Am Rande eines Stadtfestes in Chemnitz war am Wochenende ein 35 Jahre alter Deutscher durch Messerstiche getötet worden. Als Tatverdächtige gelten ein Syrer und ein Iraker. Am Sonntag zogen rechte Demonstranten durch die Stadt, von denen einige ausländische Passanten attackierten. Am Montagabend wurden bei neuen Protesten rechter und linker Demonstranten nach Angaben der Polizei 20 Menschen verletzt, darunter zwei Polizisten. (dpa)
"Haltungsproblem der bürgerlichen Mitte"
Wenn die Polizei das Gewaltmonopol nicht mehr durchsetzen könne, müsse man von "Staatsversagen" sprechen, sagt Ursula Weidenfeld angesichts der Ausschreitungen in Chemnitz. Und die Journalistin diagnostiziert ein "Haltungsproblem" der Mitte der Gesellschaft.
Angesichts der rechten Ausschreitungen in Chemnitz am Sonntag und am Montagabend spricht die Journalistin Ursula Weidenfeld von "Staatsversagen". Das Gewaltmonopol sei ein Identitätsmerkmal des Staates, das dieser um jeden Preis verteidigen müsse. In Chemnitz allerdings sei die Polizei mit der Einschätzung einer sich dynamisch entwickelnden Situation "total überfordert" gewesen.
Dieses Problem sei keine Spezialität von Chemnitz, sagte Weidenfeld und verwies auf die Kölner Silvesternacht oder den G20-Gipfel in Hamburg.
Bürgerliche Mitte "leise" oder "nicht vorhanden"
Nichtsdestotrotz prallten in Chemnitz oder generell in Sachsen rechte und linke Gruppen besonders hart aufeinander, betonte demgegenüber Torsten Kleditzsch, Chefredakteur der "Freien Presse", der am Telefon zugeschaltet war.
"Das ist so ein Grundproblem, dass diese gesellschaftliche bürgerliche Mitte hier in Sachsen, die sich um diesen Rechtsstaat Sorgen macht, dass die entweder zu leise oder überhaupt nicht vorhanden ist", sagte er.
Geradezu sinnbildlich hätten sich am Sonntagnachmittag Rechte und Linke gegenüber gestanden, so Kleditzsch, "und wer nicht da war, das war die Mitte (…), da stand dann halt der Staat im Sinne der Polizei, leider auch offenbar mit zu wenigen Kräften".
"Verbindung zu offen rechtsextremen Gruppen"
Zwar werde das Thema Rechtsextremismus in Sachsen mittlerweile ernsthafter behandelt, doch säßen die Probleme "ziemlich tief", meinte Kleditzsch:
"Das Netzwerk des Rechtsextremismus ist hier schon sehr stark ausgebaut. Das reicht zurück noch bis zu den NSU-Unterstützern, die ja teilweise immer noch auch aktiv und engagiert sind. Das müssen wir leider feststellen."
Kleditzsch sagte, dass die "Anti-Asylbewegung" in Sachsen "eine viel offenere Verbindung zu offen rechtsextremen Gruppen" habe, als er das in anderen Teilen der Republik beobachte. Man habe kaum Berührungsängste, gemeinsam mit offensichtlich Rechtsextremen zu demonstrieren. "Das ist sicherlich eine Besonderheit, die wir hier beobachten."
Weidenfeld stimmte dem insoweit zu, als sie meinte, dass es es ein "Haltungsproblem" in der Mitte der Gesellschaft gebe.
(huc)