"Das ist eine Schande"
Spätestens seit dem Münchner Fund ist die Rückgabe von Kunst an die Erben jüdischer Sammler und Händler wieder ein großes Thema. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, fordert, Museen müssten gezwungen werden, transparenter zu arbeiten.
" Wir sind heute Abend hier, um über Kunst zu reden. Genauer gesagt über Kunstwerke, welche Juden entwendet wurden durch die Nazis. Diese Kunstwerke sind die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Knapp 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der 60 Millionen Menschen das Leben kostete und unfassbares Leid brachte, diskutieren wir leider immer noch über die Ergebnisse des NS Kunstraubs."
Am Anfang seiner Rede stand ein dramatischer Appell – und auch im weiteren Verlauf fand Ronald S. Lauder immer wieder eindringliche, deutliche Worte.
"Leider ist es so: Nach der Washingtoner Erklärung von 1998 hatte jeder gehofft, auf dieser Basis das Thema Raubkunst abschließen zu können. Und für die meisten Länder gilt das auch. Das einzige Land, das hier seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, ist Deutschland. Das ist eine Schande, gerade weil Deutschland sich sonst bei der Aufarbeitung seiner Geschichte so positiv hervorgetan hat."
Das, was die Deutschen mit der Washingtoner Erklärung mit unterzeichnet haben, haben sie nach Lauder nicht erfüllt. Nämlich von den Nazis geraubte, erpresste Kunst zu identifizieren und dann nach fairen und gerechten Lösungen mit jüdischen Erben zu suchen. Vielmehr verlaufe die Forschung in den Museumsarchive immer noch schleppend. Die Häuser reagierten oft nur auf Nachfragen zum Thema Raubkunst und hielten manchmal gar wider besseres Wissen ihre Informationen zu Raubkunst in ihren Beständen zurück.
Das sei auch einer unklaren Rechtslage geschuldet: ein Rückgabegesetz müsse her und über eine Aufhebung von Verjährungsfristen im Zusammenhang mit geraubter Kunst nachgedacht werden. Ein Gremium wie die vor 20 Jahren einberufene Limbach Kommission, die in strittigen Fällen zwischen Museen und Erben jüdischer Sammler angerufen werden kann, um im Sinne der Washingtoner Erklärung zu beraten, reicht Lauder da nicht aus. Zu wenig könne sie entscheiden, zu eng sei ihr Fokus.
"Sammlungen von Kunstmuseen überprüfen"
"Die Kommission und ihre Mitglieder sollten von internationalem Rang sein und für sie sollten die weltweit führenden Provenienzforscher sowie weitere Experten arbeiten. So sollen Museen die sich bislang gesträubt haben, gezwungen sein transparenter zu arbeiten. Die Kommission sollte die Sammlungen von Kunstmuseen überprüfen, einen Bericht und Schlussfolgerungen verfassen, versuchen, die Opfer bzw. deren Erben zu ermitteln und eine faire und gerechte Lösung anbieten."
So klar seine Forderungen, so vage blieb Lauder allerdings, was die Abgrenzung bzw. Zusammenarbeit mit bestehende Einrichtungen in Deutschland betrifft: die bei den Berliner Staatlichen Museen angesiedelte Arbeitsstelle für Provenienzforschung, das Lost Art Register, das Verdachtsfälle publik machen soll, die besagte Limbach Kommission und die kürzlich für die Aufklärung des Falles Gurlitt gegründete, international besetzte Task Force.
Auch die Differenzierung zwischen Restitutionsbelasteter Kunst, die sich in Staatlichen Museen befindet und solcher in privaten Sammlungen, suchte Lauder nicht en Detail. Obwohl sich hier gerade was die Anwendung der Washingtoner Erklärung betrifft große Unterschiede auftun – hat doch die Erklärung Kunst in Privatbesitz nicht mit einbezogen.
Eine hochkomplexe Sachlage, moralisch wie rechtlich, ein Thema dessen Aufarbeitung sich zwangsläufig in den Grauzonen deutscher Geschichte bewegt also, das Ronald S. Lauder in seiner Rede mitunter etwas vereinfacht hat. Nichts desto trotz: sein eindringlich formulierter Appell zur aktiveren Recherche, zur Suche nach Gerechtigkeit auch 70 Jahre später sollte nicht ungehört bleiben. In einer Zeit, in der von 6000 deutschen Museen immer noch nur 350 Provenienzrecherche betreiben und von 600-tausend von den Nazis geraubten Werken sich vielleicht noch tausende in öffentlichen Sammlungen befinden, oder repräsentativ Politikerbüros schmücken.