Rechtsexpertin verteidigt Kambodscha-Tribunal
Die Expertin für internationales Recht, Franziska Eckelmans, hält das in Kambodscha laufende Verfahren gegen drei ehemalige Machthaber des Rote-Khmer-Regimes für rechtmäßig. Sie selbst habe als Beraterin des Gerichts in Kambodscha unabhängig und ungestört arbeiten können, sagte Eckelmans.
André Hatting: Das Ziel war ein geldloser Bauernstaat. diese ruralromantische Vision verwandelten Pol Pot und seine Rotem Khmer in einen Alptraum. Zwischen 1975 und 79 starben unter seiner Herrschaft über zwei Millionen Kambodschaner - Zehntausende durch Hinrichtungen, die meisten durch Hungersnöte und Seuchen. Erst im vergangenen Jahr wurde einer der Verantwortlichen verurteilt: 35 Jahre Haft für Kang Kek Iew, ehemaliger Gefängnisdirektor in Phnom Penh. Maßgeblich mitgearbeitet an diesem Urteil hat die Juristin Franziska Eckelmans. Als Expertin für internationales Recht hat sie die kambodschanischen Richter beraten. Guten Morgen, Frau Eckelmans!
Franziska Eckelmans: Guten Morgen!
Hatting: In dieser Woche hat der zweite Prozess vor dem UN-Tribunal in Phnom Penh begonnen gegen die Anführer des Terrorregimes. Wer genau sind diese Angeklagten?
Eckelmans: Es handelt sich derzeit um drei Angeklagte, um Nuon Chea, den stellvertretenden Sekretär der Kommunistischen Partei oder auch Bruder Nummer zwei nach Pol Pot, um Ieng Sary, den Außenminister von Demokratisch-Kampuchea, und um Khieu Samphan, der dann ab 1976 Staatschef des Demokratischen Kampuchea war.
Hatting: Die Anklage lautet Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gestern hielt die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers, die Beweisaufnahmen soll dann ab dem 5. Dezember folgen. Nun sind die Angeklagten alle schon sehr alt, 80 und älter. Glauben Sie, dass sie noch ihre gerechte Strafe bekommen werden?
Eckelmans: Das Alter hatte zum einen jetzt zur Folge, dass Ieng Tirit, die Ehefrau von Ieng Sary, vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Das heißt, sie ist verfahrensunfähig. Wie das mit den anderen Angeklagten aussieht, das hat die Kammer schon entschieden und hat gesagt, sie sind eigentlich alle drei fähig, an diesem Verfahren teilzunehmen.
Allerdings hat die Kammer die sehr große Anklageschrift, die sich auf über 20 verschiedene Tatorte bezieht, sehr stark gekürzt, indem sie das Verfahren getrennt hat, abgetrennt hat in verschiedene Teile, und dadurch besteht wahrscheinlich die Hoffnung, dass man sagt, wir fangen mit einem Teil an, sodass dann dort ein Urteil erfolgen kann, und dann folgen andere Teile, die Teil der Anklageschrift sind.
Hatting: Wann könnte frühestens ein Urteil erfolgen, wenn man dieses Modell ansetzt?
Eckelmans: Oh, ich kann keine Zeit da angeben, die einigermaßen realistisch ist. Das hängt wirklich auch davon ab, wie diese drei Angeklagten, die alle 80 oder Mitte 80 sind, den Prozess verfolgen können, wie schnell die Beweisaufnahme stattfinden kann, aber so ein Verfahren, selbst eins, das sich jetzt beschränkt erst mal auf die Ereignisse um Phnom Penh herum 1975, das dauert schon einige Zeit. Also in der internationalen Strafgerichtsbarkeit als solche denkt man in jedem Fall ein Jahr als Minimum, um so ein Verfahren zu haben.
Hatting: Unmittelbar vor diesem zweiten Hauptprozess gab es massive Kritik. Opfer, Angehörige und auch Menschenrechtler beklagen, dieses UN-Tribunal sei nicht unabhängig. Jetzt haben Sie ja jahrelang in Kambodscha gelebt und haben unter anderem auch das Tribunal beraten, was genau ist da los? Was ist da passiert?
Eckelmans: Das Tribunal sei nicht unabhängig, ist natürlich ein Kritikpunkt, der das gesamte Tribunal von Anfang an begleitet, einer der Gründe auch, warum es eine Kammer gibt mit kambodschanischen und internationalen Richtern, die zusammen halt Urteile finden sollen, um diese Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und es gab schon mehrere sozusagen Disqualifizierungsverfahren, an denen die Angeklagten immer wieder gesagt haben, da ist es ein Problem der Unabhängigkeit, und das wurde jedes Mal für diese Kammer ganz deutlich bisher abgelehnt.
Hatting: Aber immerhin ist zum Beispiel der deutsche Untersuchungsrichter, Siegfried Blum, der ist zurückgetreten.
Eckelmans: Er ist zurückgetreten, um ganz deutlich zu zeigen, dass er es vermeiden möchte, als nicht unabhängig angesehen zu werden, weil die Regierung, die Öffentlichkeit immer wieder gesagt hat, diese Verfahren drei und vier sollen nicht stattfinden. Und um da den Anschein der Unabhängigkeit zu bewahren, ist er dann wohl zurückgetreten, nach seinen eigenen Aussagen.
