Die Wiederentdeckung einer Frauenband
09:34 Minuten
Eine Frauenband in den 60er-Jahren - das gab es auch in der bayerischen Provinz. Girls nannten sich die Musikerinnen. Nun ist das Projekt wieder zum Leben erweckt worden - vom Sohn der ehemaligen Schlagzeugerin.
Vier Jahre war die Band Girls eine Rarität: Sie bestand aus vier Frauen - alle Anfang 20 -, die in der oberbayerischen Provinz Rock und Soul spielten, gern auch Beat-Musik. Die Schlagzeugerin der Band war Anni de Martin. Mit nur 23 Jahren starb sie an einer Krebserkrankung.
Ihr Sohn Maurice de Martin, der damals gerade zweieineinhalb Jahre alt war, ist inzwischen selbst Musiker. Er hat sich auf Spurensuche gemacht. Gemeinsam mit der Schauspielerin, Produzentin, Autorin und Musikerin Susanne Sachsse hat er eine Hommage an die Band seiner Mutter herausgegeben.
Die Frau am Schlagzeug
In Berührung mit Musik sei seine Mutter durch die Soldaten der US Army gekommen, die im nahegelegenen Bad Ablingen stationiert waren, berichtet er. Dort war damals, in Zeiten des Kalten Krieges, eine große Abhörstation.
In der Umgebung gab es Ende der 60er-Jahre Musikclubs, wo einheimische und US-Musiker zusammen spielten. Seine Mutter sei davon so begeistert gewesen, dass sie entschied, selbst Musik zu machen, sagt de Martin.
Von der Band seiner Mutter sei noch eine Kassette erhalten geblieben, die er viel gehört habe, erzählt er. Doch leider sei das Band ausgeleiert und nicht mehr abspielbar.
Doch es gebe noch eine weitere Quelle für die Musik der Girls, worauf ihn eine befreundete Psychiaterin hingewiesen habe, erläutert de Martin: "Die hat zu mir gesagt: 'Maurice, du bist so rhythmisch. Ich gehe davon aus, dass das aus dem Bauch deiner Mutter kommt, weil du praktisch schon als nichtgeborenes Wesen mit deiner Mutter am Schlagzeug saßt.'"
Das höre sich zwar "ein bisschen schräg an", räumt der Musiker ein. Doch: "Ich glaube da ganz fest dran, weil ich zu ganz bestimmten Rhythmen eine ganz bestimmte emotionale Affinität besitze."
Fantasien durch das Re-Recording
Susanne Sachsse wurde von de Martin gefragt, ob sie bei den neuen Girls mitspielen wolle. Sie sei fasziniert davon gewesen, wie er über die Band seiner Mutter gesprochen habe, sagt die Musikerin. Musikalisch könne sie bei den Girls an ihre Vorlieben anknüpfen. Für sie seien Frauenbands immer sehr wichtig gewesen, erzählt Sachsse.
Durch das Re-Recording werden bei Maurice de Martin auch Fantasien hervorgerufen, wie es damals zu Zeiten seiner Mutter war. So verweist das Lied "Nicht anfassen" auf die Situation der Bandmitglieder in einem GI-Club, wo ihnen Soldaten einen noch heute erhaltenen Zettel auf das Schlagzeug legten: "Tell the Drummer I still love her" stand darauf. So heißt nun auch die Platte, die de Martin und Sachsse gemeinsam aufgenommen haben.
(rzr)