Rauminstallationen auf der documenta 14

"Die heutige Universität ist kaputt"

Der griechische Architekt, Stadtplaner und Theoretiker Aristide Antonas
Der griechische Architekt, Stadtplaner und Theoretiker Aristide Antonas © Deutschlandradio / Britta Bürger
Aristide Antonas im Gespräch mit Britta Bürger |
Mit "Empty University" hat der Architekt Aristide Antonas auf der documenta Rauminstallationen entworfen, die Platz für Begegnungen schaffen sollen. Damit möchte er der Vereinsamung der Menschen entgegenwirken und Diskussionen fördern.
Der griechische Architekt, Stadtplaner und Theoretiker Aristide Antonas lebt und arbeitet in Athen und Berlin. Seit langem befasst er sich mit Leerstand, Brachen und Ruinen. Aus der Beschäftigung mit dem Verfall der Städte entstand seine "Theorie der Lücke". Für die documenta hat er Räume der Athener Kunsthochschule umgestaltet. Unter dem Titel "Empty University" entwickelt er in Räumen der Athener Kunsthochschule offene Rauminstallationen – nichts Fertiges, sondern Vorschläge in der Art von Regie-Anweisungen für neue Modelle von Zusammenkünften.
Britta Bürger: Ich bin mit dem Architekten und Autor vor der heutigen Kunsthochschule, einem Standort der Kunsthochschule – in der ehemaligen Technischen Universität. "Polytechneio", dieser Begriff steht nicht nur für das Gebäude, sondern für ein historisches Ereignis, das zum kollektiven Gedächtnis der Griechen gehört – der Studentenaufstand gegen die Junta 1973. Aristide Antonas, was bedeutet Ihnen dieser Ort?
Aristide Antonas: Dieser Ort ist ziemlich wichtig für Athen, aber auch für mich selbst, ich habe hier studiert. Es ist ein stigmatisierter Ort, ein geschichtsträchtiger Ort, der durch seinen Bezug zum Studentenaufstand eine enorme Kraft ausstrahlt. Es ist interessant, dass der Studentenaufstand vom 17. November eine doppelte Bedeutung hat. Einerseits assoziiert man damit die Terrororganisation "17. November", andererseits ist der 17. November auch ein Feiertag in Griechenland, an dem in den Schulen an den Studentenaufstand gedacht wird.
Der griechische Architekt Aristide Antonas, aufgenommen auf der documenta 14
Der griechische Architekt Aristide Antonas© Deutschlandradio / Britta Bürger
Britta Bürger: Hier ist ziemlich viel Verkehr – wir gehen deshalb jetzt mal in das Gebäude rein – da haben wir ein bisschen mehr Ruhe. Sie haben sich in vielen Projekten mit der Stadt Athen auseinandergesetzt – mit ihrer Geschichte, ihren Brüchen, ihren Lücken, ihrem Leerstand. Bei der documenta bespielen Sie nun die Universitäten – "Empty university" heißt das Projekt. Was hat Sie am derzeitigen Zustand der Kunsthochschule herausgefordert?
Aristide Antonas: "Empty University", die leere Universität, ist eine Auswahl von Gegenständen, die wie in einem Bühnenbild zusammengestellt werden und gewissermaßen Begegnungen und Versammlungen ermöglichen. Es handelt sich – wie bei einem Theaterstück – um ein Drehbuch für Begegnungen, das so frei gestaltet ist, dass unvorhergesehene Zusammenkünfte ermöglicht werden. Ich teste die Grenzen der gegenwärtigen Universität aus, da ich glaube, dass die heutige Universität kaputt ist. Die Universität ist verschiedenen Angriffen ausgesetzt, die auf sie einhämmern. Ich habe hier versucht, Anordnungen von Möbeln und Gegenständen zu verdichten.
Britta Bürger: Das sind Anordnungen von Kissen, Hockern, Tischen, Stühlen, Mikrofonen, Lautsprechern, Projektoren, Scheinwerfern. Dazu gibt es ein Handbuch mit Vorschlägen, wie man diesen Versammlungsraum nutzen kann. Geben Sie mal ein Beispiel, was man hier machen kann?
Aristide Antonas: Mich interessiert nicht so sehr die Form und die Bezeichnung der Gegenstände. Viel mehr interessiert mich, wie sie – wie in einem Theaterstück – mit dem Ort korrespondieren und damit unvorhergesehene Begegnungen ermöglichen. Sie werden zur Grundlage für die Zusammenkunft von Menschen, die miteinander diskutieren und zueinander finden.

Theater und Kinos "fehlt die Existenzgrundlage"

Britta Bürger: Wenn wir davon ausgehen, dass es also um Zusammenkunft geht – dass Menschen zusammenkommen, um etwas Neues anzufangen – ist das etwas, was im Moment fehlt hier in der Stadt – Räum, in denen Menschen zusammenkommen?
Aristide Antonas: Ja, ein Problem der Universität heute ist, dass es keinen Grund mehr gibt, dort anderen Menschen zu begegnen. Die Anlässe sind verloren gegangen. Die Menschen neigen dazu, alleine zu sein – in einer Stadt, die immer mehr zum Unterbau des Internets wird. Früher gab es das Theater und das Kino als architektonische Räume. Heute glaube ich, dass all diese Gebäude Ruinen ihrer selbst geworden sind. Ihnen fehlt die Existenzgrundlage. Wir brauchen – meiner Meinung nach – solche Bühnenbilder, die in einem kleineren Rahmen darauf zielen, Versammlungen von Menschen zu ermöglichen – umgeben von Projektoren und Lautsprechern – wo das Internet hinreicht, die aber von vielen genutzt und geteilt werden können.
Britta Bürger: Das heißt, wann immer wir auf dieser documenta Hocker, Stühle, Matratzen, Mikrofonständer sehen, sollte man genauer hinsehen, weil all das gehört zum Werk von Aristide Antonas und ruft uns dazu auf, was man mit diesem Werk anfangen kann.