Hatting: Die kambodschanische Regierung ist gegen jede weiteren Prozesse gegen die Roten Khmer und versucht – so zumindest sagen es Kritiker dort in Kambodscha – auf die Richter, auf das Gericht einzuwirken, dass man keine weiteren Verfahren zulässt. Sie haben ja selber dort gearbeitet. Hat man auch auf Sie Druck ausgeübt, oder konnten Sie völlig unabhängig und ungestört arbeiten?
Eckelmans: Ich habe sehr unabhängig und ungestört arbeiten können. Ich habe da die kambodschanischen Richter der Hauptverfahrenskammer beraten und dort also aus eigenem Erleben keine Einflussnahme als solche gespürt, sondern interessierte Diskussion und wirklich ein sich beschäftigen mit der Sache als solcher, mit der rechtlichen Sache.
Hatting: Warum ist eigentlich die Regierung in Kambodscha gegen weitere Prozesse? Warum will sie die Aufklärung nicht vorantreiben?
Eckelmans: Es könnte ganz pragmatische Gründe haben, dass man einfach sagt, man würde jetzt weitergehen hier in der Entwicklung, oder es könnte auch politische Hintergründe haben, über die ich dann nicht Bescheid weiß, weil natürlich die Khmer Rouges als solche jetzt integriert sind auch in das Land, und da noch auf unterem Level, Führer der unteren Level ja auch noch Positionen haben im Land und in bestimmten Landesteilen ja auch noch etwas zu sagen haben.
Hatting: Also möglicherweise die berühmte Krähe, die der anderen kein Auge aushackt. Glauben Sie, dass dieser Prozess das juristische Schlusskapitel sein wird, oder wird die Aufarbeitung anschließend notwendigerweise noch weitergehen?
Eckelmans: Ich denke, dass dieser Prozess erst einmal zu Ende geführt wird und leider wahrscheinlich nicht in eine weitere Aufarbeitung direkt führen wird, was eigentlich für das Rechtssystem als solches vielleicht gut gewesen wäre. Aber ich denke, dass das Land als solches auch noch Zeit braucht.
Und man sollte auch nicht vergessen, dass erst 1998 der interne Konflikt, der Krieg als solches vorbei ist, dass das Land gerade in Entwicklung ist, dass da eine ganze neue Generation von Menschen ist, die sich durch diese Prozesse ja auch wirklich erstmalig aus einem etwas objektiveren Gesichtspunkt mit dieser Zeit damals beschäftigt, und dass noch viel Aufarbeitung nötig ist, auch über die Folgejahre. Ich denke nicht, dass es der allgemeine Schlussstrich sein wird für dieses Land als solches im Umgang mit diesen Konflikten.
Hatting: Franziska Eckelmans war das, Expertin für internationales Recht. Sie lebte bis Ende Juli in Kambodscha und hat dort die Richter des UN-Sondertribunals gegen die Roten Khmer beraten. Jetzt ist sie Rechtsberaterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Eckelmans!
Eckelmans: Danke sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Franziska Eckelmans: Guten Morgen!
Hatting: In dieser Woche hat der zweite Prozess vor dem UN-Tribunal in Phnom Penh begonnen gegen die Anführer des Terrorregimes. Wer genau sind diese Angeklagten?
Eckelmans: Es handelt sich derzeit um drei Angeklagte, um Nuon Chea, den stellvertretenden Sekretär der Kommunistischen Partei oder auch Bruder Nummer zwei nach Pol Pot, um Ieng Sary, den Außenminister von Demokratisch-Kampuchea, und um Khieu Samphan, der dann ab 1976 Staatschef des Demokratischen Kampuchea war.
Hatting: Die Anklage lautet Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gestern hielt die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers, die Beweisaufnahmen soll dann ab dem 5. Dezember folgen. Nun sind die Angeklagten alle schon sehr alt, 80 und älter. Glauben Sie, dass sie noch ihre gerechte Strafe bekommen werden?
Eckelmans: Das Alter hatte zum einen jetzt zur Folge, dass Ieng Tirit, die Ehefrau von Ieng Sary, vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Das heißt, sie ist verfahrensunfähig. Wie das mit den anderen Angeklagten aussieht, das hat die Kammer schon entschieden und hat gesagt, sie sind eigentlich alle drei fähig, an diesem Verfahren teilzunehmen.
Allerdings hat die Kammer die sehr große Anklageschrift, die sich auf über 20 verschiedene Tatorte bezieht, sehr stark gekürzt, indem sie das Verfahren getrennt hat, abgetrennt hat in verschiedene Teile, und dadurch besteht wahrscheinlich die Hoffnung, dass man sagt, wir fangen mit einem Teil an, sodass dann dort ein Urteil erfolgen kann, und dann folgen andere Teile, die Teil der Anklageschrift sind.
Hatting: Wann könnte frühestens ein Urteil erfolgen, wenn man dieses Modell ansetzt?
