Rechte Verlage auf der Leipziger Buchmesse

Kann man dieses Spiel gewinnen?

Leipziger Buchmesse
Leipziger Buchmesse 2017 © imago/Manfred Segerer
Von Kolja Mensing |
Bereits im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse gab es Streit um die Präsenz rechts gerichteter Verlage – und auch vor der Leipziger Buchmesse wird darüber debattiert. So hat Messedirektor Oliver Zille erklärt, es werde "keine Zensur" ausgeübt, er werde aber sein "Hausrecht" in Anspruch nehmen. Die richtige Strategie? Ein Kommentar von Kolja Mensing.
Der Jungeuropa Verlag ist ein rechter, besser gesagt: neurechter Verlag. Auf der Leipziger Messe wird er keinen eigenen Stand haben, aber es lohnt sich trotzdem, einen Blick in einen seiner aktuellen Titel zu werfen: eine Sammlung mit Aufsätzen von Alain de Benoist, dem Vordenker der französischen Neuen Rechten, auf Deutsch erschienen unter dem kämpferischen Titel: "Kulturrevolution von rechts".
Benoist entwickelte in den frühen 80ern eine diskursive Strategie, die die deutschen Kulturrevolutionäre der Neuen Rechten sich heute begeistert aneignen: "Der Staat", schreibt er, "kann den Besitz von Waffen oder die Verwendung von Sprengstoff verbieten, aber kann nur sehr schwer, ohne das Prinzip der freien Meinungsäußerung anzutasten, die Verbreitung eines Buches oder die Aufführung eines Schauspiels verbieten, die jedoch, wenn es darauf ankommt, Waffen darstellen können, die gegen ihn gerichtet werden". Was Benoist meint: Besteht auf Eurem Recht, öffentlich Eure Meinung zu sagen – solang, bis es euren liberalen Gegnern zu viel wird – und sie ihre eigenen Wertvorstellungen aufgeben müssen. Kurzum: Lasst das System an sich selbst zugrunde gehen.

Auseinandersetzungen auf der Messe sind programmiert

Dem System geht’s ja noch ganz gut, aber im deutschen Literaturbetrieb und Feuilleton ist diese destruktive Strategie ziemlich effektiv. Und das ist genau die Falle, in die jetzt auch die Leipziger Buchmesse mit ihrer unglücklichen PR läuft. Wenn Direktor Oliver Zille bekannt gibt, er wolle selbstverständlich keine Zensur ausüben – will sagen: auf keinen Fall einem rechten Verlag den Messeauftritt verweigern –, dann ist das als Bekenntnis zur "freien Meinungsäußerung" gedacht. Wenn er aber gleichzeitig hemdsärmelig erklärt, er behalte sich vor, Veranstaltungen abzubrechen oder Bücher aus den Messehallen zu entfernen, um so ein deutliches Signal "gegen Rassismus und Hetze" zu setzen, dann polarisiert er – und hat damit das Spiel, zu dem die rechten Verleger ihn eingeladen haben, bereits verloren. Medienwirksame Auseinandersetzungen auf der Leipziger Messe sind programmiert.
Dazu kommt der äußerst ungeschickte Hinweis, mit dem Oliver Zille von der Nachrichtenagentur KNA zitiert wird, es handele sich um insgesamt fünf "rechtsextreme" Verlage, die mit einem Stand in Leipzig vertreten sein werden. "Rechtsextrem" ist natürlich ein ziemlich schwieriges Wort in diesem Zusammenhang, was offenbar auch Oliver Zille aufgefallen ist – Namen möchte seine Presseabteilung auf Nachfrage dann auch lieber nicht nennen.

Vom "Hausrecht" Gebrauch machen

Aber, bitte schön: Die Frage, ob die Leipziger Buchmesse "rechtsextremen" Verlagen einen Stand überlassen sollte – also Verlagen, die mit ihren Publikationen nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen – die ist doch eigentlich leicht zu beantworten.
Natürlich nicht.
Und das ist vielleicht der einzige Weg, um der Zwickmühle zu entgehen, die Alain de Benoist so klar beschrieben hat. Einfach mal vorher schon vom "Hausrecht" Gebrauch machen, einfach mal Nein sagen – und zwei, drei Quadratmeter Messefläche nicht an rechts vermieten. Das Wirtschaftsunternehmen "Buchmesse" wird’s verkraften. Und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wird damit in Deutschland ganz sicher nicht beschnitten.
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