Diskriminierung und Hass an Kaliforniens Stränden
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Rassismus gibt es auch in den Pazifikwellen Kaliforniens. Er hat eine lange Geschichte, und noch immer sind die meisten Surfer weiß. Der Mord von George Floyd durch Polizisten hat dafür ein größeres Bewusstsein geschaffen und Veränderungen ausgelöst.
Ein perfekter Spätsommermorgen in Manhattan Beach, ein Strand zehn Kilometer südlich von Los Angeles: 25 Grad, Sonne, leichte Meeresbrise, weißer Sand soweit das Auge reicht, glitzernder Pazifik und Pelikane, die über das Wasser segeln, wo Surferinnen und Surfer auf die nächste perfekte Welle warten.
Zwischen ihnen paddeln an diesem Tag außergewöhnlich viele Kinder zwischen acht und 13 Jahren. Eine Organisation, die sich für mehr Diversität in den Wellen einsetzt, hat sie an den Strand gebracht. Die meisten von ihnen genießen zum ersten Mal das Hochgefühl, auf einem Surfbrett stehend über das Wasser zu gleiten.
Mit einem breiten Lachen beschreibt Meklit ihre Emotionen, den Wind, das Wasser und den Spaß, der es wert sei, früh am Morgen ins 18 Grad kalte Wasser zu tauchen. Ihr Bruder Emanuel ist glücklich, dass er einen neuen Sport im Meer entdeckt hat. Er findet Surfen gleichzeitig beruhigend und aufwühlend.
Marcello surft schon seit einem Jahr. Eine Welle gut zu erwischen ist für den Elfjährigen ein toller Nervenkitzel. Vor drei Jahren kam er mit seiner Mutter nach Kalifornien, aus Cleveland in Ohio. Dort gibt es Flüsse und Seen, aber kein Meer. Vom Surfen hatte er nur gehört. An diesem Morgen hat Marcello viele gute Wellen erwischt, angefeuert von seiner Mutter, Jessa Williams.
Als schwarze Surferin nicht überall willkommen
Jessa hat zur gleichen Zeit wie ihr Sohn Marcello angefangen zu surfen und war wie er sofort begeistert. "Es ist wie ein Rausch. Aufregend. Manchmal furchterregend aber gleichzeitig entspannend," sagt sie. "Du musst dich so sehr konzentrieren, dass du dabei alles andere vergisst. Ich bin süchtig geworden, wollte nicht raus aus dem Wasser, wollte immer besser werden und immer schneller aufs Surfbrett kommen."
Die Marketingexpertin kaufte Surfbretter und Wetsuits für sich und ihren Sohn. Sie war froh darüber, einen Sport gefunden zu haben, den sie auch bei strengsten Covid-Auflagen ausüben konnten, mit Abstand und an der frischen Luft.
Doch schnell kam das ernüchternde Erwachen. Jessa ist Afroamerikanerin. Auch Marcello hat dunkle Haut. Sie waren nicht überall in den Wellen willkommen.
Sie habe im ersten Jahr sehr schnell gelernt, dass Surfkultur unterschwelligen Lokalpatriotismus fördert, sagt Jessa. "Nach dem Motto: Wenn du nicht hier wohnst, komm nicht zum Surfen zu uns. Leute denken aus irgendeinem Grund, dass sie Anspruch auf einen bestimmten Ort haben, einen bestimmten Strand und die Wellen dort. In dem Sinn ist Surfkultur exklusiv nicht inklusiv."
Denn: Wer kann es sich leisten, am Strand von Kalifornien zu wohnen, wo Häuser mehrere Millionen kosten, Immobiliensteuern in astronomischer Höhe liegen und Mieten mit einem Durchschnittsgehalt nicht bezahlbar sind?
In Manhattan Beach sind weniger als ein Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner afroamerikanisch. Rund acht Prozent sind hispanischer Herkunft und fast drei Viertel weiß. In vielen Küstenorten nördlich und südlich von Los Angeles ist die Zusammensetzung der Bevölkerung ähnlich.
Sie unterscheidet sich deutlich vom Rest des Landkreises. Insgesamt sind in LA County neun Prozent der Menschen schwarz. Knapp die Hälfte hat lateinamerikanische Wurzeln. Der Anteil der Weißen? Nur etwas mehr als ein Viertel, 26 Prozent.
