Highlights von “rC3” vom Chaos Computer Club
Als Onlinevariante scheint „rC3“, der Kongress des Chaos Computer Clubs, weniger öffentliches Interesse zu wecken. Dabei gab es auch dieses Mal wieder viel Wissenswertes. © Getty Images / Jens Schlüter
Technische Gefahren für Herz und Hirn
15:22 Minuten
Erneut fand der Kongress des Chaos Computer Clubs online statt. Ein Thema war die Digitalisierung im Gesundheitswesen, und wir haben uns die Einflussnahme auf Herzschrittmacher und Computer-Hirn-Schnittstellen genauer angeschaut.
Zum zweiten Mal fand das Jahrestreffen des Computer Chaos Clubs vom 27. bis zum 30. Dezember online statt. Deshalb trug er auch wieder den Namen “Remote Chaos Communication Congress”, kurz rC3. Obwohl die Veranstaltung für Technikbegeisterte ein absolutes Muss ist, hatte sie scheinbar diesmal allerdings weniger Aufmerksamkeit in den Medien bekommen als zu Vorpandemie-Zeiten.
“Ich meine so eine gewisse Müdigkeit wahrzunehmen – online ist eben doch nicht dasselbe wie die riesigen bunten Präsenztreffen und vielleicht macht es das ja auch weniger attraktiv für die Berichterstattung ”, erklärt Journalist Marcus Richter, der dennoch viele spannende Themen bei der rc3 gefunden hat.
Vorträge, Diskussionen und Talks wurden von 14 Veranstaltungsorten ins Netz gestreamt. Inhaltlich befasste sich der Kongress auch mit der Pandemie und beleuchtete unter anderem die noch immer bestehenden Probleme bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Marcus Richter haben allerdings zwei andere Themen aus dem Bereich Gesundheit besonders interessiert.
Einflussnahme auf Herzschrittmacher
Herzschrittmacher sind kleine Impulsgeneratoren, die durch elektrische Stimulatoren das Herz dazu anregen zu kontrahieren, also sich zusammenzuziehen. Sie unterstützen damit Herzen, die zu langsam schlagen. Zusätzlich zu dem Gerät, das PatientInnen implantiert bekommen, steckt dahinter noch eine ganze Infrastruktur.
So gibt es unter anderem noch ein Programmiergerät, mit dem Ärztinnen die Menge der Impulse, die der Herzschrittmacher abgibt, einstellen können. Das passiert heutzutage kabellos, die betreffende Person muss 30 Meter oder weniger entfernt sein.
Allerdings sind diese Schrittmacher in einigen Fällen veraltet und es gibt Missbrauchspotenzial, erklärt Christoph Saatjohann von der Fachhochschule Münster. So hat er für eine Studie auch “eingebaute” Defibrillatoren und Herzmonitore untersucht.
“Man muss ja irgendwie von außen rankommen, ohne ein geheimes Passwort und diesen Konzentrationsmodus reinkommen. Das ist ja in der Natur der Dinge, wir haben ja 100.000 Ärzte auf der ganzen Welt, die Zugriff haben müssen, auch in einem Notfall, ohne dass sie irgendwo ein Passwort herzaubern müssen”, sagt Christoph Saatjohann.
Damit ist das Gerät also zumindest in der Theorie auch von außen manipulierbar, erklärt Marcus Richter.
Auch andere Sicherheitsbedenken hat der Vortrag von Christoph Saatjohann und Endres Puschner beim rC3 aufgedeckt. Für alle gilt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs in der Praxis als relativ gering angesehen wird – aber die Funde zeigen, wo die Hersteller nachbessern müssten.
“Die Hersteller achten nicht von alleine auf die größtmögliche Sicherheit und Datenschutzregelungen, aber wenn Druck von Wissenschaft und Regulierung kommt, besteht doch Hoffnung, dass es gut geht", meint Richter.
Computer-Hirn-Schnittstelle
Noch klingt es eher wie Science-Fiction: Technologie, die in den Kopf eingebaut wird, um das Gehirn zu beeinflussen und anders nutzbar zu machen. Bislang gibt es auch nur Anwendungsfälle in der Medizin. Einer davon: Menschen mit Epilepsie bekommen Elektroden in das Gehirn eingesetzt, die bestimmte Teile stimulieren und so Anfälle verhindern sollen.
Das Gehirn zu erweitern oder zum Beispiel Sinne zu verbessern, davon sind wir aber noch sehr weit entfernt, so Marcus Richter: “Wenn wir diese Science-Fiction-Vorstellungen vom invasiven, stimulierenden Hirn-Computer nehmen und mit digitaler Textverarbeitung vergleichen, sind wir jetzt gerade dabei, mit Hammer und Meißel Zeichen in eine Steinplatte zu schlagen.”
Geforscht wird an solcher Technologie schon sehr viel. Allerdings soll sie nicht nur für medizinische Zwecke genutzt werden, sondern es gibt auch private Unternehmen, die starkes Interesse daran haben. Dazu gehört allen voran Elon Musk, der bereits 2016 das Unternehmen “Neuralink” gegründet hat, um ein Gerät zu entwickelt, mit dem das menschliche Gehirn und Computer kommunizieren können.
Sollte das eines Tages wirklich funktionieren, könnte es allerdings juristische Schwierigkeiten geben, sagt Carolin Kemper vom Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer, die beim rC3 dazu zusammen mit Michael Kolain einen Vortrag gehalten hat. Denn bei einer medizinischen Anwendung unterliegt solche Technologie bestimmten Auflagen, bei privaten Unternehmen nicht:
”Weil die Medizinprodukteverordnung nur für Geräte mit medizinischer Zweckbestimmung gilt. Das heißt, der Hersteller kann sagen, das ist ein Medizinprodukt. Neuralink sagt das nicht, sondern das soll ja dann zumindest hypothetisch auch mal ein Enhancement-Gerät werden. Damit wird es eigentlich aus der medizinischen Zweckbestimmung rausfallen.”
Die Produkte, also diese möglichen Erweiterungs-Geräte für den Menschen, müssten damit unter Umständen auch nicht bestimmten Standards genügen oder in die jahrelange Produktprüfung, wie es bei medizinischer Technologie der Fall ist.
“Es gibt – wie so oft bei digitalen Entwicklungen – noch viel Klärungs- und Regulierungsbedarf", sagt Marcus Richter. Doch der Journalist zeigt sich auch optimistisch, denn solange es diese konkrete Technologie noch nicht gibt, bleibt noch Zeit für Regulierungen – auch vonseiten der EU.