Rebellische Rollbrettfahrer
"Genug Beton gab es ja bei uns": Anfang der 80er-Jahre leben drei Jungs in einer Magdeburger Plattenbausiedlung, fahren Skateboard - und leisten so subversiv Widerstand. Ihre faszinierende Geschichte erzählt Regisseur Marten Persiel in diesem Dokumentarfilm.
Okay, skateboarden und DDR klingt für die meisten Leute irgendwie abwegig. Ist aber so gar nicht eigentlich. Auf so was wie skaten kommen Kinder ganz alleine. Genug Beton gab es ja bei uns. Gib doch mal einem Kind irgendwas, was rollt, und schubs es in so eine Betonwelt und das wird genau auf die gleiche Idee kommen. Mit Amerika hat das nichts zu tun.
Anfang der 80er-Jahre leben drei Jungs in einer Plattenbausiedlung in Magdeburg. Jeden Tag treffen sie sich in einem betonierten Hof und vertreiben sich die Zeit auf selbstgebauten Rollbrettern. Der Film handelt von ihrer Freundschaft und davon, wie sie sich ihre eigene kleine Welt auf Rädern aufbauen, die so gar nicht in das System der DDR passt. Er erzählt, wie sie später nach Berlin kommen, Teil der dortigen Skater-Szene werden und sich kurz nach dem Mauerfall aus den Augen verlieren. Das Ganze wird aus heutiger Perspektive geschildert. Denn Dennis Paracek, einer der Protagonisten, der wegen seiner rebellischen Ader "Panik" genannt wird, geht später zur Bundeswehr und wird 2011 in Afghanistan erschossen. Sein Tod führt die alten Weggefährten wieder zusammen. Und ihre Erinnerungen montiert Regisseur Marten Persiel zur Geschichte einer Subkultur, die man kaum in der DDR vermutet hätte. Wobei er sich entschloss, einen poetischen Dokumentarfilm zu machen.
"Ich finde Film, das ist so wie bei Musik, da kommst du ohne Poesie eigentlich nicht besonders weit. Denn sonst wird es sehr technisch. Wir haben halt versucht, einen Film zu machen, der sowohl dokumentarisch als auch poetisch ist. Und wir nennen diese Form eine dokumentarische Erzählung. Das heißt, es ist ein Dokumentarfilm in allererster Linie. Aber es hat die Unterströmung, dass es poetisch sein soll, dass es erzählerisch sein soll."
Poetisch heißt aber auch, dass die Biografien nicht so existieren, wie sie dargestellt werden. Nach Auskunft der Bundeswehr gab es keinen Dennis Paracek, der in Afghanistan gefallen ist. Zudem wurde viel 8mm-Filmmaterial nachgedreht und in Videoclip-Ästhetik montiert. Und wahrscheinlich sind auch die Gespräche am Lagerfeuer inszeniert. Dennoch wehrt sich der Produzent Ronald Vietz dagegen, von fiktiven Biografien zu sprechen.
"Fiktion wäre ja sozusagen erfunden, und wir haben keine Geschichten erfunden. Wir haben unsere ganzen Recherchen sozusagen genutzt, diesen Dokumentarfilm zusammenzustellen. Wie wir das zusammengestellt haben, das ist letztendlich was Neues und eine ganz erzählerische Form. Deswegen auch dokumentarische Erzählung. Also diese Biografien, die man da sieht, die gibt es. Die gibt es nur halt, ja, nur vielleicht ein bisschen anders aufgestellt."
Puristen lehnen eine solche Herangehensweise für Dokumentarfilme ab. "This ain´t California" ist ein gewagtes Experiment. Es ist aber trotz - oder vielleicht gerade wegen seiner Art - so gelungen. Und oft sind es die abstrakten Werke, die eine tiefere Wahrheit vermitteln, die uns berühren und anziehen. So haben die Filmemacher nach dreijähriger Recherche all ihr Material zu Protagonisten geformt, die Mitte der 80er-Jahre nach Berlin kommen und am Alexanderplatz auf ihre Skateboards springen.
