Raus aus der EU-Krise mit Sarkozy
Noch fünf Monate und ein paar Wochen bleiben der französischen EU-Präsidentschaft, um die Gemeinschaft der 27 aus einer bedrohlichen Krise zu führen. Das reicht kaum für die wichtigsten Ziele.
Bereits im August vergangenen Jahres ließ Präsident Nicolas Sarkozy zur gründlichen Vorbereitung die Konferenz französischer Botschafter über seine Pläne informieren: Fortschritte in der Energie- und Umweltpolitik. Verbindliche Einwanderungsregeln für alle EU-Mitgliedsländer. Wichtig ist Sarkozy eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, ferner eine Bestandsaufnahme der Agrarpolitik. Prestigeträchtig für Sarkozy und ganz im Stil seiner relativen Unberechenbarkeit wurde die Agenda noch um die Gründung einer Mittelmeerunion erweitert, anfangs sehr zum Ärger auch der deutschen Regierung. Und schließlich soll die wichtigste organisatorische Klammer für die Union, der Europäische Reformvertrag, Anfang nächsten Jahres wirksam werden.
Minister und Ministerinnen in Paris wurden geradezu verdonnert, diese Ziele energisch zu verfolgen. Sarkozy plant für sich einen Erfolg, der ihm und Frankreich so etwas wie eine Sprecherrolle für Europa über die französische EU-Präsidentschaft hinaus sichern soll. Das wäre auch gutes Timing, weil noch während Sarkozys europäischer Präsidentschaft der neugewählte, allerdings dann noch nicht amtierende, amerikanische Präsident transatlantisch begrüßt werden könnte.
Die Vorbereitungen wurden gestört. Alles kam anders, wie wir wissen: Die globale Finanzkrise zusammen mit inflationären Energie- und Lebensmittelpreisen verlangen schnelle Reaktionen. Dazu der Schock von der Grünen Insel: Gut 53 Prozent der Iren lehnten die Ratifizierung des Europäischen Reformvertrages ab. Das wichtigste Instrument für die Funktionsfähigkeit der Union kann bis auf weiteres nicht aktiviert werden. Jetzt ist der französische Präsident als Krisenmanager gefordert. Beurteilt nach seinen Auftritten in den ersten Tagen der EU-Präsidentschaft nimmt er die Rolle sehr ernst.
Wer es mit der Europäischen Union gut meint, müsste froh sein, dass ein urständiges und großes EU-Land wie Frankreich die Präsidentschaft inne hat, bis am 1. Januar die Tschechische Republik ablöst. Ein politisches Temperament wie Staatspräsident Sarkozy an der Spitze der EU muss in dieser Situation kein Nachteil sein. Sein Einfallsreichtum, der in der Vergangenheit nicht selten in Überrumpelung ausartete, Partner verschreckte und als Reaktion zu spöttischen Karikaturen reizte, könnte aus dieser Krise helfen. Es ist im Ansatz richtig, dass Präsident Sarkozy in Brüssel Bürgernähe anmahnt und sich zusammen mit der EU-Kommission um stärkeren Schutz der Bürger bemühen will. Schutz oder Sicherheit sind in diesem Falle Oberbegriffe für politisches Handeln, das sich am Gemeinwohl orientiert und Vertrauen der Bürger zurückgewinnen will. Deshalb kommt hier Programmpunkten wie Energie- und Umweltpolitik, stabilen Finanzmärkten, sozialer Abfederung, sowie einer Sicherheitspolitik in Zeiten von Terror und regionaler Kriege große Bedeutung zu. Selbstverpflichtung zum Erfolg und Durchsetzungswille machen Sarkozy in dieser Lage stark. Zur Seite steht ihm, wie jedem französischen Präsidenten, ein exzellenter Beamtenapparat. Last but not least wird ein enger Schulterschluss mit Berlin, mit oder ohne Handkuss für Madame Merkel, den Entscheidungsprozess voranbringen.
