Raumklang aus dem Rechner

Von Michael Engel |
Firmen aus aller Welt schicken ihre Hörgeräte nach Oldenburg, um sie in einem Spezialraum testen zu lassen. Dort kann man auf Knopfdruck den Raumklang verändern und Störgeräusche einblenden. So lässt sich eine Bahnhofshalle simulieren oder der Klang einer voll besetzten Cafeteria.
Eigentlich ist der Raum, in dem das "Duo Diagonale" ein Konzert gibt, nur sieben mal zwölf Meter groß. Doch es klingt, als spielten die Künstler in einer Bahnhofshalle. Die beiden Musiker sitzen im sogenannten "Kommunikationsakustik-Simulator" Oldenburg, vom Anschein her eher ein gewöhnlicher Seminarraum, erklärt Niklas Grunewald von der Technik:

"In diesem Raum kann man die Nachhallzeit verändern. Zur Zeit hat der Raum eine Nachhallzeit von circa 0,3 Sekunden. Wenn ich das allerdings mal in eine Bahnhofshalle umstelle, hört man ein sehr starke Verhallung, die tatsächlich bis zu 6,5 Sekunden im Raum verharrt."

Nicht nur die "Bahnhofsatmosphäre" kann auf Knopfdruck via Fernbedienung simuliert werden. Der angeschlossene Hochleistungsrechner kennt die klanglichen Eigenheiten von Kirchen und Konzertsälen, Klassenzimmern und Cafes, erklärt Professor Birger Kollmeier, wissenschaftlicher Sprecher der Einrichtung:

"Die zugrunde liegende Technik besteht aus insgesamt 24 Mikrofonen und 36 Lautsprechern. Die Mikrofone nehmen den Schall im Raum auf. Dieser Schall wird verzögert und etwas gefiltert, also im Klang etwas verändert, und an die Lautsprecher wieder gegeben, sodass die Lautsprecher ein Echo von den Wänden simulieren, wobei durch die Verzögerung es den Anschein hat, als wenn der Raum akustisch größer geworden ist, weil die Echos akustisch von den weiter weg gelegenen Wänden sozusagen kommen."

Grunewald: "Wir wechseln den Raum jetzt noch einmal in eine Cafeteria, wobei wir einmal die Raumakustik verändern und zum anderen auch die Situation in den Geräuschumgebungen in dem Raum verändern können. Das heißt, wir haben jetzt hier verschiedene Geräusche aus verschiedenen Richtungen, die Tassengeklapper oder Schritte oder auch Gespräche beinhalten."

680.000 Euro hat die Technik gekostet. Auch wenn die in Europa einmalige Einrichtung hin und wieder für musikalische Auftritte genutzt wird, so ist doch der eigentlich Zweck ein anderer: Hörgerätehersteller schicken ihre Neuentwicklungen - bevor sie in Serie gehen - nach Oldenburg, um die Geräte in den schwierigsten akustischen Umgebungen zu testen.

Kollmeier: "Das ist wichtig, weil wir in relativ kurzer Zeit mit relativ vielen Patienten Tests durchführen, und wichtig ist eben für die modernen Hörhilfen, dass sie nicht nur in akustisch einfachen Situationen einen Gewinn bringen, sondern gerade die akustisch schwierigen Situationen, wo viele Menschen durcheinander reden, oder wo es viel Nachhall gibt, das sind die Herausforderungen an die moderne Technik, damit die schwer hörenden Patienten, mit denen wir es hier zu tun haben, aus ihren Hörgeräten den maximalen Vorteile ziehen können."

Häufig wollen die schwerhörigen Testpersonen, die im Kommunikationsakustik-Simulator die neuesten Prototypen europäischer Hersteller ausprobieren, die Hörgeräte gar nicht mehr hergeben. Der Klang sei einfach fantastisch. Jedoch: Bei dem "Elchtest für Hörgeräte" handelt es sich um Prototypen, die es noch gar nicht im Handel gibt.

Grunewald: "Wir haben auch die Möglichkeit, hier in diesem Raum verschiedene Klassenraumsituationen zu erstellen. Das heißt, wir können auch die Akustik in eine schlechte Klassenraumakustik umwandeln. Diese Klassenraumakustik ist leider kein erdachtes Szenario, sondern tatsächlich ein vorhandener Raum in einer benachbarten Grundschule gewesen. Wir schalten jetzt noch einmal eine Schulklasse dazu und sie werden merken, mein Sprechen geht in diesem Lärm und in dieser Akustik sehr stark unter."

Häufig liegen Lernprobleme an der schlechten Akustik im Klassenzimmer. Halleffekte erschweren die Verständlichkeit, ermüden, die Kinder schalten ab. In der Grundschulklasse hängen jetzt schalldämpfende Elemente. Ein paar Euro - und das Lernklima hat sich erheblich gebessert. Und auch sonst hat sich das Oldenburger "Haus des Hörens" herumgesprochen - als Konzertsaal für Spezialeffekte:

Kollmeier: "Und dass man dann die Akustik und den ganzen Raumeindruck hat, als wenn man in einem großen riesigen Raum sitzt. Als wenn man in der Berliner Philharmonie oder im Petersdom sitzt. Und das Faszinierende ist, dass die Musiker in der Lage sind, den Raum jeweils ihrem Musikstück anzupassen. Und manche Musiker schalten sogar während des Stückes die Akustik um, weil Teile eben besser in einer Kirche klingen, und andere Teile klingen eben besser in einem Opernraum."