Von der friedlichen zur nationalistischen Revolution?
Wenn vom Ende der DDR gesprochen wird, wird gerne der Terminus der "Friedlichen Revolution" benutzt. Eine Veranstaltung in Dresden erinnert jetzt aber daran, dass der Protest von Rechten unterwandert war. Und dass es eine Traditionslinie von 1989 zu den Pegida-Aufmärschen heute gibt.
Das Dresdner Kulturzentrum Scheune in der Neustadt ist voll besetzt. Die Veranstaltung zum Thema "Dresden – Hauptstadt der Bewegung" der Friedrich-Ebert-Stiftung fragt nach möglichen Kontinuitäten rassistischer Denkweisen, die es zwischen den Wendejahren und heute gibt.
Zeitzeugen erinnern sich an die Zeit vor 25 Jahren, wie Marian Schönfeld, damals ein Jugendlicher:
"Na, es kam bei den ersten 'Wir sind ein Volk'- Rufern dann die Schilder 'Deutschland in den Grenzen von so und so 1939 – bis 1945'. Da waren dann natürlich die ganzen Ostgebiete dabei. Und das hat uns dann abgeschreckt."
Heute sieht der Dresdener Schönfeld teilweise genau diese Leute, seine Altersgenossen, bei Pegida mitmarschieren. Sie fühlen sich gestärkt und wärmen alte Konflikte der Wendezeit wieder auf, wenn sie ihm vorhalten:
"Ihr wart immer die, die die Kerzchen gehalten haben, ihr Gutmenschen. Ich wollte gleich so ein schönes großes starkes Deutschland. Und ihr wolltet das verhindern. Ich hab auf der richtigen Seite schon immer gekämpft. Jetzt ist das genauso. Jetzt sehe ich endlich durch Bachmann verwirklicht. Der eine Idealfigur wäre."
Mehr als 8000 ausländerfeindliche Vorfälle in der DDR
Mit dem Zeitzeugen Schönfeld diskutiert der Historiker Harry Waibel. Er hat umfangreich zu Neonazismus in der DDR geforscht. In Überlieferungen des DDR-Staatssicherheitsdienstes hat er mehr als 8.000 Meldungen über ausländerfeindliche oder antisemitische Vorfälle gefunden.
"Dass diese rechte Bewegung aktiv war in allen Bezirken der DDR und sich in allen Bezirken sich zugespitzt hat bis Ende der 1980er Jahre."
Die rechte Bewegung hat zum Ziel gehabt, die DDR abzuschaffen, sagt Waibel. Nach dem Mauerfall habe es deshalb dort ein Triumphgefühl gegeben.
"Es ist von daher fragwürdig, weil es eine politische Rezeption dieses wichtigen Teils der Geschichte der friedlichen Revolution nicht gegeben hat. Bis heute will man das nicht wissen."
Seit PEGIDA rücke das nun mehr in den Fokus, zumal viele der Demonstranten sagen, dass sie damals auf die Straße gegangen sind:
"Erst jetzt unter dem Eindruck dieser massenhaften rassistischen rechten Aktionen und Einstellungen erst jetzt taucht die Frage auf, wo kommt das her?"
Parallelen zwischen damals und heute
Es war der Schriftsteller Peter Richter, ein gebürtiger Dresdner, der diesen gerne übersehenen Aspekt der Friedlichen Revolution in seinem Buch 89/90 beschreibt. Vor ein paar Wochen war er in seiner Heimatstadt Dresden: Sieht er denn Parallelen zwischen den Ereignissen damals und heute?
"Es gibt schon Parallelen, die ins Auge springen, das ist der Marsch hinter der Deutschlandfahne her, es ist eine gewisse Grundaggressivität."
Auch seine Schlussfolgerung: 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung müssen wir unser Bild von der Friedlichen Revolution überprüfen.
"Es ist schon genau das Volk, was damals auch auf der Straße war. Was damals die Revolution getragen hat. Wenn uns heute unheimlich ist, was da passiert, dann wirft das ein Bild auf das, was damals passiert ist. Vielleicht müssen wir auch unser Bild von der Friedlichen Revolution ein bisschen differenzierter künftig malen."