Zuhause war das mit den Rollbrettern einfach nur ein Spiel gewesen. Aber hier war das irgendwie anders. Da hast du gemerkt, dass da irgendwie noch eine Bedeutung mitschwingt. Du wurdest tierisch viel beobachtet. Wir waren eine Attraktion. Konntest du in den Gesichtern der Leute sehen, dass sie mit uns nicht richtig was anfangen konnten. Das Normale war doch, dass du irgendwas machst und damit ein Ziel verfolgst. Du arbeitest und kannst dir was zu essen kaufen. Du isst, um dich zu ernähren. Du gehst, um irgendwohin zu kommen. Und das, was wir da gemacht haben, das passte irgendwie nicht rein. Und das hat die Leute stutzig gemacht: einfach nur sinnlos rumkaspern, rumtanzen, mit einem Rollbrett rumeiern, so zum Spaß? So was gab es nicht. So war die DDR einfach nicht gestrickt.
"This ain´t California" hält die Stimmung einer faszinierenden Jugendbewegung und ihrem subversiven Widerstand fest und die staatlichen Bemühungen, die rund 200 Rollbrettfahrer der DDR in die offiziellen Bahnen zu führen. Doch die Skater frönen Individualismus und Partys, nicht Kollektivismus und Disziplin. Kontakte nach West-Berlin entstehen, Reifen und Boards werden über die Grenze gebracht. Zwar ist der Film nicht frei von Nostalgie, aber vor allem geht es um junge Leute, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen bzw. aufs Rollbrett stellen. Und Jens Riewa, der Tagesschausprecher und ehemalige Ost-Skater, dankte Ronald Vietz persönlich für den Film.
"Jens Riewa, der kam aus einer Vorführung raus und sagte: 'Ich will jetzt jemand in den Arm nehmen, der den Film mitgemacht hat!' Und da stand ich. Und dann hat er mich in den Arm genommen, hatte Tränchen im Auge und hat gesagt: 'So hat die noch keiner erzählt, die DDR. Endlich haben wir einen anderen Dialekt, und es ist so wahr.' Und er hat sich total gefreut. Das ist so ein großes Kompliment, wenn einem das so passiert. Von allen anderen Komplimenten Mal abgesehen."
Anfang der 80er-Jahre leben drei Jungs in einer Plattenbausiedlung in Magdeburg. Jeden Tag treffen sie sich in einem betonierten Hof und vertreiben sich die Zeit auf selbstgebauten Rollbrettern. Der Film handelt von ihrer Freundschaft und davon, wie sie sich ihre eigene kleine Welt auf Rädern aufbauen, die so gar nicht in das System der DDR passt. Er erzählt, wie sie später nach Berlin kommen, Teil der dortigen Skater-Szene werden und sich kurz nach dem Mauerfall aus den Augen verlieren. Das Ganze wird aus heutiger Perspektive geschildert. Denn Dennis Paracek, einer der Protagonisten, der wegen seiner rebellischen Ader "Panik" genannt wird, geht später zur Bundeswehr und wird 2011 in Afghanistan erschossen. Sein Tod führt die alten Weggefährten wieder zusammen. Und ihre Erinnerungen montiert Regisseur Marten Persiel zur Geschichte einer Subkultur, die man kaum in der DDR vermutet hätte. Wobei er sich entschloss, einen poetischen Dokumentarfilm zu machen.
"Ich finde Film, das ist so wie bei Musik, da kommst du ohne Poesie eigentlich nicht besonders weit. Denn sonst wird es sehr technisch. Wir haben halt versucht, einen Film zu machen, der sowohl dokumentarisch als auch poetisch ist. Und wir nennen diese Form eine dokumentarische Erzählung. Das heißt, es ist ein Dokumentarfilm in allererster Linie. Aber es hat die Unterströmung, dass es poetisch sein soll, dass es erzählerisch sein soll."