Konfrontationen im Pazifik
Doch dass sie nicht in Strandnähe wohnt, ist nicht der einzige Grund, warum Jessa beim Surfen belästigt wird. "Es gibt Situationen, wo du als Außenseiterin behandelt wirst, wenn du nicht wie ein typischer Surfer aussiehst, also weiß und männlich." Ein paar hundert Meter entfernt von Manhattan Beach wurde sie im Wasser mit dem N-Wort beschimpft, eine Schlampe genannt und aufgefordert zu verschwinden. Sie habe Angst bekommen. "Ich wollte mich aber nicht von Typen wegdrängen lassen, die denken, die Wellen gehören ihnen und sie können sich benehmen, wie sie wollen."
Marcello wurde noch nie belästigt, sagt er. Aber manchmal, wenn er ohne seine Freunde surft, fühlt sich der Elfjährige etwas allein. Da sehe er meistens Weiße. "Das ist kein gutes Gefühl. Andererseits kann ich andere inspirieren, die surfen wollen und sich nicht trauen."
Zwei junge afroamerikanische Surfer haben Mitte Februar dieses Jahres live auf Instagram von ihren Erfahrungen mit Rassismus erzählt. Acht Monate zuvor haben Justin "Brick" Howze und Gage Grismond den Sport für sich entdeckt. Fast jeden Morgen fahren die DJs und Musikproduzenten vor Sonnenaufgang 30 Kilometer von Hollywood nach Manhattan Beach, um dort vor der Arbeit zu surfen. An diesem Tag erleben sie etwas Schockierendes. Nachdem Justin einem Surfer aus Versehen auf einer Welle den Weg abgeschnitten hat, gibt es Streit. Nichts wirklich ungewöhnliches in der Surfkultur. Doch dann mischt sich ein Mann ein und beginnt, Justin zu beschimpfen.
Er nennt ihn Esel, das N-Wort und sagt, er soll abhauen, dahin gehen, wo Schwarze surfen. Ein Spaziergänger dokumentiert mit seinem Smartphone wie weiße Surfer die zwei Afroamerikaner umrunden und einer davon Justin mit Wasser bespritzt und beleidigt.
Als Gage die Surfer auffordert, sich nicht rassistisch zu benehmen, sagt einer, das alles habe nichts mit Rassismus zu tun. Die beiden jungen Männer sind für einen Moment sprachlos.
Die unrühmliche Geschichte von Bruce’s Beach
Zwei Häuserblocks oberhalb des Strands, am Fuß eines Parks, rezitiert Kavon Ward ihr Gedicht "Reparations 2020", Reparationen im Jahr 2020. Amerikas Geschichte beginne mit der Ausbeutung der Schwarzen und mit weißer Demokratie, sagt sie. Zwei Dinge, die nicht widersprüchlich seien, sondern sich ergänzten, und sie an die 1920er-Jahre erinnerten: die Zerstörung afroamerikanischen Wohlstands. Zum Beispiel Bruce’s Beach in Kalifornien und Black Wall Street in Tulsa Oklahoma.
Bruce’s Beach, das ist der Name des Parks, vor dem Kavon steht. Eine Gedenktafel erinnert an das Ehepaar Bruce, dem die Grundstücke davor direkt am Strand einmal gehörten. Die preisgekrönte Poetin und politische Aktivistin schaut zum Horizont. "Wenn ich mich im Anblick von Meer und Strand verliere, sieht das alles schön aus", sinniert sie. "Doch wenn ich rechts und links von mir diese prächtigen Häuser von Weißen sehe und ich mich daran erinnere, dass dieses Grundstück einmal Charles und Willa Bruce gehörte, dass es ihnen genommen wurde – und damit auch die Voraussetzung für ihren Wohlstand, den ihrer Nachkommen und all der anderen Schwarzen, die hier ein zu Hause hatten, dann macht es mich traurig."
Im Jahr 1912 kaufen Charles und Willa Bruce, ein afroamerikanisches Ehepaar aus New Mexiko, zwei Strandgrundstücke auf nicht erschlossenem Land am Nordende von Manhattan Beach. Der Küstenort hat zu der Zeit 600 Einwohner. Die Bruces gründen eine Ferienanlage, wo Schwarze zusammen sonnenbaden, schwimmen, essen, trinken, Feste feiern und übernachten können.
Laut Gesetz ist das an jedem Strand Kaliforniens möglich. Ein paar Kilometer weiter nördlich, in Santa Monica und Venice, entsteht zu der Zeit sogar eine blühende afroamerikanische Gemeinschaft. Anderswo sind Gruppen von Schwarzen nicht willkommen. Und niemand verkauft Strandgrundstücke an sie.
