Mit Zauberstab und Kapitalismus-Pille
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In den USA ein Serien-Hit, nun auch im deutschen Fernsehen: Schwule Männer sollen helfen, das Leben umzukrempeln. Der Journalist Sebastian Goddemeier hat sich die Sendung angesehen – und hat Bedenken.
Schwule Männer sollen es richten und das Leben völlig umkrempeln. Vorgemacht hat es in den USA die Netflix-Serie "Queer Eye". Sie geht bereits in die vierte Runde. Fünf homosexuelle Männer helfen mit Rat und Tat in allen Lebenslagen, ob Styling, Ernährung, Psyche. Der US-Erfolg hat mittlerweile auch ein deutsches Pendant: "Queer 4 you" nennt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seine Produktion, die in der Mediathek und seit Montag auch im Fernsehen zu sehen ist.
Was neues im deutschen Fernsehen
Der Journalist Sebastian Goddemeier hat sich die erste Staffel angesehen. Doch er ist wenig begeistert: "Das Problem eines solchen Formats ist, dass versucht wird, innere Probleme mit einer Kapitalismus-Pille zu beheben." Es werde nur am Äußeren gearbeitet - und das funktioniere nicht, sagt der Journalist.
Dabei habe die Serie ein großes Potential – auch, um Vorurteile gegen Homosexuelle abzubauen. Denn sie läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und könnte somit auch Menschen erreichen, die sich ansonsten nicht mit schwul-lesbischen Themen auseinandersetzten, meint Goddemeier. "Vier schwule Männer, die in eine heteronormativ geprägte Welt eindringen und da den Zauberstab schwingen, das hatten wir bisher so noch nicht im deutschen Fernsehen. Das ist erstmal gut."
Wieder allein zurück in der Wohnung
Zwar sei die Protagonistin in der ersten Folge am Ende glücklich – "das war es aber auch schon", meint Goddemeier. Das Geschehen der Episode ist schnell erzählt: Die Krankenschwester Beate hatte einen alkoholkranken Mann, hat drei Kinder großgezogen, hatte selbst Esssucht – doch um sich selbst habe sie sich nicht gekümmert.
Für Goddemeier ist das ganze Setting "sehr schwierig", denn Beate werde beispielsweise in eine angesagte "Fettweghose" gesteckt – eine Situation, in der sich der Journalist sehr unwohl gefühlt hätte.
In der RBB-Serie werde viel gekuschelt und Nähe hergestellt. Es bleibe indes der Eindruck, dass dies alles inszeniert sei, so Goddemeier. Wie es nach dem Abdrehen der Folge weitergeht und ob die Helfer auch weiterhin Kontakt zu Beate haben, sei offen. Der Journalist habe sich deshalb vorgestellt, wie die Frau in ihre neu eingerichtete Wohnung zurückkomme – und dort weinend sitze.
(rzr)