Poetisch heißt aber auch, dass die Biografien nicht so existieren, wie sie dargestellt werden. Nach Auskunft der Bundeswehr gab es keinen Dennis Paracek, der in Afghanistan gefallen ist. Zudem wurde viel 8mm-Filmmaterial nachgedreht und in Videoclip-Ästhetik montiert. Und wahrscheinlich sind auch die Gespräche am Lagerfeuer inszeniert. Dennoch wehrt sich der Produzent Ronald Vietz dagegen, von fiktiven Biografien zu sprechen.
"Fiktion wäre ja sozusagen erfunden, und wir haben keine Geschichten erfunden. Wir haben unsere ganzen Recherchen sozusagen genutzt, diesen Dokumentarfilm zusammenzustellen. Wie wir das zusammengestellt haben, das ist letztendlich was Neues und eine ganz erzählerische Form. Deswegen auch dokumentarische Erzählung. Also diese Biografien, die man da sieht, die gibt es. Die gibt es nur halt, ja, nur vielleicht ein bisschen anders aufgestellt."
Puristen lehnen eine solche Herangehensweise für Dokumentarfilme ab. "This ain´t California" ist ein gewagtes Experiment. Es ist aber trotz - oder vielleicht gerade wegen seiner Art - so gelungen. Und oft sind es die abstrakten Werke, die eine tiefere Wahrheit vermitteln, die uns berühren und anziehen. So haben die Filmemacher nach dreijähriger Recherche all ihr Material zu Protagonisten geformt, die Mitte der 80er-Jahre nach Berlin kommen und am Alexanderplatz auf ihre Skateboards springen.
Zuhause war das mit den Rollbrettern einfach nur ein Spiel gewesen. Aber hier war das irgendwie anders. Da hast du gemerkt, dass da irgendwie noch eine Bedeutung mitschwingt. Du wurdest tierisch viel beobachtet. Wir waren eine Attraktion. Konntest du in den Gesichtern der Leute sehen, dass sie mit uns nicht richtig was anfangen konnten. Das Normale war doch, dass du irgendwas machst und damit ein Ziel verfolgst. Du arbeitest und kannst dir was zu essen kaufen. Du isst, um dich zu ernähren. Du gehst, um irgendwohin zu kommen. Und das, was wir da gemacht haben, das passte irgendwie nicht rein. Und das hat die Leute stutzig gemacht: einfach nur sinnlos rumkaspern, rumtanzen, mit einem Rollbrett rumeiern, so zum Spaß? So was gab es nicht. So war die DDR einfach nicht gestrickt.
"This ain´t California" hält die Stimmung einer faszinierenden Jugendbewegung und ihrem subversiven Widerstand fest und die staatlichen Bemühungen, die rund 200 Rollbrettfahrer der DDR in die offiziellen Bahnen zu führen. Doch die Skater frönen Individualismus und Partys, nicht Kollektivismus und Disziplin. Kontakte nach West-Berlin entstehen, Reifen und Boards werden über die Grenze gebracht. Zwar ist der Film nicht frei von Nostalgie, aber vor allem geht es um junge Leute, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen bzw. aufs Rollbrett stellen. Und Jens Riewa, der Tagesschausprecher und ehemalige Ost-Skater, dankte Ronald Vietz persönlich für den Film.
"Jens Riewa, der kam aus einer Vorführung raus und sagte: 'Ich will jetzt jemand in den Arm nehmen, der den Film mitgemacht hat!' Und da stand ich. Und dann hat er mich in den Arm genommen, hatte Tränchen im Auge und hat gesagt: 'So hat die noch keiner erzählt, die DDR. Endlich haben wir einen anderen Dialekt, und es ist so wahr.' Und er hat sich total gefreut. Das ist so ein großes Kompliment, wenn einem das so passiert. Von allen anderen Komplimenten Mal abgesehen."
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