Lima Sayed: "Weiße Helden im Film. Der ,White Savior Complex' – Rassismus und Weißsein im US-Kino der 2000er Jahre"
Transcript Verlag, Bielefeld 2019
344 Seiten kart., 45 Euro
Weiße Helden mit Vorurteilen
07:12 Minuten
Weiße Charaktere werden im Kino als Individuen und Helden gezeichnet, schwarze Figuren sprechen für eine Gruppe: Die Amerikanistin Lima Sayed hat den Rassismus im US-Kino der Nuller Jahre untersucht.
Als Halle Berry 2002 den Oscar gewann für ihre Rolle in "Monster’s Ball", war das nicht nur der erste Academy Award für die Schauspielerin – es war auch das erste Mal, dass eine Afroamerikanerin in der Kategorie "Beste weibliche Hauptrolle" ausgezeichnet wurde. Berry dankte unter Tränen den Frauen of Color neben und vor ihr, also etwa den Schauspielerinnen Lena Horne, Diahann Carroll oder Dorothy Dandridge, denen diese Würdigung nicht vergönnt war.
So verständlich die Respektsbekundung ist, weil die Filmgeschichte of Color bei weitem nicht so tradiert ist wie die weiße – vor dem Hintergrund von Lima Sayeds gerade erschienener Monographie "Weiße Helden im Film. Der 'White Savior Complex' – Rassismus und Weißsein im US-Kino der 2000er Jahre" findet sich hierin auch eine Ironie.
Filme aus einer oberflächlich aufgeklärten Zeit
Denn, so beobachtet Sayed: Wenn schwarze Figuren in Filmen sprechen, dann reden sie – anders als weiße Charaktere – häufig für die Gruppe. Für alle Menschen of Color.
"Schwarz" und "weiß" sind in der auch für Nicht-Akademikerinnen gut lesbaren Analyse der Hamburger Amerikanistin nicht Hautfarben, sondern Konstruktionen, an denen Status, Wohlstand und Privilegien hängen.
Angewendet wird das Theoriematerial aus Rassismus- und Critical-Whiteness-Debatten auf Filme aus den Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts, einer oberflächlich aufgeklärteren Zeit, die der Präsidentschaft Barack Obamas vorausging. Dass mit dem ersten schwarzen Mann im Weißen Haus eine "post-rassische" Gesellschaft erreicht sei, dem widerspricht ein genauer Blick auf das Kino dieser Zeit.
Vom Henker zum Retter
Sayed beschreibt anhand von vier Filmen – "Monster’s Ball" (2001), "Crash" (2004), "The Visitor" (2007) und "Gran Torino" (2008) –, wie sich trotz einer Hinwendung zu vordergründig rassismuskritischen Gegenwartsbeschreibungen alte Stereotypen und Vorurteile erhalten. Wie in "Crash" der weiße Bittsteller im Dialog mit der schwarzen Krankenschwester dominiert. Wie die Schwächen der Clint-Eastwood-Figur nicht zu haben sind ohne deren Rassismus; wenn der alte Mann sich für seinen mit der Familie aus Vietnam eingewanderten Ziehsohn opfert, diesen eben rettet als "white Savior", dann ist dieser Akt auch einer, der alte, weiße Männlichkeit re-etabliert und in Form des titelgebenden Autos Gran Torino auf den zuvor als verweiblicht gezeichneten Ziehsohn übergehen lässt.
In "Monster’s Ball" wird die von Halle Berry gespielte Frau absurderweise von dem Weißen (Billy Bob Thornton) gerettet, der für die Hinrichtung ihres Mannes zuständig war. Dabei, wie Sayed markiert, zeichnet sich die schwarze Frau vor allem dadurch aus, dass sie ohne finanzielle Absicherung und soziale Bindungen existiert – die Geschichte, die es auf der Ebene von Oscar-Verleihungen nicht gibt, ist im Film ebenfalls getilgt.