Zu kritisch für das russische Theater?
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Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow eckt an mit seinen kritischen, sexuell expliziten Inszenierungen. Dass er nun nicht länger Leiter des Gogol Theaterzentrums bleibt, sei nicht überraschend, sagt Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne.
Der Regisseur Kirill Serebrennikow wurde als künstlerischer Leiter des Gogol Theaterzentrums in Moskau gefeuert. In einem Instagram-Post teilte er am Dienstag mit, die Kulturbehörden der Stadt hätten ihm gesagt, dass sein Vertrag nicht verlängert werde und somit am 25. Februar auslaufe.
"Das Gogol-Zentrum wird als Theater und als Idee weiterleben", schrieb Serebrennikow, "weil das Theater und die Freiheit wichtiger und daher hartnäckiger sind als alle Arten von Bürokratie."
Schon acht Monate zuvor wurde Serebrennikow wegen angeblicher Veruntreuung von Subventionen für das Moskauer Theater zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Während des Prozesses wurde er unterstützt von Thomas Ostermeier, dem Chef der Berliner Schaubühne. Ostermeier meint, dass Serebrennikow nicht viele Optionen blieben: "Er darf das Land nicht verlassen, er kann das weitermachen, was er schon gemacht hatte, als er unter Hausarrest stand: Im Ausland über Video inszenieren."
Mit Nacktheit und Sex gegen konservative Familienwerte
Serebrennikow gilt als einer der prominentesten Theaterregisseure Russlands. Der Rauswurf des Regierungskritikers wird als ein Versuch gesehen, die künstlerische Freiheit im Land einzuschränken.
Er wurde 2012 zum Leiter des Moskauer Theaters ernannt und verwandelte es in eines der lebendigsten Schauspielhäuser in Europa. Seine Inszenierungen enthielten oft subtile Kritik am Leben unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie zeigten manchmal Nacktheit und sexuell explizite Bilder, die nicht den konservativen Vorstellungen von Familie der russischen Regierung entsprechen. Das Gogol Theaterzentrum wird von der Stadt Moskau finanziert.
Rauswurf ist nicht überraschend
Im Moment sei Serebrennikow in einer Situation "einer totalen Sackgasse, eines Stillstehens, eines zum Schweigen-Bringens", meint Ostermeier. Als er ihn vor sechs Jahren das letzte Mal gesehen habe, habe Serebrennikow ihn damals sogar gefragt, ob er den Zug verpasst habe, um aus Russland zu flüchten.
Und nun halte Serebrennikow sich bedeckt, meint Ostermeier, weil "jede Meinung, die er öffentlich oder halböffentlich" von sich gebe, Gefahr laufe, dass jemand mithöre und ihn denunzieren könne. Da er sich momentan unter Bewährung befinde, sei er sehr vorsichtig mit Äußerungen.
Mit Blick auf die Proteste um den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny habe Serebrennikow im letzten Telefongespräch mit Ostermeier gesagt, er sei nicht über seinen Rauswurf überrascht. Es sei ein Wunder gewesen, dass er mit der Bewährungsstrafe nicht seinen Posten verloren habe, so Ostermeier.
(sbd)