Rassenideologe und Antisemit

Von Hilde Weeg |
Zuerst wurde er in Adolf-Hitler-Platz, dann in Karl-Marx-Platz und nach der Wende in Petersenplatz umbenannt: Ein kleiner, unscheinbarer Platz am Rand der Thüringer Universitätsstadt Jena. Die Geschichte dieser Namensgebung spiegelt den Lauf der deutschen Geschichte und zugleich die Schwierigkeiten des angemessenen Erinnerns und Gedenkens. Darüber wird nun auch in Jena diskutiert, denn hier erinnert man sich gern an den Reformpädagogen und langjährigen Jenaer Erziehungswissenschaftler Peter Petersen. Der Frankfurter Historiker <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="169631" text="Benjamin Ortmeyer" alternative_text="Benjamin Ortmeyer" /> hat nun neue Schriften vorgelegt, die Petersens Verstrickung mit dem NS-System eindeutig belegen.
Seit 1991 gibt es aber nun den Petersenplatz, und nicht nur das. Im gleichen Jahr wurde hier eine Jenaplan-Schule gegründet, die vor wenigen Wochen für ihre hervorragenden Leistungen den Deutschen Schulpreis erhalten hat. Im Zentrum dieses Schulkonzepts steht gemeinsames Lernen und Handeln nicht in Leistungs-, sondern nach Altersstufen, das sowohl der Gemeinschaft, wie den einzelnen Schülern größtmögliche Entfaltung ermöglichen soll.

Aber: In Jena hatte man sich bei der Neugründung bewusst nach dem Modell, nicht aber nach dem Reformpädagogen Peter Petersen benannt, der die Grundlagen dafür auf einer Konferenz von Reformpädagogen 1927 präsentiert hatte – und später die erste Schule dieser Art in Jena gründete und bis 1950 führte. Denn schon 1991 war bekannt, das Petersen sich mit der nationalsozialistischen Leitung der Universität sehr gut verstanden hatte. Der Historiker und Petersen-Biograf Torsten Schwan erklärt es so:

"Der versucht seine Idee durchzusetzen, gegen Widerstände und das in verschiedenen Systemen – und der dabei am Ende auch bereit ist, mit der SS zusammenzuarbeiten, ganz klar, das muss man sehen."

Ortmeyers Befund geht deutlich darüber hinaus: Demnach hat Petersen aus voller Überzeugung schon 1932 und '33 antisemitische und rassenideologische Schriften veröffentlicht – und tat dies auch nach 1945. Selbst kurz vor seinem Tod 1952 bedauerte Petersen nicht etwa die ideologische Verblendung durch Hitler und den Nationalsozialismus, sondern dass dieser das Versprechen nicht gehalten habe, das deutsche Volk rassisch rein zu halten. Einige anwesende ehemalige Schüler von Petersen, die diesen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs in Jena noch persönlich erlebt hatten, kannten diese Seite von Petersen nicht, wie Ingetraud Michael, die sich gern an ihre Schule erinnert:

"Aber auf der einen Seite steht die tragische Entwicklung und auf der anderen Seite steht die Praxis – und die haben wir erlebt: Toleranz, Zusammenhalt – wir waren alle gleich!"

Aber: Die Befunde sind eindeutig, Petersens Rolle war die eines aktiven und überzeugten Täters. Auch der Historiker Jürgen John, der 2003 gemeinsam mit anderen Kollegen die Geschichte der Universität im Nationalsozialismus aufgearbeitet hatte, war sich darin mit Ortmeyer einig. Aber es gab auch Kritik in einigen Punkten an Ortmeyers Ausführungen, zum Beispiel was die Gründe betraf, warum seine Schule 1950 in Jena geschlossen wurde.

Petersen war ein international anerkannter Pädagoge und zugleich ein überzeugter NS-Ideologe. Wie man diesem Erbe gerecht wird und in welcher Form ein Gedenken angemessen ist, darüber wird noch zu diskutieren sein. An die Adresse anderer Petersen-Einrichtungen mahnte John:

"Auf jeden Fall ist eine Lehre: Sie sollten sich endlich der Realität stellen!"
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