Dank Willas Verhandlungsgeschick gelingt den Bruces das scheinbar Unmögliche. Sie besitzen nicht nur Land direkt am Meer, sie bauen sich dort eine erfolgreiche Existenz auf. Doch von Anfang an machen ihnen die Bürger von Manhattan Beach das Leben schwer, erklärt Historikerin Alison Jefferson.
"Schon am Tag, als sie ihre Anlage öffneten begann der Protest der Weißen. Nachbarn sperrten das Gelände vor dem Grundstück der Bruces ab, sodass sie einen Umweg zum Strand und ins Wasser machen mussten. In den 20er-Jahren versuchte der Ku Klux Klan, sie einzuschüchtern. Rassismus und Gedanken weißer Vorherrschaft waren auch in Kalifornien auf dem Vormarsch. Einigen Bürgern von Manhattan Beach gefiel es nicht, dass so viele Schwarze kamen. Sie dachten, das mindert den Wert ihrer Grundstücke."
Unter dem Vorwand, einen Park auf dem Anwesen der Bruces bauen zu müssen, enteignet Manhattan Beach die Familie im Jahr 1924. Der Park wird erst in den 50er-Jahren angelegt. Im Jahr 2006 wird er in Bruce’s Beach umbenannt und die Gedenktafel aufgestellt. Sie erinnert seither dort an die unrühmliche Geschichte des Ortes und erklärt, dass alle Menschen in Manhattan Beach willkommen seien.
Black Lives Matter Aktivisten fordern Entschädigung
Nach dem Mord an George Floyd durch Polizisten im Sommer 2020 richten lokale Black Lives Matter Aktivisten ihre Aufmerksamkeit auf Rassismus in der Vergangenheit des Küstenorts. Kavon Ward gründet mit Freundinnen die Organisation Justice for Bruce’s Beach. Die macht seither auf das geschehene Unrecht aufmerksam und fordert Entschädigungen für die Nachfahren von Willa und Charles Bruce. "Es ist doch logisch: Das Land wurde weggenommen. Es muss zurückgegeben werden. Wir fordern auch politische Veränderungen und Entschädigung für die Nachfahren. Wie konnte ich nicht wissen, dass so etwas in meiner Stadt passiert ist? Wer sonst weiß nichts davon?"
So viele wie vermutlich auch nichts von der Geschichte des Rassismus in der kalifornischen Surfkultur wissen. Kaum jemand dachte vor dem Sommer 2020 kritisch über das blitzweiße Image nach, das Hollywood seit den 1960er-Jahren über den Sport in die Welt projiziert.
Das weißgewaschene Image der Surfkultur
Zum Sound der Beach Boys fahren extrem lockere, gut gelaunte und athletische junge Männer in VW-Bussen zu Palmenstränden. Sie paddeln und surfen in den Wellen, bis am Horizont hinter ihnen malerisch die Sonne untergeht, und sie sich mit ebenfalls permanent gut gelaunten jungen Frauen zum Marshmallows Rösten und Cola Trinken am Lagerfeuer treffen. Nur in den seltensten Fällen sind Nicht-Weiße im Bild.
Dabei begann die Geschichte des Surfens in Polynesien. Im 18. Jahrhundert kam der Sport nach Hawaii. Von dort fand er 200 Jahre später seinen Weg in die Welt als Duke Kahanamoku bei den Olympischen Spielen in Stockholm die 100 Meter Freistil mit seinem vom Surfen abgeleiteten Kraulstil gewann. Das war im Jahr 1912, genau als die Bruces begannen, ihren kalifornischen Traum zu verwirklichen.
Initiativen für Inklusion und Vielfalt
Mehr als hundert Jahre später gibt Jessa Williams in Manhattan Beach einem Mädchen, das zum ersten Mal surft, Tipps, wie sie im Wasser am besten auf dem Brett zum Stehen kommt.
Als Gründerin von Intrsxtn Surf, einer Gruppe die sich für nicht-weiße Frauen in der Surfwelt einsetzt, ist Jessa eine von Dutzenden Surf-Lehrerinnen und -Lehrern, die mit einem Pilotprogramm mehr Vielfalt und Inklusion nach Manhattan Beach bringen wollen. Kinder verschiedenster Herkunft bekommen an vier Wochenenden die Gelegenheit, zusammen zu surfen, Volleyball zu spielen und in einer Testküche internationale Rezepte auszuprobieren.
