Rassismusdebatten in Deutschland

Diversität allein ist kein Heilmittel

08:48 Minuten
Der Schriftzug "Rassismus ist keine Alternative" ist bei einer Demonstration gegen einen Sonderparteitag der AfD Niedersachsen auf einem Plakat zu lesen.
Debatten um und Demonstrationen gegen Rassismus gebe es viele in Deutschland, sagt die Journalistin Ferda Ataman. Was sie vermisst, sind konkrete Anti-Rassismuskonzepte. © picture alliance / dpa |/ Moritz Frankenberg
Ferda Ataman im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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In Deutschland wird viel über Rassismus debattiert. Doch was es wirklich braucht, seien konkrete Schritte wie unabhängige Beschwerdestellen, sagt die Journalistin Ferda Ataman. Denn noch immer gebe es kaum belastbare Statistiken zu Rassismus.
Das Bewusstsein für Alltagsrassismus ist in Deutschland gestiegen, zugleich gibt es zu wenige ernsthafte Versuche, die Situation zu ändern: Diese Beobachtung teilt die Journalistin Ferda Ataman mit Josephine Apraku vom Institut für Diskriminierungsfreie Bildung.
Was in Deutschland noch immer fehle, seien konkrete Maßnahmen wie Gesetzesinitiativen gegen Rassismus oder Änderungen in Lehrbüchern, sagt Ataman, die 2019 selbst ein Buch zum Thema Diversität veröffentlicht hat ("Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!"). "Es hat nicht an Debatten gemangelt. Aber es ist sehr stehen geblieben auf dem Level: Was haben Sie erlebt? Und wer von Ihnen wieviel? Was heißt Rassismus im Alltag?"

Zu wenige öffentliche Expertenmeinungen

Dabei seien die Stimmen von Wissenschaftlern oder anderen Fachleuten zu kurz gekommen, überwiegend seien die Stimmen unmittelbar Betroffener zu hören, so ihr Eindruck.
Was es vor allem bräuchte, seien unabhängige Beschwerdestellen und in der Folge endlich auch belastbare Statistiken, schlägt die Journalistin vor. Denn: "Wir wissen ganz wenig über Rassismus." Etwa über Racial Profiling, das dazu führe, dass Menschen allein weil sie "südländisch" aussähen unter besonderer Beobachtung stünden oder häufig von der Polizei kontrolliert würden.

Es braucht konkrete Konzepte

Zwar gebe es mittlerweile in vielen Regionen auch in den Reihen der Polizei deutlich mehr Diversität. Doch genau das führe auch zu einem Trugschluss: "Es ist ein Mythos, dass mehr Diversität automatisch zu einem Abbau von Rassismus führt." Gerade auch in diversen Teams könnten rassistische Vorurteile deutlich zum Tragen kommen. Es brauche deshalb mehr – nämlich konkrete Konzepte gegen Rassismus.
Die Journalistin Ferda Ataman.
Diversität verhindere nicht automatisch Rassismus, meint Journalistin Ferda Ataman.© imago / Metodi Popow
Als eine große Herausforderung sieht Ataman den Drang, Rassismusdebatten aus den USA Eins zu Eins auf Deutschland anwenden zu wollen, denn das funktioniere oft nicht, weil die Probleme in Deutschland andere seien.
(mkn)

Ferda Ataman ist Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Sie ist Sprecherin der "neuen deutschen organisationen" und Mitbegründerin der Initiative "Neue deutsche Medienmacher*innen". Ataman schreibt regelmäßig als Kolumnistin für "Spiegel Online".

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