Ravensburger in der Kritik
Die Firma Ravensburger ist ein populärer Spiele- und Puzzlehersteller. Nun gerät sie in den Sog gesellschaftlicher Debatten. © picture alliance / dpa / Felix Kästle
Manchmal kann man keine gute Entscheidung treffen
08:16 Minuten
Der Ravensburger Verlag wird für zwei vermeintlich rassistische Winnetou-Bücher kritisiert und nimmt sie aus dem Programm. Dafür muss er nun wiederum heftig Kritik einstecken. Kann das Unternehmen es überhaupt richtig machen?
Auch nach der Entscheidung, mehrere Kinderbücher wegen Rassismus-Vorwürfen aus dem Verkauf zu nehmen, sieht sich die Firma Ravensburger großer Kritik ausgesetzt. Nur dieses Mal von der anderen Seite: Hunderte Instagram-Nutzer äußerten ihr Unverständnis über die Entscheidung und bezichtigten die Firma der Zensur.
Negatives Feedback des Publikums
Die vor allem für ihre Spiele und Puzzle bekannte Firma aus Ravensburg hatte Mitte August angekündigt, die Auslieferung der beiden Bücher "Der junge Häuptling Winnetou" zum gleichnamigen Film zu stoppen und sie aus dem Programm zu schmeißen. In einem Instagram-Post begründete die Firma das mit dem Feedback der Nutzer. Man habe "mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt", gab sich Ravensburger zerknirscht.
Der Wirtschaftsethiker Dominik Enste sieht den Vorgang kritisch. Er spricht von einem "Einknicken" der Firma. Offenbar sei die Sorge, einen Reputationsschaden zu erleiden, so groß gewesen, dass das Unternehmen einen Rückzieher gemacht habe.
Auch in der Politik wird der Vorgang inzwischen kommentiert. "Wenn wir jedes Mal, wenn sich jemand durch Rastalocken oder harmlose Kinderbuchgeschichten kulturell überfordert fühlt, Rücksicht nehmen, kommen wir irgendwann nicht mehr aus dem Rücksichtnehmen heraus", sagte Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki der "Bild".
Debatte durch Rückzug beendet
Der Ex-Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, fühlt sich angesichts der Rücknahme der Bücher sogar an die Zeit des Stalinismus erinnert, "als es Winnetou-Bücher nur unter der Hand gab". Bedauern äußerte Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff. "Ich finde die Entscheidung des Verlags nicht richtig, weil eine Debatte dadurch beendet wird, dass man sich zurückzieht", sagte er dem MDR.
Der Wirtschaftsethiker Enste meint, dass das Problem auch anders hätte gelöst werden können. So hätte man mit begleitender Kommunikation oder einem Einleger im Buch auf die Problematik hinweisen können, anstatt alles einzustampfen und in den Reißwolf zu werfen.
Eine laute Minderheit dominiert die Mehrheit
Es gebe ja ein Für und Wider in der Diskussion um Winnetou und die Darstellung der amerikanischen Ureinwohner. Sich vor diesem Hintergrund schnell klein zu machen sei schwierig, weil dann manchmal auch eine laute Minderheit die Mehrheit dominiere, nur weil sich diese weniger effektiv in den Sozialen Medien artikuliere, so der Wirtschaftsethiker beim Institut der Deutschen Wirtschaft.
Ein Sprecher von Ravensburger betont hingegen, man habe die Entscheidung, die Titel zum Film "Der junge Häuptling Winnetou" aus dem Programm zu nehmen, sorgfältig abgewogen. Und dabei sei man zu der Überzeugung gelangt, dass angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, hier ein "romantisierendes Bild mit vielen Klischees" gezeichnet werde.
"Auch wenn es sich um einen klassischen Erzählstoff handelt, der viele Menschen begeistert hat: Der Stoff ist weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging", sagt er. Vor diesem Hintergrund wolle man als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten. Neben den beiden Büchern wurden auch ein Puzzle und ein Stickerbuch aus dem Programm genommen.
Richtig oder falsch? Es gibt keine Regel
Grundsätzlich mache das Beispiel deutlich, wie schwierig es manchmal sei, zu entscheiden, was richtig und was falsch ist, was man moralisch tun sollte, sagt Enste. Moralphilosophen hätten es in zweieinhalbtausend Jahren nicht geschafft, das klar in Form einer Regel zu beantworten.
Am Ende seien es Abwägungsprozesse, denen man sich stellen müsse - und manchmal könne man auch keine "richtig gute Entscheidung" treffen. Es sei nicht mehr leicht für Unternehmen, den richtigen Weg zu finden und dabei wirtschaftlich noch erfolgreich zu sein.
Die Kritik hatte sich zunächst weniger gegen die Bücher, sondern vor allem gegen die gleichnamige Verfilmung gerichtet. Der Vorwurf ist, dass der Film "Der junge Häuptling Winnetou" rassistische Vorurteile bedient und eine kolonialistische Erzählweise hat. Er kam am 11. August in die Kinos.
(ahe/dpa/kna)