Eckelmans: Oh, ich kann keine Zeit da angeben, die einigermaßen realistisch ist. Das hängt wirklich auch davon ab, wie diese drei Angeklagten, die alle 80 oder Mitte 80 sind, den Prozess verfolgen können, wie schnell die Beweisaufnahme stattfinden kann, aber so ein Verfahren, selbst eins, das sich jetzt beschränkt erst mal auf die Ereignisse um Phnom Penh herum 1975, das dauert schon einige Zeit. Also in der internationalen Strafgerichtsbarkeit als solche denkt man in jedem Fall ein Jahr als Minimum, um so ein Verfahren zu haben.
Hatting: Unmittelbar vor diesem zweiten Hauptprozess gab es massive Kritik. Opfer, Angehörige und auch Menschenrechtler beklagen, dieses UN-Tribunal sei nicht unabhängig. Jetzt haben Sie ja jahrelang in Kambodscha gelebt und haben unter anderem auch das Tribunal beraten, was genau ist da los? Was ist da passiert?
Eckelmans: Das Tribunal sei nicht unabhängig, ist natürlich ein Kritikpunkt, der das gesamte Tribunal von Anfang an begleitet, einer der Gründe auch, warum es eine Kammer gibt mit kambodschanischen und internationalen Richtern, die zusammen halt Urteile finden sollen, um diese Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und es gab schon mehrere sozusagen Disqualifizierungsverfahren, an denen die Angeklagten immer wieder gesagt haben, da ist es ein Problem der Unabhängigkeit, und das wurde jedes Mal für diese Kammer ganz deutlich bisher abgelehnt.
Hatting: Aber immerhin ist zum Beispiel der deutsche Untersuchungsrichter, Siegfried Blum, der ist zurückgetreten.
Eckelmans: Er ist zurückgetreten, um ganz deutlich zu zeigen, dass er es vermeiden möchte, als nicht unabhängig angesehen zu werden, weil die Regierung, die Öffentlichkeit immer wieder gesagt hat, diese Verfahren drei und vier sollen nicht stattfinden. Und um da den Anschein der Unabhängigkeit zu bewahren, ist er dann wohl zurückgetreten, nach seinen eigenen Aussagen.
Hatting: Die kambodschanische Regierung ist gegen jede weiteren Prozesse gegen die Roten Khmer und versucht – so zumindest sagen es Kritiker dort in Kambodscha – auf die Richter, auf das Gericht einzuwirken, dass man keine weiteren Verfahren zulässt. Sie haben ja selber dort gearbeitet. Hat man auch auf Sie Druck ausgeübt, oder konnten Sie völlig unabhängig und ungestört arbeiten?
Eckelmans: Ich habe sehr unabhängig und ungestört arbeiten können. Ich habe da die kambodschanischen Richter der Hauptverfahrenskammer beraten und dort also aus eigenem Erleben keine Einflussnahme als solche gespürt, sondern interessierte Diskussion und wirklich ein sich beschäftigen mit der Sache als solcher, mit der rechtlichen Sache.
Hatting: Warum ist eigentlich die Regierung in Kambodscha gegen weitere Prozesse? Warum will sie die Aufklärung nicht vorantreiben?
Eckelmans: Es könnte ganz pragmatische Gründe haben, dass man einfach sagt, man würde jetzt weitergehen hier in der Entwicklung, oder es könnte auch politische Hintergründe haben, über die ich dann nicht Bescheid weiß, weil natürlich die Khmer Rouges als solche jetzt integriert sind auch in das Land, und da noch auf unterem Level, Führer der unteren Level ja auch noch Positionen haben im Land und in bestimmten Landesteilen ja auch noch etwas zu sagen haben.
Hatting: Also möglicherweise die berühmte Krähe, die der anderen kein Auge aushackt. Glauben Sie, dass dieser Prozess das juristische Schlusskapitel sein wird, oder wird die Aufarbeitung anschließend notwendigerweise noch weitergehen?
Eckelmans: Ich denke, dass dieser Prozess erst einmal zu Ende geführt wird und leider wahrscheinlich nicht in eine weitere Aufarbeitung direkt führen wird, was eigentlich für das Rechtssystem als solches vielleicht gut gewesen wäre. Aber ich denke, dass das Land als solches auch noch Zeit braucht.
Und man sollte auch nicht vergessen, dass erst 1998 der interne Konflikt, der Krieg als solches vorbei ist, dass das Land gerade in Entwicklung ist, dass da eine ganze neue Generation von Menschen ist, die sich durch diese Prozesse ja auch wirklich erstmalig aus einem etwas objektiveren Gesichtspunkt mit dieser Zeit damals beschäftigt, und dass noch viel Aufarbeitung nötig ist, auch über die Folgejahre. Ich denke nicht, dass es der allgemeine Schlussstrich sein wird für dieses Land als solches im Umgang mit diesen Konflikten.
Hatting: Franziska Eckelmans war das, Expertin für internationales Recht. Sie lebte bis Ende Juli in Kambodscha und hat dort die Richter des UN-Sondertribunals gegen die Roten Khmer beraten. Jetzt ist sie Rechtsberaterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Eckelmans!
Eckelmans: Danke sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.