird? Rechtsgeschichte hat es in Deutschland schon jetzt geschrieben. Ob es vor der sicheren Revision vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Eine abschreckende Wirkung auf selbstgefällige junge Männer am Steuer von PS-überladenen Pkw? Wenig wahrscheinlich, dafür ist ihr Handeln meist zu unreflektiert und von anderen Motiven getrieben.
Pkw mit so wenig PS
Die Wirkung für uns alle: mehr Respekt vor dem Gaspedal, mehr Umsicht im Straßenverkehr. Aber das ist eine Hoffnung, keine Rechtslage.
Die politische Diskussion um eine Verschärfung der Strafbarkeit von Autorennen könnte das Urteil indes hemmen. Denn es gebe keine Regelungslücke hieß es in der Urteilsbegründung. Die Strafrechtsparagraphen 211 und 212 fänden hier volle Anwendung.
Damit könnten die Vorhaben des Bundesrates und des Bundesverkehrsministeriums, aus illegalen Autorennen Straftaten statt bloßer Ordnungswidrigkeiten zu machen, etwas an Zugkraft verlieren. Denn ein Autorennen, durch das niemand zu Schaden kommt, danach kräht letztlich kein Hahn. Unsere Überwachungsbehörden wären auch mit der Feststellung und Ahndung solcher Vorkommnisse überfordert.
Eine Option gäbe es aber, die ganz sicher helfen würde: Pkw mit so wenig PS, dass ein Rennen gar keinen Spaß machen würde. Die Fahrzeuge der heute Verurteilten hatten 225 respektive 385 PS. Im Ernst: Wer braucht sowas?