Von "nicht problemfrei" bis zu "erheblichen Bedenken"
Die meisten Deutschen finden die Empfehlung der EU-Kommission, Türken ohne Visa in die EU einreisen zu lassen, falsch. Auch in den Regierungsfraktionen gibt es Bedenken. In der CDU etwa die Angst vor "einer nicht unerheblichen Ausweitung der irregulären Migration". Die SPD steht zu der Vereinbarung - trotz Skepsis.
Die Mehrheit der Deutschen sieht die Aufhebung der Visumpflicht für Türken kritisch. 62 Prozent finden den Vorschlag der EU-Kommission laut neuem ARD-"Deutschlandtrend" nicht gut. Die EU-Kommission hatte gestern empfohlen, türkische Bürger für Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen visafrei in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum einreisen zu lassen. Für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise kommt die EU der Türkei nun entgegen. Die Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssen dem noch zustimmen.
Das Abkommen sieht auch vor, dass Türken spätestens ab Ende Juni ohne Visa in die EU einreisen dürfen.
Die EU und Türkei verhandeln schon seit Ende 2013 über die Visa-Freiheit. Geplant war, diese ab Oktober dieses Jahres zu gewähren. Doch die türkische Regierung setzte in den Verhandlungen um den Flüchtlingspakt durch, dass der Termin vorgezogen wird.
Der Vereinbarung in der Flüchtlingspolitik zwischen der EU und der Türkei wurde Mitte März beschlossen und ist seit Anfang April in Kraft.
Kein politischer Rabatt für die Türkei
Nicht nur in der Bevölkerung, auch in der Unionsfraktion im Bundestag gibt es Kritik am Vorschlag der EU-Kommission. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach sagte der "Passauer Neuen Presse", dass es in seiner Fraktion "erhebliche Bedenken" gebe, weil sie "zu einer nicht unerheblichen Ausweitung der irregulären Migration führen könnte". Er forderte ein zentrales Ein- und Ausreiseregister sowie "eine Regelung für den Fall, dass die illegale Einwanderung tatsächlich deutlich ansteigen sollte".
Der Koalitionspartner SPD dagegen steht trotz aller Skepsis zu der Vereinbarung. Der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner sagte:
"Insgesamt ist es ein Punkt, der nicht problemfrei ist. Auf der anderen Seite gehört es dazu, wenn die EU Verabredungen mit der Türkei schließt und wir erwarten, dass sie sich an die Verabredungen halten, dann gilt das umgekehrt für die EU auch. Wir haben durchaus heikle Fragestellungen, die mit der Türkei beredet werden, wo wir nicht Rabatte geben dürfen bei Menschenrechten, wo wir über Pressefreiheit und solche Dinge miteinander sprechen."
Der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, hatte zuvor zurückhaltend auf die geplante Visa-Freiheit für die Türkei reagiert. Entscheidend sei, dass die Türkei alle vereinbarten Kriterien erfülle, Deutschland werde die getroffenen Vereinbarungen einhalten, sagte Oppermann der "Rheinischen Post". Auch er finde, dass es keinen politischen Rabatt für die Türkei geben dürfe.