Raus aus der Opfer-Ecke
Es ist nur ein dünnes Bändchen, doch das hat es in sich: Der Wiener Autor Peter Menasse glaubt, dass der Vorwurf des Antisemitismus inflationär gebraucht wird. Er hätte auch nichts dagegen, Gedenkstätten ersatzlos zu schließen - aus gutem Grund.
Der Wiener Peter Menasse ist Chefredakteur von "Nu", einem Magazin über das jüdische Leben in Österreich. Jeden Tag muss er sich mit dem Thema Antisemitismus befassen. Und doch sagt der Wiener Kommunikationsberater:
"Viel wichtiger ist es, den Blick nach vorne zu richten und antidemokratische Entwicklungen, dazu gehört unter anderem auch Antisemitismus, mit heutigen Argumenten zu bekämpfen. Es ist nicht notwendig, dazu die Shoah zu bemühen.""
Der, wie er sagt, "inflationär gebrauchte" Vorwurf des Antisemitismus solle eingestellt werden, verlangt Menasse in dem Buch "Rede an uns", das er kürzlich vorgestellt hat. Dieser Begriff würde nämlich dadurch in völlige Beliebigkeit und Bedeutungslosigkeit abgleiten. Noch gefährlicher empfindet er das Argumentieren mit dem Holocaust, weil dieser ständig als Vergleich herangezogen, jenes singuläre historische Ereignis verharmlose und andererseits zu einer stumpfen Waffe werde.
Weil es kaum mehr Überlebende der Shoah gebe, sollten die heutigen Juden aus ihrem Schatten treten, schlägt Menasse vor. In dem dünnen Band versucht der Autor das Selbstbewusstsein der Juden zu stärken, das er als oft zu schwach charakterisiert, erinnert dabei an die Großtaten des Volkes in der Geschichte, spricht den berühmten jüdischen Humor an und die Lebenstüchtigkeit selbst in bedrohlichen Zeiten – alles im hartnäckigen Bestreben die Glaubensbrüder und -schwestern aus einer selbst gewählten Opfer-Ecke herauszuholen, in der er sie sieht.
"Wir Juden sollten uns darauf konzentrieren, zu heutigen Themen mit heutigen Argumenten Stellung zu beziehen. Die Shoah ist Geschichte. Sie hat keinen Bezug zur Gegenwart der jungen Generationen."
Menasse gehört zu den liberalen Juden und hat sich bis vor kurzem in der Wiener Gemeinde nicht besonders hervorgetan. Damit hat er sich dem Vorwurf ausgesetzt, er schreibe das, was seine nichtjüdischen Freunde gerne hören wollen. Gerade deshalb hat aber vielleicht gerade er Fähigkeiten entwickelt, sich in die andere, nicht-jüdische Seite besser hineinzudenken.
"Wir sollten sehr darauf aufmerken, uns nicht als eine eigene, eine abgegrenzte Gruppe zu definieren. Natürlich haben Juden in ihrer Geschichte und in ihrer jüngsten Geschichte Schreckliches erlebt, und das muss in unserem Kopf bleiben. Und das muss sozusagen auch Antrieb für Handeln sein.
Aber wenn wir uns als Opfer darstellen, als abgegrenzte Gruppe, definieren wir ja im Umkehrschluss die anderen quasi zu Tätern und können uns auch der Gemeinsamkeit nicht mehr versichern. Wir brauchen die Mehrheitsgesellschaft, um gegen die Minderheit der Antidemokraten aufzutreten. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, uns nicht abzugrenzen, sondern Freunde zu finden, Unterstützer zu finden, gemeinsam mit allen Wohlmeinenden vorzugehen."
Immer wieder appelliert Menasse im Buch an seine Glaubensgenossen, sich nicht von Feinden umgeben zu fühlen. Durchgehend ist er bemüht, mit seinen Forderungen nicht die Gefühle in der jüdischen Gemeinschaft zu verletzen, versucht, Missverständnisse zu vermeiden, indem er wiederholt die Unfassbarkeit des Holocaust unterstreicht und vom Schicksal der eigenen Familie erzählt, aber auch auf die latente Gefahr von rechts hinweist.
Nicht die Auswirkungen des Nationalsozialismus sollten heute thematisiert werden, sondern seine Ursachen, verlangt der Autor. Es gehe darum, zu zeigen, warum es überhaupt zu dieser Tragödie kommen konnte, um für heute daraus zu lernen und sich gegen Wiederholungstendenzen in der Gesellschaft zu wappnen.
"Der Besuch von Gedenkstätten hilft derzeit nicht, mehr über das Warum zu erfahren. Von mir aus könnten sie, wenn sie nicht neue Formen der Vermittlung finden, ersatzlos zusperren."