Organisiert hat das alles der Culture Club South Bay. Co-Gründerin Allison Hales zog vor drei Jahren nach Manhattan Beach. Die Immobilienhändlerin kommt aus London und hat lange in New York gelebt. "Für mich war Diversität eine Selbstverständlichkeit. Während der Pandemie wurde mir klar, dass es das in Manhattan Beach kaum gibt und ehrlich gesagt auch kaum Kultur", sagt Allison Hales. "Es ist super weiß. Alle sehen irgendwie gleich aus, und die meisten sind reich. Sie kommen nicht aus vielen verschiedenen Kulturen."
Allison beschloss, daran etwas zu ändern. Sie bringt mit Hilfe freiwilliger Helfer und Sponsoren Jungen und Mädchen von Manhattan Beach mit Kindern zusammen, die nur ein paar Kilometer entfernt leben, aber einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben.
"Mein Ziel sind wahre Inklusion und Integration. Kinder, die sich sonst nie getroffen hätten, lernen einander kennen. Sie können Freundschaften knüpfen, die im Idealfall ein Leben lang halten und zusammen Sportarten ausüben, die sonst sehr von Weißen geprägt sind. Die Kids hier im Ort kommen endlich mal mit anderen Leuten zusammen."
People of Color erobern Bruces Beach zurück
Culture Club South Bay baut seine Zelte, Surfbretter und Volleyball-Netze genau an dem Strandabschnitt auf, wo die Ferienanlage der Bruces stand. Die Organisation setzt damit auch ein Zeichen, dass es Zeit ist für People of Color, den Ort zurückzuerobern.
Zum Team gehören Menschen mit unterschiedlichsten kulturellen Wurzeln und Erfahrungen, darunter auch Weiße wie Billy Corvalan. Der Multimedia-Experte gründete kurz nach Beginn des ersten Covid-Lockdowns den Ohana Surfclub. Als fast alle sportlichen Aktivitäten gestrichen wurden, wollte er den Kids von Manhattan Beach etwas zu tun geben.
Billy hat sein Leben lang in Meeresnähe gewohnt. Erst an der US-Ostküste am Atlantik, dann am Pazifik in Kalifornien. "Das Meer war ein Zufluchtsort für mich, eine andere Welt. Es war ein Ort ohne Vorurteile, der alle fair behandelt. Den Wellen ist deine Hautfarbe und wo du her kommst egal. Wir alle haben das Recht, das Meer zu genießen."
Doch ihm wurde mehr und mehr klar, dass nicht alle Surferinnen und Surfer die selben Erfahrungen im Meer machen wie er, dass es Rassismus auch in den Wellen gibt und dass die kalifornische Surfkultur nicht so entspannt und tolerant ist wie ihr Image.
Er nahm Kontakt auf zum Culture Club South Bay. "Covid hat Probleme ans Tageslicht gebracht, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht, und ich wollte etwas Positives dazu beitragen. Wir wollen Hindernisse beseitigen und zeigen: Der Strand, das Meer, sie sind für alle da. Alle sind willkommen. Das hier ist Mutter Natur und wir kämpfen zusammen gegen Diskriminierung."
Auch Billys Sohn Ben ist dabei. Mit einem Freund hilft er Carmen, die noch nie gesurft ist, auf einem Brett zu balancieren. Immer wieder stürzen sich die drei zusammen ins Wasser. Das Mädchen legt sich aufs Surfbrett, die Jungs halten es fest, und wenn eine gute Welle kommt, geben Ben und sein Freund dem Brett einen Schubs und stabilisieren es bis Carmen tatsächlich steht und freudestrahlend an den Strand gleitet.
Leicht sei es zu surfen, sagt Carmen. Es gebe keinen Grund für Angst und mache großen Spaß. Ben ist begeistert und sagt, diese Kids würden schnell besser sein als er. "Ich habe an meinem ersten Tag nicht so gut auf dem Brett gestanden. Es ist so toll zu sehen, wie alle sich gegenseitig anfeuern. Ich liebe es."
Ein paar Meter weiter südlich schaut eine afroamerikanische Mutter zu, wie Jessa Williams ihrer Tochter dabei hilft, zum ersten Mal zu surfen.
Schlotternd kommt die Tochter aus dem Wasser, will aber sofort zurück, um es noch einmal zu versuchen. Mutter Antoinette Loupe ist unweit vom Meer aufgewachsen. Sie surft nicht, aber ihr Bruder liebt den Sport. Obwohl auch er immer wieder schlechte Erfahrungen macht. "Meistens wird er von aggressiveren Surfern zur Seite gedrängt. Sie sehen einen jungen schwarzen Mann im Wasser und sagen, er soll ihnen gefälligst Platz machen. Nicht angenehm. Rassismus, den es auf dem Land gibt, existiert genauso hier. Es ist traurig."
