Dieses Glück, das diese Gesellschaften verspüren, das will man nicht unbedingt teilen, Stichwort Wohlfahrtsstaat. Deshalb passt so ein starker, ein sorgender Staat und wenig Migration gleichzeitig für viele hier sehr gut zusammen. So gesehen kann man schon sagen, dass diese Gesellschaften nach rechts gerückt sind, ohne dabei aber auch den Blick nach links zu verlieren.
Skandinavien
Wahlveranstaltung im August 2022 der Schwedendemokraten mit dem redegewandten Parteivorsitzenden Jimmie Åkesson. © imago / TT / Henrik Montgomery
Der Aufstieg der Rechtspopulisten
23:11 Minuten
Seit Oktober sind die Schwedendemokraten an der Regierung in Stockholm beteiligt. Rechte Parteien haben sich in den skandinavischen Ländern mittlerweile etabliert. Wie konnte es soweit kommen, wie stark sind sie und wohin wird die Reise noch gehen?
Zeitenwende in Schweden? - Seit der Wahl am 11. September sind dort die rechtspopulistischen Schwedendemokraten an der bürgerlichen Regierung indirekt in Form der Tolerierung beteiligt.
Wahlerfolg mit Konsequenzen
Sie wurden mit über 20 Prozent zur stärksten Kraft im rechten Block und zur zweitstärksten Partei im Parlament nach den Sozialdemokraten gewählt. Ohne sie hat die neue Dreiparteien-Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson keine Mehrheit im Parlament.
Unsere Korrespondentin in Stockholm, Sofie Donges, stellt fest, dass die Schwedendemokraten bereits Akzente im politischen Programm gesetzt haben, vor allem bei der Migrations- und Justizpolitik: Es solle deutlich weniger Einwanderung, möglichst gar keine dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen und auch deutlich schärfere Strafen geben.
Aber sie weist auch darauf hin, dass es diese Entwicklung schon länger gibt. "Die Schwedendemokraten sitzen seit Jahren im Reichstag und sie sind stetig gewachsen. Es ist nicht die erste Wahl, bei der sie gut abgeschnitten haben."
Die Rechten als Mehrheitsbeschaffer
Allerdings habe es bisher für die anderen Parteien immer als No-Go gegolten, mit den Rechten zusammenzuarbeiten. Man habe sie schlicht ignoriert. Das habe sich allerdings schon Monate vor dieser Wahl geändert. Man könne sich in Sachfragen dann doch eine Zusammenarbeit vorstellen, hieß es. Das macht die neue Regierung jetzt auch gezwungenermaßen.
Der Parteivorsitzende der Schwedendemokraten ist seit vielen Jahren Jimmie Åkesson. Er habe es als Oppositionsführer immer sehr leicht gehabt, so die Einschätzung unserer Korrespondentin, habe viel versprechen und den anderen Parteien die Schuld zuschieben können.
Wählen aus Frustration und Protest
In Zeiten der in Schweden ebenfalls hohen Inflation habe seine Partei bei der Wahl im September auf das Thema Senkung der Spritpreise gesetzt, was sehr gut angekommen sei, sowie auf das Thema Kriminalität. Hier hätten sich die Schwedendemokraten als Partei präsentiert, die in Gegenden mit hohem Migrationsanteil hart durchgreifen wolle.
Meinungsforschende betonen, dass die über 20 Prozent Schwedendemokraten-Wähler nicht automatisch mit rechtem Gedankengut sympathisieren. Vielmehr sei die Wählerschaft häufig frustriert von den nicht eingelösten Versprechungen der bisher Regierenden.
Rechter Einfluss auf die Europapolitik
Schweden hat am 1. Januar den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernommen: Gelegenheit für die traditionell europaskeptischen Schwedendemokraten, auch hier Einfluss zu nehmen: Ihre außenpolitische Devise sei "Schweden zuerst", so Donges.
Zwar fordern die Rechtspopulisten nicht mehr den Austritt aus der Europäischen Union, wie früher. Trotzdem sagt Ministerpräsident Kristersson bei den EU-Verhandlungen über das Klimapaket und den europäischen Asyl- und Migrationspakt Spannungen voraus.
Jede Sechste stimmt in Dänemark für rechts
Bei Schwedens Nachbar Dänemark regiert seit Dezember eine neue Koalition der Mitte. Aber auch dort konnten die Rechten punkten. Es gibt in Kopenhagen mittlerweile drei rechtspopulistische Parteien, die zusammengerechnet jede sechste Wählerstimme erhalten haben.
Doch anders als in Schweden ist die neue dänische Regierung unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen nicht auf Unterstützung der Rechten in Einzelfragen angewiesen. Das könnte die bisher so rigiden Migrationspolitik Dänemarks abmildern und die Pläne, Asylbewerber nach Ruanda abzuschieben, nochmal infrage stellen.
Eine alte neue Geschichte
Rechte Parteien in Skandinavien, das sei eine alte neue Geschichte, sagt Sofie Donges: "Rechtspopulisten sind in skandinavischen Parlamenten seit gut 20 Jahren aktive politische Gestalter." Entweder stützten sie Minderheitsregierungen, zum Beispiel in Dänemark, oder sie waren an Regierungen beteiligt, wie in Norwegen und Finnland. Obwohl es in der Folge auch zu Wechsel, Streit und Spaltungen kam, konnten sich die rechten Parteien im hohen Norden immer wieder schnell erholen. Auch in Finnland sind die Rechtspopulisten derzeit zweitstärkste Kraft im Parlament.
Was die rechten Parteien in Skandinavien verbindet, sei ein gewisser Wohlfahrtschauvinismus, so Donges. "Sie verknüpfen die Themen Wohlfahrtsstaat und Migration miteinander und sagen: Einwanderung kostet uns zu viel, da fehlt uns das Geld für den Wohlfahrtsstaat. Und: Einwanderer beanspruchen den Wohlfahrtstaat viel stärker als die Einheimischen, und das ist ungerecht."
Dass die skandinavischen Länder weltweit als die Länder mit den glücklichsten Menschen gelten, sowie als Hort von Liberalität und Toleranz, stehe nicht im Widerspruch zum Siegeszuges der Rechten, so die Einschätzung unserer Schweden-Korrespondentin. Im Gegenteil:
Donges glaubt außerdem, dass das Bild der sozialen und liberalen Gesellschaften, das wir in Deutschland von Skandinavien haben, "ein bisschen rosarot" eingefärbt sei. Denn keines dieser Länder und Gesellschaften habe es in den letzten 20 Jahren geschafft, die Rechtspopulisten wirklich auszubremsen: weder durch Ignoranz noch durch die Einbindung in politische Arbeit. "Man kann eigentlich sagen: Die Rechten sind gekommen, um zu bleiben."
(ik)