Raus aus dem Depot!

Von Alexandra Gerlach |
Der Tag der Wiedereröffnung des historischen Grünen Gewölbes in Dresden rückt näher: Am 15. September wird die einstige Schatzkammer Augusts des Starken nach Jahren der Vorbereitungen für die Öffentlichkeit eröffnet. Nun hat das Einrichten des Grünen Gewölbes im Dresdner Residenzschloss begonnen.
"Genau das möchte ich haben, so ist es, also richtig so ein, so eine, … so eine Pracht!
Gefällt es Ihnen?
Ja, hm,..."

Mit leuchtenden Augen steht Professor Dirk Syndram im Pretiosensaal des Dresdner Residenzschlosses. Auf diesen Moment hat der Direktor des Grünen Gewölbes lange gewartet. Die ersten Schmuckkonsolen vor den großen Spiegelwänden werden bestückt. Nach Jahren der Vorbereitung rückt der große Tag der Wiedereröffnung des historischen Grünen Gewölbes, der Schatzkammer Augusts des Starken immer näher. Anfang September ist es soweit, bis dahin haben der Direktor und seine Restauratoren noch alle Hände voll zu tun:

"Was wir hier einrichten – das Grüne Gewölbe – ist nicht das Grüne Gewölbe, das 1942 verlagert wurde, beziehungsweise 1938 also in seiner alten Funktion geschlossen wurde, sondern das ist das Grüne Gewölbe weitestgehend von 1733 also aus dem Todesjahr Augusts des Starken."

Eingerichtet werden die acht wieder hergerichteten, historischen Säle nun nach Inventarlisten aus genau dieser Zeit. Dennoch passt manches nicht auf Anhieb so zusammen, wie gewünscht. Reingard Albert, langjährige Ausstellungsarchitektin im Grünen Gewölbe hat ihre handgezeichneten Pläne mitgebracht, wonach nun die kostbaren Kleinode, Vasen, Pokale, Gemmen, Schalen und Schmuckkästchen auf geschnitzten und vergoldeten Konsolen an den Wänden platziert werden:

"Professor Syndram hat für die einzelnen Bögen die Stücke ausgesucht und auch schon eine Vorgabe gemacht, ich habe dann durch genaue Zeichnungen 1:10 ermittelt, ob es ein gutes Bild ergibt, oder ob ein Stück bedrängt wird, durch die Üppigkeit der Konsolen und bin jetzt bei Einrichten dabei um zu sehen, ob es auch wirklich so stimmt."

Jedes Stück trägt eine Nummer und wird samt neuem Standplatz akribisch registriert, damit man später auch noch weiß, wo es hingekommen ist.

"Das ist die Krönung meines beruflichen Lebens…"

Mit weißen Handschuhen und äußerster Vorsicht gehen die Restauratoren zu Werke, beim Bestücken der Konsolen. Chefkonservatorin Jutta Kappel legt selbst Hand an und navigiert zwei Kollegen, die äußerst behutsam eine Leiter vor der Konsolwand platzieren:

"Es ist spannend, aufregend, es verzaubert einen auf sonderbare Weise, also wir haben ja eine ganz besondere Beziehung zu den Stücken, ich bin ja Oberkonservatorin, seit 18 Jahren, im Grünen Gewölbe sie bekommen einen ganz neuen Klang in den Räumen, auf den Wänden, also das ist das, was uns bei der vielen Arbeit unglaublich bewegt und mit Freude erfüllt, also, wie sie in den Räumen leben."

Jetzt, in der Phase der Komposition liegt die besondere Herausforderung in der perfekten Anordnung der Exponate. Manch eine Schale muss auf Geheiß des Direktors noch etwas gedreht oder gar umgesetzt werden, das Gesamtbild soll harmonisch sein. Für die, die die wertvollen Stücke umsetzen müssen, ist diese Phase besonders kritisch. Restauratorin Eva Begov arbeitet auf der Leiter. Für das kurze Interview sucht sie sich lieber festen Boden unter den Füßen. Ihre ständige Sorge:

"Na, das einem mal was aus der Hand rutscht beim Übergeben, wenn man da auf der Leiter steht, das ist doch ziemlich hoch, und wenn man da, vier Mal wird so ein Stück übergeben, und bei 3000 Stücken, das man da mal daneben langt, die Angst ist einfach immer da!"

Die Exponate müssen einen sicheren Stand haben, dürfen nicht rutschen und werden mit speziellen, extra gefertigten Fixierungen an den Konsolen befestigt. Doch bis es soweit ist, werden die Wände erst einmal fertig bestückt, katalogisiert, dann fotografiert, wieder abgeräumt und erst danach geht es in die Endphase des Einrichtens.

Syndram: "Also hier an diese Wände kommen die Nautilusschalen , also es wird üppig, wahnsinnig üppig, Nautilusschalen und Seeschneckengehäuse und Straußeneier und dort an der Schmalwand kommt nur Bergkristall, das ist dann eigentlich die prächtigste Wand."

Das 1723 bis 1729 eingerichtete Grüne Gewölbe gilt als eine der reichsten Schatzkammern Europas. Ihren Namen verdankt die Sammlung den malachitgrünen Abfärbungen einzelner Bauteile im Pretiosensaal des Dresdner Schlosses, die heute hinter verspiegelten Säulen verborgen sind. Neben dem Juwelenzimmer, das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingerichtet ist, galt der prachtvolle Pretiosensaal schon zu Zeiten Augusts des Starken als wichtiges Werbemittel im Ringen um den polnischen Thron. Dirk Syndram:

"Hier konnte jeder sehen, wie das Konto des Kurfürsten ausgestattet war."

Ab dem 15. September wird das Historische Grüne Gewölbe für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Der Zugang erfolgt ausschließlich über so genannte Zeitkarten, die im Internet gebucht werden können. Da die Exponate in den historischen Räumen außergewöhnlich frei stehen werden, führt der Weg nach drinnen und draußen wie in einen großem Tresor, über eine spezielle Schleuse, die nicht nur dafür sorgt, dass die Besuchter nicht allzu viel Staub in die Ausstellung hineintragen:

"Man wartet immer so ungefähr 20 Sekunden, und ... außerdem schließen eben auch diese Schleusen, wenn hier richtig Alarm ausgelöst wird, … also geröntgt werden sie nicht, das kann ich Ihnen sagen, mehr sage ich nicht über die Schleuse, aber sie gibt und ziemlich viel Sicherheit."
Eine Restauratorin untersucht die "Zierschale mit ruhendem Herkules" von Johann Melchior Dinglinger aus dem Jahre 1713. Sie besteht aus Gold, Perlen, Emaille und Edelsteinen und ist normalerweise im Grünen Gewölbe in Dresden zu sehen.
Eine Restauratorin untersucht die "Zierschale mit ruhendem Herkules" von Johann Melchior Dinglinger aus dem Jahre 1713.© AP