Hassrede in sozialen Medien
Was tun gegen Hasskommentare im Netz? © imago images / photothek / Thomas Trutschel
Mit Empathie gegen Rassismus
09:09 Minuten
Was kann man gegen Rassismus im Netz tun? Forschende in der Schweiz haben untersucht, welchen Effekt verschiedene Strategien der Gegenrede auf Twitter haben. Sie kamen zu einem eindeutigen Ergebnis.
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) hat erforscht, wie man gegen Rassismus in sozialen Netzwerken im Einzelnen vorgehen kann. Ihr Resultat: Hasskommentare im Netz lassen sich eindämmen, wenn man Empathie für die Betroffenen erwirkt. Humor oder ein Hinweis auf mögliche nachteilige Konsequenzen bewirken hingegen wenig.
„Wir haben englischsprachiges Twitter mit einem 'Classifier' abgegrast“, sagt Dominik Hangartner und beschreibt damit, wie man durch einen Algorithmus an die über 1300 Nutzerinnen und Nutzer für die Studie der ETH Zürich gekommen ist. Es ging darum, rassistische und xenophobe Tweets, die nach der Definition der Vereinten Nationen als Hassrede zu klassifizieren sind, zu finden, so der Professor für Politikanalyse.
„Wie würdest du dich fühlen?“
Für die Gegenrede auf diese Tweets wurden drei unterschiedliche Antwortstrategien auf öffentlich einsehbare rassistische Tweets gewählt, erklärt der Sozialwissenschaftler. Die erste Gruppe erhielt eine Nachricht, die Empathie wecken sollte, beispielsweise: „Wie würdest du dich fühlen, wenn Leute so über dich sprechen würden?“ Oder: „Ich habe einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin, die schwarz oder jüdisch ist. Die bekommt oft solche Hassnachrichten, und das verletzt sie jedes Mal.“
Die zweite Strategie war, mit Humor und auch Memes zu kontern. Die dritte Gruppe bekam den warnenden Hinweis, dass auch ihre Freunde, Familie, Kollegen oder Arbeitgeber diese Tweets ebenfalls sehen können.
Deutlicher Effekt bei empathischer Gegenrede
Dann habe man das weitere Verhalten auf Twitter gemessen, erläutert Hangartner. Ob der ursprünglich abgesetzte rassistische Tweet vom Sender, der Senderin selbst gelöscht wurde, war dabei eine der beiden Zielgrößen. Führt die Gegenrede dazu, dass in den vier folgenden Wochen weniger rassistische Tweets abgesetzt werden, die andere.
„Es ist tatsächlich so, dass nur Empathie eine Verhaltensänderung bewirkt hat“, fasst der Sozialwissenschaftler das Ergebnis zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Sender seinen ursprünglichen Hass-Tweet selbst gelöscht hat, ist in dieser Gruppe um etwa 40 Prozent angestiegen. Die Anzahl der Hass-Tweets, die die Nutzerinnen und Nutzer über die nächsten vier Wochen gesendet haben, ist um etwa 30 Prozent gesunken. Beide Werte beziehen sich auf den Vergleich zur Kontrollgruppe, auf deren Tweets man gar nicht reagiert hat.
Bei den Strategien Humor und Warnung wurden keine Effekte gemessen. Was genau die Gründe dafür sind und welche Art von Empathie am besten wirkt, sei noch unklar, sagt Hangartner: „Wir machen im Moment noch eine Serie von weiteren Experimenten, um dem ein bisschen besser auf die Spur zu kommen.“
„Nicht der Weisheit letzter Schluss“
Eine einzelne Studie mit Twitter-Usern sei „sicher nicht der Weisheit letzter Schluss“. Es gehe darum, diese Strategien der Gegenrede weiter zu verfeinern. Dennoch sieht Hangartner zumindest erste Hinweise darauf, dass diese Art von empathiebasierter Reaktion am erfolgreichsten darin ist, bei Hass-Senderinnen und -Sendern ein verändertes Verhalten zu bewirken.
Das Ergebnis habe ihn selbst überrascht, also „dass da überhaupt etwas funktioniert“, sagt der Sozialwissenschaftler. Ausdrücklich will er die Studie auch nicht als Entlastung der Plattformen in Bezug auf Hasskommentare falsch verstanden wissen. „Selbstverständlich sind diese nach wie vor verantwortlich dafür, was auf ihrer Plattform steht – und stehen bleibt.“