Agrarminister Friedrich erklärt Rücktritt
Der Fall Edathy führte nun zum "Fall" Friedrich: Der Agrarminister erklärte rund zwei Monate nach Amtsantritt seinen Rücktritt. Er reagiert damit auf die Vorwürfe, Ermittlungsgeheimnisse verraten zu haben. Die Nachfolgefrage ließ Bundeskanzlerin Merkel noch offen.
Der wegen möglichen Geheimnisverrats im Fall Sebastian Edathy unter Druck geratene Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist zurückgetreten. Der Druck sei in den letzten Stunden zu groß geworden und somit sehe er sich nicht in der Lage, mit der gebotenen Konzentration, Ruhe und politischen Unterstützung sein Amt als Agrarminister ausüben zu können, so der Politiker bei einer sehr knapp gehaltenen Stellungnahme. Das Amt des Agrarministers habe er mit großer Leidenschaft aufgenommen, so Friedrich. Zum Abschluss kündigte er an: "Ich komme wieder."
Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte dem zurückgetretenen Landwirtschaftsminister anschließend in einer kurzen Erklärung vor Pressevertretern für sein Engagement in der Bundesregierung. Er habe mit dem Rücktrittsangebot seine aufrechte Haltung unter Beweis gestellt und politische Verantwortung übernommen. Sie erinnerte an die Verdienste Friedrichs im Rahmen der Terrorismusabwehr in seiner Zeit als Innenminister. Eine Nachfolge für Friedrich als Agrarminister gab sie nicht bekannt. Sie warte auf einen Vorschlag des CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Medienberichten zufolge gilt die 35-jährige Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) als mögliche Kandidatin.
Als erste Reaktion auf den Rücktritt von Friedrich kritisierte im Deutschlandradio Kultur das ehemalige Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic,
den Umgang mit der Unschuldsvermutung von Personen
, die im öffentlichen Fokus stehen. Mit der "sogenannten Vorermittlung" täten die Staatsanwaltschaften etwas, "was gar nicht im Gesetz drin steht".
Am Vormittag hatte Friedrich noch erklärt, vorerst im Amt bleiben zu wollen. Er knüpfte sein politisches Schicksal aber daran, dass die Justiz nicht gegen ihn ermittelt: "Sollte die Staatsanwaltschaft zu anderen Ergebnissen kommen und ein Ermittlungsverfahren aufnehmen, werde ich mein Amt zur Verfügung stellen".
Die Staatsanwaltschaften Hannover und Berlin prüfen Ermittlungen gegen Friedrich wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Strafvereitelung. Friedrich hatte im Oktober 2013 als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel informiert, dass der Name des SPD-Politikers Sebastian Edathy auf einer Liste im Rahmen internationaler Ermittlungen stehe. Die Opposition hielt Friedrich vor, damit Dienstgeheimnisse gebrochen zu haben und forderte den Rücktritt des Agrarministers. In seiner Erklärung betonte Friedrich noch einmal, er sei der Überzeugung, mit der Weitergabe der Informationen an Gabriel politisch und rechtlich richtig gehandelt zu haben.
Staatsanwaltschaft bestätigte Vorwurf gegen Edathy
Im Vorfeld hatte am Freitagvormittag die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover erstmals seit Bekanntwerden der Ermittlungen gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy den Verdacht auf Besitz von Material im Grenzbereich zur Kinderpornografie bestätigt. Durch die aktuellen Entwicklungen sei man gezwungen an die Öffentlichkeit zu treten, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich. Dass trotz großer Zurückhaltung seiner Behörde viele Informationen über den Fall an die Öffentlichkeit gelangt seien, erschüttere ihn und mache ihn "fassungslos", sagte Fröhlich.
Hintergrund der Ermittlungen gegen Edathy sei ein Verfahren in Kanada gegen eine Firma, die über ihre Webseite kinderpornografisches Material vertreibe. Das Bundeskriminalamt sei in den Besitz von Kundendateien dieser Firma gelangt, in Deutschland gebe es 800 Verdachtsfälle. Die Information, dass auch Sebastian Edathy unter diesen Namen sei, sei seiner Behörde am 5. November 2013 in einem verschlossenen Umschlag zugestellt worden, sagte Fröhlich. "Die Akte war Verschlusssache."
Rätselhafte Verspätung eines Schreibens
Aufgrund der Kenntnis anderer Fälle sei die Staatsanwaltschaft Hannover zu dem Ergebnis gelangt, dass im Sinne der Gleichbehandlung aller potenziellen Beschuldigten auch gegen Edathy ermittelt werden müsse. Dies habe man auch Bundestagspräsident Norbert Lammert in einem Schreiben vom 6. Februar 2014 mitgeteilt. Dieser Hinweis sei dort jedoch erst am 12. Februar, also am vergangenen Mittwoch, angekommen. Der Grund für diese Verzögerung sei unklar.
In der Zwischenzeit hatte Edathy den Verzicht auf sein Mandat erklärt. Das habe die Staatsanwaltschaft völlig überraschend getroffen, sagt Fröhlich. "Wir können uns nicht erklären, ob hier ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht."
Bei den Durchsuchungen in den Privat- und Büroäumen Edathys seien zwei Computer sichergestellt worden, die Untersuchung dauere noch an. Edathy habe nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop des kanadischen Unternehmens Bestellungen getätigt. Insgesamt habe er
über eigens eingerichtete Bankkonten und verschiedene Emailadressen
mehr als 30 Videos und Fotosets von unbekleideten Jungen zwischen neun und 14 Jahren bestellt, sagte Fröhlich. Als Beweismittel dienten der Staatsanwaltschaft Email-Bestellungen und Zahlungsbelege von Kreditkarten, die Edathy zuzuordnen seinen, so Fröhlich. Bei den Produkten habe es sich um Material an der Grenze zur Strafbarkeit gehandelt.
bre, twa mit Informationen von Alexander Budde und dpa
bre, twa mit Informationen von Alexander Budde und dpa