Realhistorischer Thriller
Der Journalist Bob Woodward und sein Kollege Carl Bernstein deckten einst den Watergate-Skandal auf. In seinem Buch schreibt er über ihren Informanten unter dem Namen "Deep Throat", der sich kürzlich selbst enttarnte. Sein Buch ist ein echter Woodward: ein realhistorischer Thriller aus der Welt der Schatten und der realen Macht.
Das Jahr war 1972, der Ort war Washington D.C., Richard Nixon der Republikaner war Präsident, seine Wiederwahl ungewiss. Im Watergate Büro- und Hotelkomplex hatte es einen Einbruch ins Parteihauptquartier der Demokraten gegeben, um dort "Wanzen", kleine Abhöranlagen, zu installieren. Fünf Einbrecher waren festgenommen worden. Das FBI, Federal Bureau of Investigation war eingeschaltet. Am 10. Oktober 1972 erschien in der liberalen Washington Post ein Artikel, der ein politisches Erdbeben auslöste, seine Autoren erst umstritten und dann berühmt machte, Nixons Wiederwahl zunächst nicht behinderte, ihn aber 1974 das Weiße Haus kostete. Die Autoren Bob Woodward und Carl Bernstein schrieben damals in der "Post", der Watergate Einbruch sei kein isoliertes Ereignis:
"Er steht in Zusammenhang mit einer massiven politischen Spionage- und Sabotagekampagne, die gelenkt wird aus dem Weißen Haus und vom Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten."
Anfangs hatte man Watergate erfolgreich vertuscht, die meisten Journalisten gingen nicht auf die Story ein. Dann aber erhielt Woodward Hinweise aus dem innersten Kern des FBI, die ihm und dem Mitautor Carl Bernstein den Schlüssel zur Verschwörung der Männer des Präsidenten an die Hand gaben. Die Hinweise klangen authentisch, und Woodward verließ sich auf seine Quelle. Zwei Bücher wurden davon inspiriert. 1974 erschien: "All the President’s Men", zwei Jahre später "Final Days".
Die Quelle war ein Mann namens Mark Felt, Nummer zwei des FBI, ihn hatte Woodward schon als junger Marineoffizier auf der Suche nach einem bürgerlichen Beruf kennen gelernt und immer wieder als väterlichen Mentor angesprochen und um Rat gefragt. Die Washington Post gab ihm den Decknamen "Deep Throat", weil er "on deep background" informierte, über die tiefen Hintergründe des Geschehens. Bedingung war, dass seine Identität niemals enthüllt werden dürfe. Die Treffen hatten immer konspiratorisch zu sein. Geheime Signale signalisierten, ob die Luft rein war. Dann traf man sich nächtens in einer Tiefgarage. Nur sieben Personen kannten die Identität der Quelle und konnten damit die Qualität ihrer Informationen beurteilen. Das Rätsel blieb für Administration und Öffentlichkeit wohl gehütet, Rumpelstilzchen blieb Rumpelstilzchen:
"Trotz aller Mutmaßungen und Spekulationen, Artikel und Bücher war es niemand anderem gelungen, die Identität aufzudecken. Je mehr Namen und Listen im Lauf der folgenden Jahrzehnte in Umlauf kamen, desto mehr schien sich die eigentliche Spur im Dunkel zu verlieren."
Der Mann, der dieses doppelte Versteckspiel spielte, einerseits mit dem Regierungsapparat, dem er zugehörte, andererseits mit den Journalisten, die er mit Informationen fütterte, war klug, aber, wie sich Woodward erinnert, auch kompliziert, unheimlich und zornig. Aber das nicht allein:
"Er hatte darüber hinaus auch einen zerrissenen, ja unsicheren Eindruck gemacht – er war wohl nicht völlig davon überzeugt, dass es richtig sei, uns zu helfen. Er wollte es und wollte es wieder nicht. Wie viele, wenn nicht die meisten geheimen Informanten wollte er mit den Folgen seiner Handlungen und Worte nicht in Verbindung gebracht werden. Er wollte sich um fast jeden Preis schützen und hat tatsächlich alles Menschenmögliche getan, seine Identität zu verbergen."
Zwanzig Jahre später, 1992, ging Woodward ins Archiv des FBI im Hoover Building in Washington, wo Deep Throat für das FBI – und gleichzeitig dagegen - gearbeitet hatte. Das war der innerste Kern. Hier sah nun Woodward aus den Akten, dass das Weiße Haus seiner Quelle auf der Spur gewesen war. Und dann geschah etwas Seltsames. Woodward entdeckte ein Memorandum vom Schreibtisch Felts, des zweiten Mannes im FBI, Mark Felt, und erfuhr, wer Deep Throat in Wirklichkeit war.
"Mir wurde schwindelig. Mark Felt war Deep Throat… Ich war beeindruckt. Der Junge verstand sein Metier."
