"Es braucht einen Aufschrei"
Bei einer Diskussionsrunde der Münchner Kammerspiele irritierte der Kurator Kasper König jüngst mit rassistischer Wortwahl – und entschuldigte sich dafür. Die Künstlerin Cana Bilir-Meier nahm das zum Anlass, einen Protestbrief zu veröffentlichen.
Dutzende Künstler haben den Protestbrief "We are sick of it" unterschrieben, mit dem Cana Bilir-Meier gegen den alltäglichen Rassismus im Kunstbetrieb aufmerksam machen will. Auch wenn sich Kurator Kasper König und auch die Münchner Kammerspiele gleich am Tag nach der Veranstaltung Mitte November für die Wortwahl entschuldigt hätten und sie die Entschuldigung angenommen habe, sei dieses Erlebnis Auslöser dafür gewesen, an die Öffentlichkeit zu gehen, sagte die Künstlerin Cana Bili-Meier im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Denn der Fall sei kein Einzelfall, sondern betreffe viele Menschen.
Die Strukturen müssen sich ändern
"Der Rassismus ist Teil unser Gesellschaft und kein Ausrutscher oder ein falsches Bewusstsein. Das ist eine konstitutive Funktion in unserer Gesellschaft. Das heißt, er bestimmt Denken und Fühlen."
Dies sei daher nicht nur ein Fehler im System, sondern er strukturiere auch staatliche Institutionen wie Schulen und Polizei, aber auch den Kunstbereich. Ihre Großeltern seien in den Sechzigerjahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und hätten Deutschland mit aufgebaut. Darum beschäftige sie, so wie viele andere Künstler, die Auseinandersetzung mit Rassismus, der ihnen in ganz unterschiedlicher Weise begegne, schon immer. Und das beginne mit dem Denken und Fühlen aber auch der Entscheidung, wer welche Jobs bekomme.
"Kunstinstutionen laden sich gerne, natürlich von außen, kritische Perspektiven ein zum Thema Migration und Rassismus, aber was wir feststellen ist, dass sobald es an die Basis geht, an die Essenz, wird das abgewehrt und eigentlich strukturell nichts verändert."
Gleichberechtigung bei der Jobperspektive
Rassismus beginne schon damit, wer bestimme, was Kunst und Form ist, wer wo gezeigt und damit sichtbar werde.
"Ich denke es braucht einen Aufschrei, der sich solidarisiert mit Personen, 'people of color', mit schwarzen und indigenen Menschen, mit queeren Positionen. Sonst kann dieser Schritt nicht gemacht werden."
Eine Generationenfrage sei dieser Rassismus nicht, eher würden sich die Formen von Diskriminierung nur anders verstecken. Zwar ändere sich auch die Stimmung bei ihrer Generation der jetzt Dreißigjährigen und darum würde nun auch auf diese Geschichte eingegangen.
Es beginnt bei der Bildung
Aber es müsse jetzt über eine Empörung hinausgehen, hin zu strukturellen Veränderungen. "Und da geht es darum, wer die gut bezahlten Jobs bekommt und wer hat prekäre Jobs."
Es gebe zwar schon alternative Orte und die gelte es zu stärken. Es sei aber auch wichtig, in großen Institutionen und an Universitäten anzusetzen:
"Das beginnt auch schon, welches Wissen gelehrt wird, wer lehrt, in welcher Sprache wird gesprochen. Wer bestimmt überhaupt was wir lernen. Und betrifft die Frage, wer an den Kunstakademien studieren kann. Menschen mit mehr Privilegien haben einfach höhere Chancen, an den Kunstuniversitäten zu studieren. Ich denke, da müsste es wahrscheinlich auch schon anfangen."