Countdown für fliegende Getränkedosen
"CanSat" heißt ein Wettbewerb, mit dem die Europäische Weltraumbehörde ESA Jugendliche für die Raumfahrt und technische Berufe begeistern will. Die Aufgabe: Die Schüler simulieren eine Weltraummission, indem sie einen Minisatelliten in den Himmel schießen.
Team "Käthe Space Program" hat noch Probleme. Die fünf Schüler des Berliner Käthe-Kollwitz-Gymnasiums haben sich an einem Tisch um ihren "Patienten" gruppiert: den in seine Einzelteile zerlegten Minisatelliten. Auf dem Tisch liegen Elektroden, ein kleiner Lötkolben, zwei Laptops, dazu die Dose, in der die gesamte Elektronik verbaut wird und die tatsächlich an eine Halbliter-Getränkedose erinnert – CanSat eben.
Julian: "Wir haben gerade den letzten Check gemacht und haben gerade gemerkt, dass die Spannung irgendwie viel zu hoch ist, obwohl das eigentlich nicht sein kann, weil gestern Abend, ohne dass wir etwas verändert haben, sie eigentlich richtig war. Wir messen verschiedene Gaswerte, darunter Methan, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid. Zusätzlich messen wir UV-Strahlung und Luftfeuchtigkeit, und damit erstellen wir dann ein Atmosphärenprofil, vergleichen die Werte mit denen vom Boden und auch mit Werten aus der Stadt und wollen dann eigentlich herausfinden, ob Höhenluft wirklich gesünder ist als Stadtluft."
Nach zehn Minuten hat Julian, 16 Jahre alt, die Sache mit der Spannung erledigt, die Berliner sind startklar. Genauso wie Kai, Markus, Fiona und Sophia, die als "Team Spaece" bei CanSat mitmachen und ihren Minisatelliten beim ersten Start heute um 12 Uhr in den grauen Himmel über Rotenburg jagen werden. Die vier Zehntklässler gehen auf das Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach, sind mit 15 die Jüngsten hier heute und hatten die weiteste Anfahrt in die norddeutsche Tiefebene.
Kai: "Also das ist unser Satellit, der besteht aus einer Menge Kleber und zwei Carbonteilen und einem Arduino, das ist ein Mikrocontroller, den wir da eingebaut haben, damit wir die Gase der Sensoren auch auslesen können und dann auf einer SD-Karte speichern."
Alle CanSats im Wettbewerb müssen Luftdruck und Temperatur messen, die Pflicht quasi. Eine zweite Aufgabe, die so genannte sekundäre Mission, überlegen sich die Schüler selbst. Team Spaece misst hier bestimmte Gase, während ihr Minisatellit am Fallschirm gen Erde fällt.
Fiona: "Also das LPG-Gas Ethan, Propan und Buthan, Kohlenstoffmonoxid und Methan, die hängen auch sehr mit dem Treibhauseffekt zusammen. Und dann wollten wir die einfach mal messen, um den Zusammenhang einfach besser erklären zu können und halt auch mit alten Messungen zu vergleichen..."
Fünf Minuten später müssen sich alle Teams draußen vor dem Flugfeld einfinden. Sicherheitseinweisung durch Christian Siegmund von der Hochschule Bremen:
"Man kann im Stehen einfach besser ausweichen, wenn Objekte auf einen zukommen, das hört sich jetzt lustig an. Das ist aber so, also bitte stehen! Und die zweite wichtige Regel: Rakete im Auge behalten..."
Nachwuchsförderung für die Raumfahrt
Inmitten der Schüler steht auch Dirk Stiefs vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Bremen. Er hat die zehn Teams mit einer Jury ausgewählt und weiß, worauf es ankommt beim CanSat-Wettbewerb: Die Technik soll natürlich funktionieren, belastbare Messergebnisse liefern. Aber auch der Lernfortschritt der Teams spielt eine Rolle und ihre PR-Arbeit: Wie verkaufen die Schüler quasi ihr wissenschaftliches Produkt im Vorfeld?
"Das ist natürlich Nachwuchsförderung für Raumfahrt, aber auch allgemein Naturwissenschaften, Technik. Da werden ja Fachkräfte dringend gesucht, und da muss man früh anfangen, für Nachwuchs zu sorgen. Und das Schöne an dem Wettbewerb ist, dass es nah an echten Raumfahrtmissionen gestaltet ist und dass die Schüler quasi schon diese Projektarbeit, die Dokumentation und alles kennenlernen und auch in einem frühen Stadium da Erfahrungen sammeln."
"So, startbereit, und wir starten in fünf, vier, drei, zwei, eins..." (Rakete startet)
Um kurz nach zwölf ist es dann soweit, zwei Minisatelliten sind in der 1,70 Meter langen Rakete verstaut. Die wird in rund 500 Meter Entfernung gestartet, ist nur kurz zu sehen, bevor sie im milchig-grauen Himmel verschwindet.
Team Spaece aus Lörrach findet seine Satelliten-Dose später in einem Gewerbegebiet hinter dem Flugplatz, der Wind hat das Teil samt Mini-Fallschirm weit abgetrieben.
Kai: "Das ist unser Satellit! Also das Carbon ist nicht gebrochen, sieht leicht ramponiert aus, weil der Kleber hat nicht so gut gehalten, wie wir dachten. Aber im Endeffekt, denken wir, ist alles heil geblieben."
Auch die SD-Karte ist intakt, wie sich später zeigt, und hat die wichtigsten Messdaten gespeichert. Mission erfüllt für Team Spaece an diesem Vormittag!