Meinungsvielfalt war nicht erwünscht
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Die Aktion #allesdichtmachen hat für viel Aufregung gesorgt. Denn was witzig daherkommt, ist noch lange keine Satire. Aber es verweist auf denjenigen, der hinter der Aktion steckt.
Am 22. April ging die Aktion #allesdichtmachen.de online, in der Prominente wie Jan Josef Liefers, Heike Makatsch oder Ulrich Tukur in insgesamt 53 Spots auftraten, um sich über die Coronapolitik der Bundesregierung ironisch zu mokieren. Die Hintergründe der Gruppenaktion werden nach Recherchen des "Tagesspiegel" eine Woche später klarer: Zentral für die Aktion war der "Tatort"-Regisseur Dietrich Brüggemann, der zugleich Verbindungen in die Querdenker-Szene pflegt.
Vorgefertige Texte
So wurde am Wochenende ein Song entdeckt, den Brüggemann unter dem Namen Noisy Nancy veröffentlicht hatte und der als Soundtrack auf Demonstrationen der Querdenker zum Einsatz kommt, die mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Anders als die Aktion, bei der der schlecht kalkulierte Einsatz von ironischen und satirischen Mitteln zu Verwirrung führte, lässt dieser Song ("Steckt euch euren Polizeistaat in den A.") keine Uneindeutigkeit zu.
Geplant wurde die Aktion wie ein Filmdreh. Den Beteiligten, ein Viertel von ihnen stand schon mindestens einmal vor der Kamera eines Brüggemann-Films, wurden Texte angeboten. "Tatort"-Regisseur Tom Bohn erklärte gegenüber der "Welt", ebenfalls Schauspieler angesprochen zu haben. Eigene Beiträge, die von der Linie der Texte abwichen, wurden nach Angaben eines angefragten Schauspieles, den der "Tagesspiegel" zitiert, nicht zugelassen.
Während also #allesdichtmachen nach außen "verengte Diskursräume" beklagt, ist Meinungsfreiheit und -vielfalt innerhalb der Gruppe nicht erwünscht. Es ging den prominenten "Tatort"-Gesichtern nie darum, auf die schwierigen sozialen Bedingungen etwa von Selbstständigen in der Kunst oder den Kultureinrichtungen wie Kinos zu verweisen.
Und während Jan Josef Liefers bei der Bundesregierung "mangelnde Transparenz" beklagte, verschleiert #allesdichtmachen, wer wofür verantwortlich ist. Dabei gibt es beim Film doch normalerweise Credits für so etwas.
Keine gelungene Satire
Dass die Aktion von der Kritik überrascht wurde, verrät das Anschreiben zum Mitmachen: Das war sich gewiss, dass man sich zu den Clips nicht äußern müsse, weil sie ja – ironisch – die aktuelle Politik affirmierten. Es kam anders, was wiederum auf Brüggemann und seine Komödie "Heil" von 2015 verweist: Ein guter Gag macht noch lange keine gelungene Satire.
Wenn also die Beteiligten auch aus Überzeugung mitgemacht haben – das Vertrauen in die Macher und darin, dass das Projekt so elegant funktionieren würde, wie von diesen angekündigt ("Jegliche Kritik läuft an uns ab wie Wasser am Lotusblatt. Denn wir unterstützen die Corona-Maßnahmen"), dürfte enttäuscht sein.