Bei den unzufriedenen Iren könnte Überredungskunst mit Substanz zum Erfolg führen. Vielleicht können ja die Iren noch rechtzeitig nachvollziehen, wie gut ihnen die vielen Milliarden aus Brüssel getan haben. Die deutschen Bundesverfassungsrichter könnten sich bei aller Unabhängigkeit vom Tempo Sarkozys anstecken lassen und bald Klarheit in das deutsche Ratifizierungsverfahren bringen. - Und Polen? Einer der Kaczynski-Zwillinge ist sich immer gut genug, gegen die Europäische Union zu querulieren. Sollte das Reformwerk an solchen Einwürfen von der Seitenlinie scheitern, dann wird Sarkozy die Vorschläge für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten oder für ein Kerneuropa wieder hervorholen. Von der kürzlich berichteten Entscheidungsfreude in Brüssel am Krümmungsgrad von Gurken kann die Europäische Union auf Dauer nicht existieren, es sei denn als Aprilscherz.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.
Minister und Ministerinnen in Paris wurden geradezu verdonnert, diese Ziele energisch zu verfolgen. Sarkozy plant für sich einen Erfolg, der ihm und Frankreich so etwas wie eine Sprecherrolle für Europa über die französische EU-Präsidentschaft hinaus sichern soll. Das wäre auch gutes Timing, weil noch während Sarkozys europäischer Präsidentschaft der neugewählte, allerdings dann noch nicht amtierende, amerikanische Präsident transatlantisch begrüßt werden könnte.
Die Vorbereitungen wurden gestört. Alles kam anders, wie wir wissen: Die globale Finanzkrise zusammen mit inflationären Energie- und Lebensmittelpreisen verlangen schnelle Reaktionen. Dazu der Schock von der Grünen Insel: Gut 53 Prozent der Iren lehnten die Ratifizierung des Europäischen Reformvertrages ab. Das wichtigste Instrument für die Funktionsfähigkeit der Union kann bis auf weiteres nicht aktiviert werden. Jetzt ist der französische Präsident als Krisenmanager gefordert. Beurteilt nach seinen Auftritten in den ersten Tagen der EU-Präsidentschaft nimmt er die Rolle sehr ernst.
Wer es mit der Europäischen Union gut meint, müsste froh sein, dass ein urständiges und großes EU-Land wie Frankreich die Präsidentschaft inne hat, bis am 1. Januar die Tschechische Republik ablöst. Ein politisches Temperament wie Staatspräsident Sarkozy an der Spitze der EU muss in dieser Situation kein Nachteil sein. Sein Einfallsreichtum, der in der Vergangenheit nicht selten in Überrumpelung ausartete, Partner verschreckte und als Reaktion zu spöttischen Karikaturen reizte, könnte aus dieser Krise helfen. Es ist im Ansatz richtig, dass Präsident Sarkozy in Brüssel Bürgernähe anmahnt und sich zusammen mit der EU-Kommission um stärkeren Schutz der Bürger bemühen will. Schutz oder Sicherheit sind in diesem Falle Oberbegriffe für politisches Handeln, das sich am Gemeinwohl orientiert und Vertrauen der Bürger zurückgewinnen will. Deshalb kommt hier Programmpunkten wie Energie- und Umweltpolitik, stabilen Finanzmärkten, sozialer Abfederung, sowie einer Sicherheitspolitik in Zeiten von Terror und regionaler Kriege große Bedeutung zu. Selbstverpflichtung zum Erfolg und Durchsetzungswille machen Sarkozy in dieser Lage stark. Zur Seite steht ihm, wie jedem französischen Präsidenten, ein exzellenter Beamtenapparat. Last but not least wird ein enger Schulterschluss mit Berlin, mit oder ohne Handkuss für Madame Merkel, den Entscheidungsprozess voranbringen.
Bei den unzufriedenen Iren könnte Überredungskunst mit Substanz zum Erfolg führen. Vielleicht können ja die Iren noch rechtzeitig nachvollziehen, wie gut ihnen die vielen Milliarden aus Brüssel getan haben. Die deutschen Bundesverfassungsrichter könnten sich bei aller Unabhängigkeit vom Tempo Sarkozys anstecken lassen und bald Klarheit in das deutsche Ratifizierungsverfahren bringen. - Und Polen? Einer der Kaczynski-Zwillinge ist sich immer gut genug, gegen die Europäische Union zu querulieren. Sollte das Reformwerk an solchen Einwürfen von der Seitenlinie scheitern, dann wird Sarkozy die Vorschläge für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten oder für ein Kerneuropa wieder hervorholen. Von der kürzlich berichteten Entscheidungsfreude in Brüssel am Krümmungsgrad von Gurken kann die Europäische Union auf Dauer nicht existieren, es sei denn als Aprilscherz.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.

Peter Frei© SWR