Der Informant im FBI hatte gegen sich selbst gespielt – aber eben nur gespielt. Er hatte sich selbst zum Fahnder ernannt und eine falsche Spur gelegt ins Weiße Haus: Das war das Spiel der Füchse. Die Identität der entscheidenden Watergate Quelle und Vizechef des FBI wurde erst enthüllt, als Mark Felt, über 90 Jahre alt, vor einigen Monaten es so wollte. Damit wurde auch der Weg frei für Woodwards späte Recherche in eigener Sache, die jetzt vorliegt.
Nixons Rücktritt erschütterte das politische Establishment Amerikas. Zuvor hatte der Senat Anhörungen in Sachen Watergate vorgenommen, von allen Fernsehanstalten live übertragen, dabei kamen Nixons geheime Tonbänder zur Sprache und die unflätigen Ausdrücke, deren sich der Präsident befleißigte. Das startete die Überlegungen im Repräsentantenhaus über Amtsenthebung und schließlich die Anweisung des Obersten Gerichtshofs an Nixon, die Tonbänder herauszugeben.
Felt selbst hat Erinnerungen geschrieben, aber nichts preisgegeben von der Watergate-Affäre – was die These Woodwards über die gemischten Gefühle seines Informanten bestätigt. Felt überließ es Woodward, die Story zu erzählen, des langen und breiten. Felt aber blieb auch seinem Reporter-Freund immer letztlich rätselhaft. Am Schluss versucht Woodward selbst eine Deutung. Die Nixon-Regierung nämlich habe für die Bundespolizei FBI die gefährlichste aller Herausforderungen bedeutet. Denn sie habe versucht, die unabhängige Behörde selbst in die Hand zu bekommen, und das FBI habe sich dagegen gewehrt – mit allen Mitteln. Dazu gehörte auch, als Nixon in Watergate daneben gegriffen hatte, die Informationsanlieferung an die Washington Post.
Am Ende siegten das FBI, Mark Felt und Bob Woodward, und Nixon verlor. Woodward allerdings ist ehrlich genug darüber nachzudenken, ob er selbst Spieler war, oder ob mit ihm gespielt wurde. Auf jeden Fall ist dies eine echte Washington-Insider-Geschichte. Namen und Karrieren werden miteinander verwoben, bis zur weitgehenden Unübersichtlichkeit des Buches, der auch kein Organigramm abhilft. Aber das tut der Story keinen Abbruch. Man lernt viel über das Innenleben des amerikanischen "investigative reporters", über die Rivalitäten im inneren Kreis der Macht, über Ambitionen und Frustrationen.
Es ist ein echter Woodward, von Einzelheit zu Einzelheit sich vortastend, die Analyse so lange wie möglich vermeidend – soll doch der Leser selbst das Mosaik entziffern. Das ist beides, Nervenkitzel der Reportage wie auch langatmig und selbst entnervend. Ein realhistorischer Thriller aus der Welt der Schatten und der realen Macht.
Bob Woodward: Der Informant - Deep Throat – Die geheime Quelle der Watergate-Enthüller - ein Spiegel-Buch. Aus dem Englischen von Michael Bayer, Hans Freundl u. Norbert Juraschitz. Nachwort von Carl Bernstein. Verlag DVA, München 2005
"Er steht in Zusammenhang mit einer massiven politischen Spionage- und Sabotagekampagne, die gelenkt wird aus dem Weißen Haus und vom Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten."
Anfangs hatte man Watergate erfolgreich vertuscht, die meisten Journalisten gingen nicht auf die Story ein. Dann aber erhielt Woodward Hinweise aus dem innersten Kern des FBI, die ihm und dem Mitautor Carl Bernstein den Schlüssel zur Verschwörung der Männer des Präsidenten an die Hand gaben. Die Hinweise klangen authentisch, und Woodward verließ sich auf seine Quelle. Zwei Bücher wurden davon inspiriert. 1974 erschien: "All the President’s Men", zwei Jahre später "Final Days".
Die Quelle war ein Mann namens Mark Felt, Nummer zwei des FBI, ihn hatte Woodward schon als junger Marineoffizier auf der Suche nach einem bürgerlichen Beruf kennen gelernt und immer wieder als väterlichen Mentor angesprochen und um Rat gefragt. Die Washington Post gab ihm den Decknamen "Deep Throat", weil er "on deep background" informierte, über die tiefen Hintergründe des Geschehens. Bedingung war, dass seine Identität niemals enthüllt werden dürfe. Die Treffen hatten immer konspiratorisch zu sein. Geheime Signale signalisierten, ob die Luft rein war. Dann traf man sich nächtens in einer Tiefgarage. Nur sieben Personen kannten die Identität der Quelle und konnten damit die Qualität ihrer Informationen beurteilen. Das Rätsel blieb für Administration und Öffentlichkeit wohl gehütet, Rumpelstilzchen blieb Rumpelstilzchen:
"Trotz aller Mutmaßungen und Spekulationen, Artikel und Bücher war es niemand anderem gelungen, die Identität aufzudecken. Je mehr Namen und Listen im Lauf der folgenden Jahrzehnte in Umlauf kamen, desto mehr schien sich die eigentliche Spur im Dunkel zu verlieren."
