Martin Hyun wurde 1979 Krefeld geboren. Er ist Sohn koreanischer Gastarbeiter und studierte Politik sowie International Relations in den USA und Belgien. Er war der erste koreanisch-stämmige Bundesliga-Profi in der Deutschen Eishockey-Liga sowie Junioren-Nationalspieler Deutschlands. Seit 1993 ist er glücklicher deutscher Staatsbürger. Er bereitete zuletzt als technischer Direktor die Eishockey-Spiele der Olympischen Winterspiele 2018 vor.
Für die Einheimischen bin ich nur "Schlitzauge"
Der Fall Özil befeuert die Debatte um Integration: Martin Hyun kritisiert, dass es dabei vorwiegend um Muslime und den Islam geht. Der koreanisch-stämmige deutsche Ex-Eishockey-Nationalspieler hat mit Ausgrenzung ganz eigene Erfahrungen gemacht.
An Privatschulen in den USA ausgebildet, Bachelor-Abschluss in Amerika, Master in England und Doktorarbeit in Bonn. So lesen sich viele Lebensläufe einheimischer Kinder aus wohlhabenden elitären Familien. Doch es ist mein Lebensweg – der Weg eines einfachen Migrantenkindes aus Krefeld, Sohn koreanischer Gastarbeiter die 1969 und 1971 als Bergarbeiter und Krankenschwester nach Deutschland kamen. Für uns Kinder führten meine Eltern ein Leben voller Entbehrung und Verzicht.
Und auch, wenn die Stationen so leicht auf dem Lebenslauf erscheinen, war es eine sehr harte Zeit. Während meines Masterstudiums lebte ich in einer kleinen Besenkammer eines Eisstadions. Für Bummeln und Partys war keine Zeit. In Retrospektive frage ich mich, war es das wert? Neben der beruflichen Ausbildung spielte ich Eishockey - schaffte ich es bis zum deutschen Junioren-Nationalspieler und Profispieler. Ich bewarb mich auf Stellen, die genau auf meine Ausbildung und Erfahrung ausgerichtet waren.
Aufstiegschancen sind ungleich schlechter
Doch nahezu immer erhielt ich standardisierte Absagen, zu Vorstellungsgesprächen ist es so gut wie nie gekommen. Ein Bewerbungsgespräch für eine deutsche Regierungsbehörde ist mir noch immer in guter Erinnerung geblieben. Der Personalleiter stellte mir die Loyalitätsfrage – ob ich mich mehr zu Korea hingezogen fühle oder zu Deutschland. Was für eine Frage!
Ich musste mir eingestehen, dass meine Aufstiegschancen ungleich schlechter sind als die von einheimischen Deutschen. Für sie bin ich nur "Schlitzauge". Sprache, Bildung, ein deutscher Pass und deutscher Nationalspieler gewesen zu sein, sind offenbar keine Garantie dafür, als Deutscher akzeptiert zu werden.
Musterbeispiele, weil sie den Mund halten
Vietnamesen und Koreanern wird in Deutschland gerne der Stempel aufgedrückt "Musterbeispiele gelungener Integration" zu sein, weil sie mustergültig ihren Mund halten und ihre Rechte nicht einfordern wie andere Migrantengruppen. Gelobt werden ihre hohen Bildungsleistungen, aber die berufliche Karriere bleibt den meisten von ihnen doch verwehrt.
In den Führungsetagen von Unternehmen, Hochschulen und Regierungsbehörden sind sie schlichtweg nicht sichtbar. Die Unterrepräsentation von diesen vermeintlichen Überfliegern der Integration in der oberen Führungsebene lässt spekulieren, dass eine unsichtbare Barriere sie davon abhält beziehungsweise blockiert, sich auf die oberen Ränge der Karriereleiter zu begeben.
Und die "Gate-Keepers" in Deutschland, die selbsternannten Monopolisten auf Intelligenz und Macht, die stets auf ihren Vorteil bedacht, ihre privilegierten Stellungen schützen wollen, stellen immer Spielregeln zu ihren Gunsten auf, die einen Aufstieg verhindern. Der institutionalisierte Rassismus in Deutschland wird schöngeredet mit einem Etikettenschwindel, "weltoffen und tolerant" zu sein.
Erfolgsgeschichten verschleiern Ungleichgewicht
Hier und da gibt es sogenannte Vorzeigemigranten, die es geschafft haben mit den Privilegierten an einem gemeinsamen Tisch zu sitzen und sich dabei geschmeichelt fühlen. Erfolgsgeschichten lassen schließlich das Ungleichgewicht weniger gravierend erscheinen. Auf der anderen Seite gibt es die "werteorientierten" Migranten, die den Status quo kritisch hinterfragen und dafür oft einen hohen Preis zahlen müssen.
Ironischerweise bot mir das Land meiner Eltern die Chance an, mich zu bewähren, als es mich 2015 für drei Jahre für das südkoreanische Organisationskomitee der Olympischen und Paralympischen Winterspiele einstellte, um das Eishockey sowie Para-Eishockey-Turnier leitend zu organisieren.
Nur gut für ein buntes Bild mit der Kanzlerin
Die von der Politik geführte Integrationsdiskussion dreht sich vorwiegend um Muslime. Die anderen Migrantengruppen sind nur gut genug für ein buntes Bild mit der Bundeskanzlerin. Der Wille, eine wahre Teilhabekultur und das innere Bedürfnis, über Rassismus und Integration mit allen Gruppen zu diskutieren, fehlt.
Spätestens jetzt mit der Özil-Debatte muss jedem klar sein, dass die augenscheinlich integrierten fahnenschwenkenden Migrantenkinder vom Sommermärchen 2006 nur eine Kulisse waren.