Widerstand gegen die überfällige Entschuldigung
Doch es bewegt sich was in Richtung mehr Gerechtigkeit. Nicht nur im Wasser. Eine gute Nachricht für die Nachfahren von Willa und Charles Bruce kommt Ende September. Der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, tut, wozu der Stadtrat von Manhattan Beach nicht bereit ist: Er entschuldigt sich für die Ungerechtigkeiten, die den Bruces widerfahren sind.
Monatelang hatte die Stadt über eine offizielle Entschuldigung bei den Nachfahren des enteigneten Ehepaars diskutiert. Bürgerinnen und Bürger äußerten in öffentlichen Sitzungen ihren Widerstand.
Das alles sei unnötig, lautete ein Argument. Die Stadt habe bereits eine Gedenktafel errichtet, es gebe Gesetze gegen Diskriminierung, die Stadt sei nicht rassistisch, eine Entschuldigung könne außerdem weitreichende finanzielle Folgen haben.
Es gebe keinen Grund, sich zu entschuldigen, sagten andere. Die Diskussion bringe Störenfriede aus der Innenstadt nach Manhattan Beach. Die wolle man nicht, sondern die richtige Sorte Menschen.
Einige sagten auch, es sei alles viel zu lang her und an der Zeit, vorwärts zu schauen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sprachen sich für eine Entschuldigung aus, doch am Ende stimmte der Stadtrat vier zu eins dagegen.
Justice For Bruce’s Beach Gründerin Kavon Ward nennt die Entscheidung respektlos, gefühllos und grausam. Sie fordert mehr: Entschädigung.
"Denen, die fragen: Warum sollen wir für die Fehler unserer Vorfahren bezahlen? Da sage ich: Weil ihr noch immer davon profitiert, was sie getan haben. Wohlstand und Häuser wurden über Generationen vererbt und nur deshalb könnt ihr es euch leisten, hier zu leben. Es ist ekelhaft."
Gavin Newsom stimmt ihr zu. Der kalifornische Gouverneur unterschreibt ein Gesetz, das es ermöglicht, den Nachfahren der Bruces das Land zurückzugeben und sie für geschehenes Unrecht zu entschädigen. Der Weg für Reparationen ist frei. Nicht nur in Manhattan Beach. Es ist ein historischer Moment in der US-Geschichte. "Ich bin stolz darauf, als Sohn und Gouverneur des US-Bundesstaates mit der vielfältigsten Bevölkerung dieses Gesetz zu unterschreiben. Nicht nur für die Bruce-Familie, sondern für alle Familien, die durch Rassismus den Boden unter den Füßen verloren haben. Dieses Gesetz kann ein Katalysator sein und überall auf der Welt kopiert und wiederholt werden."
Surfen als Teil des notwendigen Wandels
Auf 70 Millionen Dollar wird der Wert des Grundstücks geschätzt, das den Bruces zurückgegeben werden soll. Bis zur tatsächlichen Entschädigung müssen noch einige rechtliche Schritte geklärt werden.
Auch wie es mit den Freundschaften weitergeht, die die Kinder gerade beim gemeinsamen Surfen knüpfen, ist noch unklar. Doch erste Schritte in die richtige Richtung seien gemacht, sagt Culture Club South Bay Gründerin Allison Hales: "Wir wollen ein Vorbild sein dafür, wie Inklusion aussehen kann, wie wir inklusiv sein können auf eine Art, die fröhlich ist, die Spaß macht, sodass viele Menschen dabei sein wollen."
Rassismus wird nicht über Nacht und nicht mit einem Pilotprogramm abgeschafft. Aber es ist Bewegung in die Surfkultur gekommen. Nach dem Mord an George Floyd haben sich an den Küsten Kaliforniens viele Organisationen gegründet, die dieselben Ziele wie Jessa Williams und Allison Hales verfolgen. Initiativen, die sich seit über 50 Jahren für mehr Diversität im Surfen einsetzen, bekommen mehr Zulauf und Aufmerksamkeit.
Jessa ist sicher: Surfen wird Teil des notwendigen Wandels sein. "Um dauerhaft etwas zu verändern, müssen wir die Einstellung vieler Leute ändern. Wer heute hier aufs Meer schaut, sieht Kinder aus unterschiedlichen Stadtteilen, aus unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen. Manche machen diese Erfahrung zum ersten Mal. Diese Generation wird eine andere Perspektive haben. Sie wird es besser machen als unsere Generation. Auf jeden Fall: Hier fängt der Wandel an."