Der Mann, der dieses doppelte Versteckspiel spielte, einerseits mit dem Regierungsapparat, dem er zugehörte, andererseits mit den Journalisten, die er mit Informationen fütterte, war klug, aber, wie sich Woodward erinnert, auch kompliziert, unheimlich und zornig. Aber das nicht allein:
"Er hatte darüber hinaus auch einen zerrissenen, ja unsicheren Eindruck gemacht – er war wohl nicht völlig davon überzeugt, dass es richtig sei, uns zu helfen. Er wollte es und wollte es wieder nicht. Wie viele, wenn nicht die meisten geheimen Informanten wollte er mit den Folgen seiner Handlungen und Worte nicht in Verbindung gebracht werden. Er wollte sich um fast jeden Preis schützen und hat tatsächlich alles Menschenmögliche getan, seine Identität zu verbergen."
Zwanzig Jahre später, 1992, ging Woodward ins Archiv des FBI im Hoover Building in Washington, wo Deep Throat für das FBI – und gleichzeitig dagegen - gearbeitet hatte. Das war der innerste Kern. Hier sah nun Woodward aus den Akten, dass das Weiße Haus seiner Quelle auf der Spur gewesen war. Und dann geschah etwas Seltsames. Woodward entdeckte ein Memorandum vom Schreibtisch Felts, des zweiten Mannes im FBI, Mark Felt, und erfuhr, wer Deep Throat in Wirklichkeit war.
"Mir wurde schwindelig. Mark Felt war Deep Throat… Ich war beeindruckt. Der Junge verstand sein Metier."
Der Informant im FBI hatte gegen sich selbst gespielt – aber eben nur gespielt. Er hatte sich selbst zum Fahnder ernannt und eine falsche Spur gelegt ins Weiße Haus: Das war das Spiel der Füchse. Die Identität der entscheidenden Watergate Quelle und Vizechef des FBI wurde erst enthüllt, als Mark Felt, über 90 Jahre alt, vor einigen Monaten es so wollte. Damit wurde auch der Weg frei für Woodwards späte Recherche in eigener Sache, die jetzt vorliegt.
Nixons Rücktritt erschütterte das politische Establishment Amerikas. Zuvor hatte der Senat Anhörungen in Sachen Watergate vorgenommen, von allen Fernsehanstalten live übertragen, dabei kamen Nixons geheime Tonbänder zur Sprache und die unflätigen Ausdrücke, deren sich der Präsident befleißigte. Das startete die Überlegungen im Repräsentantenhaus über Amtsenthebung und schließlich die Anweisung des Obersten Gerichtshofs an Nixon, die Tonbänder herauszugeben.
Felt selbst hat Erinnerungen geschrieben, aber nichts preisgegeben von der Watergate-Affäre – was die These Woodwards über die gemischten Gefühle seines Informanten bestätigt. Felt überließ es Woodward, die Story zu erzählen, des langen und breiten. Felt aber blieb auch seinem Reporter-Freund immer letztlich rätselhaft. Am Schluss versucht Woodward selbst eine Deutung. Die Nixon-Regierung nämlich habe für die Bundespolizei FBI die gefährlichste aller Herausforderungen bedeutet. Denn sie habe versucht, die unabhängige Behörde selbst in die Hand zu bekommen, und das FBI habe sich dagegen gewehrt – mit allen Mitteln. Dazu gehörte auch, als Nixon in Watergate daneben gegriffen hatte, die Informationsanlieferung an die Washington Post.
Am Ende siegten das FBI, Mark Felt und Bob Woodward, und Nixon verlor. Woodward allerdings ist ehrlich genug darüber nachzudenken, ob er selbst Spieler war, oder ob mit ihm gespielt wurde. Auf jeden Fall ist dies eine echte Washington-Insider-Geschichte. Namen und Karrieren werden miteinander verwoben, bis zur weitgehenden Unübersichtlichkeit des Buches, der auch kein Organigramm abhilft. Aber das tut der Story keinen Abbruch. Man lernt viel über das Innenleben des amerikanischen "investigative reporters", über die Rivalitäten im inneren Kreis der Macht, über Ambitionen und Frustrationen.
Es ist ein echter Woodward, von Einzelheit zu Einzelheit sich vortastend, die Analyse so lange wie möglich vermeidend – soll doch der Leser selbst das Mosaik entziffern. Das ist beides, Nervenkitzel der Reportage wie auch langatmig und selbst entnervend. Ein realhistorischer Thriller aus der Welt der Schatten und der realen Macht.
Bob Woodward: Der Informant - Deep Throat – Die geheime Quelle der Watergate-Enthüller - ein Spiegel-Buch. Aus dem Englischen von Michael Bayer, Hans Freundl u. Norbert Juraschitz. Nachwort von Carl Bernstein. Verlag DVA, München 2005

Watergate-Reporter Carl Bernstein (l.) und Bob Woodward© AP