Raubkunst

Politik greift im Kunsthandel nicht durch

Zwei Menschen schieben ein großformatiges Bild durch einen Raum.
Dieses geraubte Bild wurde zurück gegeben. © Fredrik von Erichsen dpa/lhe (zu dpa-lhe 7137
Von Konstantin Sakkas |
Gegen den Handel mit Raubkunst, ob aus jüdischem Besitz oder aus antiken Stätten entwendet, müsste schärfer vorgegangen werden, fordert der Journalist Konstantin Sakkas. Andernfalls verhielte sich Deutschland politisch und moralisch unglaubwürdig.
Banken und Kunsthandel lieben es diskret. Weshalb sie bei einer ebenso illustren wie kriminellen Kundschaft beliebt sind, bei Leuten, die Geld waschen und Steuern hinterziehen oder im Verborgenen spekulieren und Geschäfte machen. Den Vermögensberatern sind Fahnder und Aufsichtsbehörden mittlerweile auf den Fersen.
Der Kunsthandel wurde zwar häufig angezählt. Mehr als ein zweifelhafter Ruf ist dabei aber nicht an ihm haften geblieben. Er steht im Verdacht, verschlungene Wege zu schaffen oder zu decken, auf denen gefälschte oder gestohlene Kunstwerke ihre unerkannten Besitzer wechseln und wertvoll bleiben, auch wenn sie von der Bildfläche verschwinden.

Hehlerei wurde bislang nicht das Wasser abgegraben

Es gelang bislang nicht, dem Kunstraub und mehr noch der Hehlerei das Wasser abzugraben, vor allem nicht jener vernetzten Gaunerei, die gleichermaßen historisch und politisch belastet ist. Dem verständnisvollen Reden der Politiker folgte noch selten der Wille, im Kunsthandel durchzugreifen – noch weniger als in anderen prekären Branchen.
Der Fall Gurlitt, des Sohnes von Hitlers Kunstsammler Hildebrand Gurlitt, der sofort Restitutionsforderungen enteigneter jüdischer Besitzer nach sich zog - rückte das klassische Feuilletonthema Raubkunst ins öffentliche Bewusstsein.
Und noch immer sind hier viele Fragen offen: So prozessieren etwa in den Niederlanden die Enkel des 1949 verstorbenen jüdischen Kunsthändlers Kurt Walter Bachstitz seit Jahren um die Rückgabe von Kunstwerken, die ihr Großvater im deutsch besetzten Holland unter Zwang verkaufen musste.
Und wie gerufen, kamen kürzlich die "Panama Papers". Sie halfen den Schweizer Behörden, das Portrait des "sitzenden Mannes mit Stock", eine Arbeit von Amedeo Modigliani, in einem Genfer Freilager zu finden und zu beschlagnahmen. Es gehörte einst dem jüdischen Kunstsammler Oscar Stettiner, dem das Werk von den Nationalsozialisten weggenommen worden war.

"Panama Papers" dokumentieren die Verschleierung

Als derzeitige Eigentümerin gilt eine Briefkastenfirma, hinter der ein New Yorker Galerist stecken soll. Der wiederum will von der Sache nichts gewusst haben und lässt seinen Anwalt mitteilen, sein Mandat wolle Beweise zu den Besitzverhältnissen sehen.
Womit das Ärgernis beschrieben wäre. Von Kunsthändlern, Ausstellern und Auktionshäusern ist eigentlich zu erwarten, dass sie von sich aus die Herkunft, die Provenienz von Kunstwerken ermitteln, anstatt arglos oder scheinheilig Transparenz zu verweigern. Doch selbst Sotheby’s und Christie’s blocken hier gern ab.
Unter dieser einträglichen Diskretion boomt auch der Handel mit geraubter antiker Kunst. Auf bis zu acht Milliarden Euro wird der Umsatz geschätzt, beinahe so voluminös wie illegaler Waffen- oder Drogenhandel. Seit einem Jahr verfolgt eine Task Force des Bundeskriminalamts die Rattenlinie vom Orient nach Europa und Deutschland.
Zwar ist hierzulande die Einfuhr von Kunstgütern verboten, die in ihrem Herkunftsland offiziell als schützenswert eingestuft wurden. Doch das, was Grab- und Tempelräuber zu Tage fördern und internationalen Händlern für deren zahlungskräftige Abnehmer verkaufen, ist nirgendwo amtlich registriert, schon gar in Bürgerkriegsregionen.

Auktionshäuser müssen zur Provenienz verpflichtet werden

Was tun? Die gesetzlichen Regelungen könnten durchaus verschärft und der Kunsthandel gezwungen werden, sich vom Dunstkreis des Illegalen zu distanzieren. Das Prinzip ist alt, eine Ware ohne prüffähigen, vollständigen Herkunftsnachweis setzt Händler und Käufer dem Verdacht der Hehlerei aus.
Dem Kunstraub nur halbherzig Einhalt zu gebieten, beschädigt besonders dort unsere politische Glaubwürdigkeit, wo jüdische Alteigentümer an der Nase herumgeführt werden, wo vom Antikenraub in europäischer Nachbarschaft ungehindert profitiert wird. Dort eben, wo Diskretion zur Täuschung geworden ist.

Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.

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