Raus aus der Kontrollgesellschaft
Wir reden von Freiheit, aber wir leben in einer maximalen Unfreiheit. So sieht der Künstler und Autor Hans-Christian Dany unsere Gesellschaft. Der Einzige, der sich dieser Kontrolle entziehen könne, sei der Idiot. Das schreibt Dany in seinem Buch "Morgen werde ich Idiot".
Mit anderen Worten: Von nun anstelle ich mich dumm, verweigere mich dem Internet, kapsle mich ab, lasse mich durch das Raster aus Versicherungen, Ärzten und Banken fallen, sterbe den sozialen Tod. Totalverweigerung - so sieht der Fluchtweg aus, den Hans-Christian Dany vorschlägt. Praktikableres fällt ihm leider nicht ein als Gegenentwurf zur heutigen - wie er sie nennt - Kontrollgesellschaft, die Dany unerträglich findet, weil er sich von ihr eingeschlossen fühlt wie von einer unsichtbaren Glocke und zum Stillstand verdammt.
Marionetten der Obrigkeit
Das Fehlen einer echten Alternative ist allerdings nur der einzige Makel an dieser brillant geschriebenen Analyse unserer modernen kapitalistischen Welt. Ausgangspunkt ist die Kritik, dass Staat und Wirtschaft dem Einzelnen auf subtile Weise auch die kleinste Chance auf ein selbstbestimmtes Leben nehmen. Möglich wird dies durch digitale Technik und Strukturen, die nach dem kybernetischen Modell organisiert sind. Das Internet und Managementtechniken wie Social Engeneering erlauben es der Macht, unsere Gehirne zu besetzen, sodass wir uns freiwillig systemkonform verhalten. Wir sind Marionetten der Obrigkeit.
Welche theoretischen und technischen Entwicklungen zu dieser maschinell geprägten Gesellschaft geführt haben, arbeitet Dany, der sich als freier Künstler und mit seinem Debütbuch "Speed" bereits einen Namen gemacht hat, in einem historischen Rückblick auf. Er spannt den Bogen von den Anfängen der Kybernetik in den 40er-Jahren hin zu den sozialen Netzwerken von heute, die für ihn nichts weiter sind als psychosoziale Steuerungsinstrumente. Das ist ein spannender, sehr gut lesbarer Gang durch ein Stück Theorie- und Sozialgeschichte, in dem deutlich wird, wie die Idee der Steuerung von Maschinen mit Hilfe von Managementtheorie und Sozialpsychologie auf die menschliche Kommunikation übertragen wurde.
Welche theoretischen und technischen Entwicklungen zu dieser maschinell geprägten Gesellschaft geführt haben, arbeitet Dany, der sich als freier Künstler und mit seinem Debütbuch "Speed" bereits einen Namen gemacht hat, in einem historischen Rückblick auf. Er spannt den Bogen von den Anfängen der Kybernetik in den 40er-Jahren hin zu den sozialen Netzwerken von heute, die für ihn nichts weiter sind als psychosoziale Steuerungsinstrumente. Das ist ein spannender, sehr gut lesbarer Gang durch ein Stück Theorie- und Sozialgeschichte, in dem deutlich wird, wie die Idee der Steuerung von Maschinen mit Hilfe von Managementtheorie und Sozialpsychologie auf die menschliche Kommunikation übertragen wurde.
Zusammenleben durch Selbstregulation
Daraus erwachsen ist eine Gesellschaft, die ihr Zusammenleben durch Selbstregulation im Gleichgewicht hält - ähnlich einem Thermostat, der für eine optimale Raumtemperatur sorgt. Die Qualität dieses Gleichgewichts wird jedoch vom Kapital bestimmt und muss dessen Interessen immer wieder angepasst werden. Damit niemand ausschert, ist absolute Kontrolle, besser noch Selbstkontrolle notwendig. Nur deshalb müssen wir uns in sozialen Netzwerken entblößen, permanent erreichbar sein und ständig selbst optimieren. Als das zumindest entlarvt Dany die schöne neue Welt, die zwar im Gewande der Freiheit daherkommt, in Wirklichkeit aber für den Einzelnen völlig sinnentleert ist, weil er fremdbestimmt wird.
Man kann sicher auch weniger paranoide Interpretationen finden, als Dany es tut. Stark ist aber, wie gekonnt er immer wieder ein allgemeines Unbehagen in Worte fasst - etwa wenn er vom "leeren Licht der Transparenz" schreibt oder vom Internet als einer "Weltmaschine für organisiertes Verhalten". Er selbst fragt auch: "Wie können selbstorganisierende Modelle aussehen, die nicht adaptierbar wären", also keine Fremdbestimmung ermöglichen würden? Dass er keine Antwort darauf findet, mag vielleicht daran liegen, dass seine Sicht ein bisschen zu schwarz-weiß ist. Auch wenn sein sehr anregendes Buch den Blick schärft für unseren Alltag - ein wenig Gelassenheit wäre Hans-Christian Dany zu empfehlen.
Besprochen von Vera Linß
Man kann sicher auch weniger paranoide Interpretationen finden, als Dany es tut. Stark ist aber, wie gekonnt er immer wieder ein allgemeines Unbehagen in Worte fasst - etwa wenn er vom "leeren Licht der Transparenz" schreibt oder vom Internet als einer "Weltmaschine für organisiertes Verhalten". Er selbst fragt auch: "Wie können selbstorganisierende Modelle aussehen, die nicht adaptierbar wären", also keine Fremdbestimmung ermöglichen würden? Dass er keine Antwort darauf findet, mag vielleicht daran liegen, dass seine Sicht ein bisschen zu schwarz-weiß ist. Auch wenn sein sehr anregendes Buch den Blick schärft für unseren Alltag - ein wenig Gelassenheit wäre Hans-Christian Dany zu empfehlen.
Besprochen von Vera Linß
Hans-Christian Dany: Morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft
Edition Nautilus, Hamburg 2013
128 Seiten, 12,00 Euro
Edition Nautilus, Hamburg 2013
128 Seiten, 12,00 Euro