Rassismus-Eklat um Patrick Moster

Sportverbände reagieren zu zögerlich

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Patrick Moster, Sportdirektor vom BDR (Bund Deutscher Radfahrer), steht am Streckenrand neben Azzedine Lagab aus Algerien in Aktion beim Zeitfahren.
Während Nikias Arndt auf seinem Rad schnauft, feuert ihn Funktionär Patrick Moster mit rassistischen Rufen an. © picture alliance / Sebastian Gollnow
Gerd Wagner im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Rassimus ist nicht nur ein Problem des Fußballs: Die Äußerungen von Radsportfunktionär Patrick Moster bei den Olympischen Spielen zeigten, dass jede Sportart bestroffen sein könne, sagt Gerd Wagner, Referent der Deutschen Sportjugend.
Das Anfeuern der Radfahrer vom Straßenrand gehört zum Sport dazu. Das hat auch der deutsche Radsportfunktionär Patrick Moster beim Einzelfahren der Männer bei den Olympischen Spielen in Tokio gemacht. Er lief neben dem strampelnden Nikias Arndt mit und rief ihm zweimal zu: "Hol die Kameltreiber!". Vor Arndt fuhren der Eritreer Amanuel Ghebreigzabhier und der Algerier Azzedine Lagab.
Nach den rassistischen Anfeuerungsrufen zögerte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erst einen Tag, ließ aber dann nach mehreren Gesprächen Moster doch aus Tokio abreisen. Der Rassismus-Experte im Sport und Referent der Deutschen Sportjugend hält die Entscheidung des DOSB als "die einzige und auch angemessene Reaktion".
"Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Entscheidung schon gestern getroffen wäre und nicht erst, nach einer Nacht zu schlafen", sagt er.
Wagner kritisiert neben dem Zögern vor allem die Aussagen des deutschen Radsportpräsidenten Rudolf Scharping, Stresssituationen im Sport müssten mit berücksichtigt werden: "Dieses Weichgespülte hilft auch nicht viel weiter, sondern da ist eine klare Positionierung angesagt".
Scharping und andere führende Funktionäre hätten sich früher distanzieren müssen, wie es der Kommentator Florian Nass schon während des Rennens gemacht hat oder der von den Rufen betroffene Radfahrer Nikias Arndt danach.

"Im Eifer des Gefechts" rassistisch

Moster entschuldigte sich für seine Anfeuerungsrufe nach längerem Zögern: "Im Eifer des Gefechts und mit der Gesamtbelastung, die wir momentan hier haben, habe ich mich in der Wortwahl vergriffen. Es tut mir unendlich leid, ich kann nur aufrichtig um Entschuldigung bitten. Ich wollte niemanden diskreditieren", sagte Moster. Außerdem sagte er, er habe nichts gegen Menschen aus Nordafrika, da er selbst Freunde aus dieser Region habe.
Wagner fühle sich dadurch an alte Zeiten erinnert, als rassistische Äußerung mit dem Verweis auf eigene Freundinnen und Freunde gerechtfertigt worden seien. "Da wird deutlich, dass er das ausspricht, was er oftmals auch denkt", meint Wagner, "Rassismus beginnt im Kopf. Und dieses Menschen- und Weltbild, das dahintersteckt, das hat er jetzt in einer Stresssituation in Worte formuliert".
Moster habe gezeigt, das er sich nicht in die Perspektive der Betroffenen versetzen könne und nicht verstehe, was diese Worte auslösen können. "Denn in dem Moment ist nicht nur der algerische und der eritreische Radsportler gemeint, sondern da fühlen sich alle Menschen aus Eritrea und Algerien angesprochen", so Wagner weiter

Keine Überaschung

Wagner überrasche es allerdings nicht, dass ein rassistischer Vorfall im Radsport nun stattgefunden habe, der eher als friedlicher Wettkampf wahrgenommen werde. Gerade im Fußball werde oft Angriffe berichtet, "weil der auch im medialen Fokus steht". "Das ist Sport, das ist keine Insel der Glückseligen. Es betrifft nicht nur jede einzelne Sportart, sondern es ist ein gesellschaftliches Problem – ob Schach, Handball, Leichtathletik oder eben auch der Radsport."

Dass der deutsche Radsportfunktionär Patrick Moster nach seiner rassistischen Entgleisung aus Tokio abreisen muss, findet die Journalistin Ebru Taşdemir folgerichtig. "Man kann ja um Entschuldigung bitten, aber ob sie dann angenommen wird, ist noch mal eine andere Sache", betont sie (AUDIO). Moster habe Sportlichkeit und Fairness vermissen lassen. Doch die Journalistin sieht das Problem nicht nur bei dem Funktionär. Es gehe hier nicht um Rassismus im Radsport, sondern in der Gesellschaft. Keiner sei gegen Rassismus gefeit, jeder habe Stereotype internalisiert. Beim Kampf gegen Rassismus müsse es ein "aktives Mitdenken" und "aktives Entlernen" geben.

© Deutschlandradio
Alle Sportverbände müssten sich nun eindeutig positionieren und Maßnahmen zur Prävention beschließen und für solche Momente, in denen rassistische Angriffe und Äußerungen passieren. "Das wäre für wünschenswert, statt immer nur Mantra-mäßig zu sagen: Im Sport werden Werte vermittelt wie Fair Play und Toleranz", sagt Wagner, "Das muss nun umgesetzt und gelebt werden". Wie die Verbände nun damit umgehen würden, sei ein Lackmustest.
(sbd)

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