Auch als Mahner und Erzieher sollten sich die Juden in der Gesellschaft zurückziehen, fordert der Autor. Die Pflege der Demokratie sei in erster Linie Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft. Die Juden hätten aufrechte Staatsbürger zu sein, verlangt Peter Menasse in seinem Buch "Rede an uns", und nicht Opfer.
"Viel wichtiger ist es, den Blick nach vorne zu richten und antidemokratische Entwicklungen, dazu gehört unter anderem auch Antisemitismus, mit heutigen Argumenten zu bekämpfen. Es ist nicht notwendig, dazu die Shoah zu bemühen.""
Der, wie er sagt, "inflationär gebrauchte" Vorwurf des Antisemitismus solle eingestellt werden, verlangt Menasse in dem Buch "Rede an uns", das er kürzlich vorgestellt hat. Dieser Begriff würde nämlich dadurch in völlige Beliebigkeit und Bedeutungslosigkeit abgleiten. Noch gefährlicher empfindet er das Argumentieren mit dem Holocaust, weil dieser ständig als Vergleich herangezogen, jenes singuläre historische Ereignis verharmlose und andererseits zu einer stumpfen Waffe werde.
Weil es kaum mehr Überlebende der Shoah gebe, sollten die heutigen Juden aus ihrem Schatten treten, schlägt Menasse vor. In dem dünnen Band versucht der Autor das Selbstbewusstsein der Juden zu stärken, das er als oft zu schwach charakterisiert, erinnert dabei an die Großtaten des Volkes in der Geschichte, spricht den berühmten jüdischen Humor an und die Lebenstüchtigkeit selbst in bedrohlichen Zeiten – alles im hartnäckigen Bestreben die Glaubensbrüder und -schwestern aus einer selbst gewählten Opfer-Ecke herauszuholen, in der er sie sieht.
"Wir Juden sollten uns darauf konzentrieren, zu heutigen Themen mit heutigen Argumenten Stellung zu beziehen. Die Shoah ist Geschichte. Sie hat keinen Bezug zur Gegenwart der jungen Generationen."
Menasse gehört zu den liberalen Juden und hat sich bis vor kurzem in der Wiener Gemeinde nicht besonders hervorgetan. Damit hat er sich dem Vorwurf ausgesetzt, er schreibe das, was seine nichtjüdischen Freunde gerne hören wollen. Gerade deshalb hat aber vielleicht gerade er Fähigkeiten entwickelt, sich in die andere, nicht-jüdische Seite besser hineinzudenken.
"Wir sollten sehr darauf aufmerken, uns nicht als eine eigene, eine abgegrenzte Gruppe zu definieren. Natürlich haben Juden in ihrer Geschichte und in ihrer jüngsten Geschichte Schreckliches erlebt, und das muss in unserem Kopf bleiben. Und das muss sozusagen auch Antrieb für Handeln sein.
Aber wenn wir uns als Opfer darstellen, als abgegrenzte Gruppe, definieren wir ja im Umkehrschluss die anderen quasi zu Tätern und können uns auch der Gemeinsamkeit nicht mehr versichern. Wir brauchen die Mehrheitsgesellschaft, um gegen die Minderheit der Antidemokraten aufzutreten. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, uns nicht abzugrenzen, sondern Freunde zu finden, Unterstützer zu finden, gemeinsam mit allen Wohlmeinenden vorzugehen."
Immer wieder appelliert Menasse im Buch an seine Glaubensgenossen, sich nicht von Feinden umgeben zu fühlen. Durchgehend ist er bemüht, mit seinen Forderungen nicht die Gefühle in der jüdischen Gemeinschaft zu verletzen, versucht, Missverständnisse zu vermeiden, indem er wiederholt die Unfassbarkeit des Holocaust unterstreicht und vom Schicksal der eigenen Familie erzählt, aber auch auf die latente Gefahr von rechts hinweist.
Nicht die Auswirkungen des Nationalsozialismus sollten heute thematisiert werden, sondern seine Ursachen, verlangt der Autor. Es gehe darum, zu zeigen, warum es überhaupt zu dieser Tragödie kommen konnte, um für heute daraus zu lernen und sich gegen Wiederholungstendenzen in der Gesellschaft zu wappnen.
"Der Besuch von Gedenkstätten hilft derzeit nicht, mehr über das Warum zu erfahren. Von mir aus könnten sie, wenn sie nicht neue Formen der Vermittlung finden, ersatzlos zusperren."
Auch als Mahner und Erzieher sollten sich die Juden in der Gesellschaft zurückziehen, fordert der Autor. Die Pflege der Demokratie sei in erster Linie Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft. Die Juden hätten aufrechte Staatsbürger zu sein, verlangt Peter Menasse in seinem Buch "Rede an uns", und nicht Opfer.
Peter Menasse: "Rede an uns"
Verlag "Edition a", Wien
122 Seiten, 14,90 Euro
Verlag "Edition a", Wien
122 Seiten, 14,90 Euro